Der Glöckner von Notre Dame – Musical

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Ein Disney-Film, der als Bühnenmusical adaptiert wird, ist tatsächlich nichts allzu Besonderes: Egal ob „Der König der Löwen“, „Aladdin“ oder „Die Schöne und das Biest“, viele beliebte Zeichentrickfilme wurden bereits am Broadway aufgeführt und fanden anschließend ihren Weg nach Deutschland. Besagte Filme wurden dabei natürlich den Gegebenheiten der Bühne angepasst, mit neuen Liedern bestückt, insgesamt aber nicht allzu sehr verändert. „Der Glöckner von Notre Dame“, seit dem 18. Februar 2018 in Stuttgart im Apollo Theater zu sehen, ist da in zweierlei Hinsicht ein interessanter Sonderfall. Zuerst wäre da eine äußerst interessante Wechselwirkung zwischen Deutschland und den USA: 1996 kam „Der Glöckner von Notre Dame“ als Zeichentrickfilm ins Kino – ein etwas ungewöhnlicher Stoff für einen Disney-Film, schließlich ist die Vorlage, der Roman von Victor Hugo aus dem Jahre 1831 (Originaltitel: „Notre Dame de Paris“), weder besonders märchenhaft noch kindgerecht, sondern beschäftigt sich mit Themen wie Lust, Verdammnis und gotischer Architektur. Disney bemühte sich zwar, diese Geschichte kindgerechter zu gestalten, machte aus Hugos fast schon depressivem Schluss ein Happy End, verwandelte den zwielichtigen Hauptmann Phoebus in eine eindeutig heroische Figur und fügte noch drei lebendig gewordene Wasserspeier hinzu, die für mehr Humor sorgten, doch trotz all dieser Maßnahmen ist Disneys „Der Glöckner von Notre Dame“ noch eine ziemlich düstere Angelegenheit, zumindest gemessen an den anderen Zeichentrickfilmen des Meisterwerke-Kanons. Das blieb nicht folgenlos – nach Disney-Standards war „Der Glöckner von Notre-Dame“ fast schon ein Misserfolg. Dennoch entschloss man sich bei Disney, eine Musical-Adaption in Auftrag zu geben, allerdings nicht für Amerika oder den Broadway, sondern für Deutschland, das Land, in dem der Film am erfolgreichsten war. Alan Menken und Stephen Schwartz, die bereits die Lieder für den Film verfasst hatten, schrieben einige neue Songs, die von Michael Kunze ins Deutsche übertragen wurden. Dieses Musical lief in im Theater am Potsdamer Platz in Berlin von 1999 bis 2002 und folgt der Handlung des Films relativ genau, nähert sich im Tonfall allerdings Hugos Romanvorlage an. Die markanteste Änderung ist das Ende, denn anders als im Film stirbt Esmeralda im Musical. Dieses Stück bildete die Grundlage für die amerikanische Version, die allerdings ziemlich lange auf sich warten ließ – erst 2014 wurde Premiere gefeiert, und das auch nicht am Broadway, sondern im La Jolla Playhouse in San Diego, Kalifornien. 2017 kehrte „Der Glöckner von Notre Dame“ schließlich nach Deutschland zurück, um zuerst in Berlin, dann in München und schließlich in Stuttgart gespielt zu werden. Die neue deutsche Version entspricht genau der amerikanischen (beide wurden von Scott Schwartz inszeniert), die sich noch weiter vom Film entfernt und noch mehr Elemente aus Hugos Roman integriert.

Claude (Felix Martin) und Jehan Frollo (Nico Schweers) wachsen nach dem Tod ihrer Eltern beide in Notre Dame auf. Während Claude Priester wird, kommt Jehan mit dem strikten Lebensstil nicht klar und brennt mit einer Zigeunerin durch. Erst viele Jahre später findet der zum Erzdiakon der Kathedrale aufgestiegen Claude seinen Bruder wieder. Dieser liegt im Sterben, vertraut Claude aber seinen Sohn, ein missgestaltetes Baby an. Widerwillig adoptiert Claude seinen Neffen, nennt ihn Quasimodo und zieht ihn verborgen in der Kathedrale auf, wo er ihn zum Glöckner macht. Zwanzig Jahre später sehnt sich Quasimodo (David Jakobs) danach, Notre Dame zu verlassen und am jährlich stattfindenden Fest der Narren teilzunehmen. Entgegen den Befehlen seines Meisters Frollo schleicht sich Quasimodo hinaus, wird aber von der geifernden Menge bis aufs Blut gedemütigt. Nur die Zigeunerin Esmeralda (Mercedesz Csampai) hat Mitleid mit ihm, weshalb sich Quasimodo in sie verliebt. Aber auch Phoebus (Maximilian Mann), der Hauptmann der Kirchengarde, und Frollo werden von der schönen Zigeunerin verzaubert – und vor allem Letzterer tut nun alles, um seine Gelüste zu befriedigen und Esmeralda in seine Finger zu bekommen, und wenn er dafür ganz Paris niederbrennen muss…

Die Geschichte, die das Musical erzählt, ist natürlich nur allzu bekannt, wirkt aber gerade in diesen Zeiten wieder äußerst aktuell, wenn auch hin und wieder eine Spur zu plakativ. Dennoch ist es ohne Zweifel eine gelungene Entscheidung, Frollo fast schon zur Hauptfigur zu machen. Gerade im Vergleich zum Film wird der Schurke weitaus differenzierter, mitunter sogar verletzlicher gezeichnet, wodurch sein langsamer Abstieg in den Wahnsinn noch intensiver wirkt. Im Film wurde die komplexe Romanfigur des Erzdiakon Frollo, die durchaus zu Gnade und Mitleid fähig ist, quasi zweigeteilt. Alle negativen Eigenschaften erhielt der weltliche Richter Frollo, während alle positiven Eigenschaften dem namenlosen Erzdiakon von Notre Dame zugeteilt wurden. Im Musical ist Frollo nun selbst wieder Erzdiakon und gleicht somit mehr der Romanfigur. Über all das wird der eigentliche Titelheld des Stücks zum Glück nicht vergessen, seine Entwicklung wird eindringlich und nachvollziehbar dargestellt. Auch Quasimodo erhält einige Eigenschaften seines Buchgegenstücks zurück, etwa die partielle Taubheit oder die eingeschränkte Sprachfähigkeit – nur in seinen Liedern drückt er sich deutlich und einwandfrei aus.

„Der Glöckner von Notre Dame“ ist ein Stück, das sehr offen mit seiner eigenen Natur umgeht – notgedrungen, könnte man fast sagen, da es sehr schwer ist, diese Geschichte auf andere Weise umzusetzen. Das fällt besonders auf, da der Chor, ganz ähnlich wie bei einer antiken Griechischen Tragödie, immer auf der Bühne präsent ist und sich mitunter aus den Darstellern zusammensetzt, deren Rolle gerade nicht auf der Bühne benötigt wird. Das Bühnenbild selbst erlebt nur recht wenig Variation, gerade im Vergleich zu einem Musical wie „Tanz der Vampire“ mit seiner dynamischen Drehbühne. Das Bühnenbild wird stets vom ikonischen runden Fenster von Notre Dame dominiert und wirkt auch sonst wie das Innere einer Kathedrale. Verschiedene Lokalitäten werden durch einzelne Veränderungen und zusätzliche Elemente angedeutet: In Quasimodos Glockenturm hängen natürlich Glocken von der Decke, für das Fest der Narren wird eine bunte Bühne aufgebaut, Brüstungen, Geländer und Kerkertüren werden von Chormitgliedern gebracht und wieder entfernt. Dieses Konzept geht insgesamt ziemlich gut auf, wirkt in sich stimmig und atmosphärisch und schafft es, die Geschichte, die Musik und die Darsteller in den Vordergrund zu rücken. Letztere wissen durchweg zu überzeugen, vor allem Mercedesz Csampai ist als Esmeralda wirklich beeindruckend. Felix Martin in der Rolle des Frollo ist zu Beginn ein wenig gewöhnungsbedürftig, vor allem, wenn man Tony Jay (im Zeichentrickfilm) oder Patrick Page (in der amerikanischen Produktion) gewohnt ist – Martin interpretiert die Rolle doch ein wenig anders, weniger selbstsicher und grausam. Aber allerspätestens bei Das Feuer der Hölle – das Paradestück nicht nur dieser Rolle, sondern des gesamten Musicals – zeigt sich, dass Martin sehr wohl als Frollo zu überzeugen weiß. Erfreulicherweise gelingt es auch Chor und Orchester sehr gut, die bombastische, liturgische Wucht von Alan Menkens Musik vermitteln, sodass eindringliche Gänsehautmomente garantiert sind. Einziger wirklicher Kritikpunkt: Die Übersetzung der englischen Texte ist manchmal ein wenig holprig. In großen Teilen bediente man sich der Übersetzung von Michael Kunze aus der ursprünglichen Musicalfassung, die aber oft noch angepasst wurde. Warum The Bells of Notre Dame nun allerdings Der Klang von Notre Dame heißt, ist ein wenig schleierhaft.

Fazit: Extrem gelungenes Disney-Musical, das die Vorzüge und die Musik des Films exzellent mit der Stimmung des Romans verbindet. Gerade Live ein Erlebnis, das man sich als Fan nicht entgehen lassen sollte.

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Das Soundtrack-Jahr 2017

Die letzte Zeit war für mich äußerst geschäftig und stressig, weshalb ich leider bei weitem nicht dazu gekommen bin, alles an Filmmusik (und auch den zugehörigen Filmen) aufzuarbeiten, das ich gerne geschafft hätte – es gibt noch eine ganze Reihe an Scores, denen ich schlicht nicht die Aufmerksamkeit widmen konnte, die sie verdient hätten – andernfalls sähe diese Liste vielleicht ganz anders aus. Aus diesem Grund gibt es dieses Jahr nur fünfzehn Plätze (plus fünf herausragende Einzelstücke), und auch auf die Worst-of-Liste verzichte ich für 2017. Wie üblich gilt: Die Reihenfolge ist absolut nicht in Stein gehauen und könnte morgen schon wieder eine ganz andere sein.

Bemerkenswerte Einzelstücke

Paint It Black aus „Westworld Staffel 1” (Ramin Djawadi)

Rein formal gehört der Soundtrack zur grandiosen neuen HBO-Serie eigentlich noch ins Jahr 2016, aber ich mache hier mal eine Ausnahme, weil ich diesen Track unbedingt erwähnt haben wollte: Es handelt sich dabei um eine orchestrale Neuinterpretation von Pain It Black von den Rolling Stones, die in der zugehörigen Szene unglaublich gut funktioniert und darüber hinaus hervorragend zur Konzeption der Serie passt: Das Stück ist gleichzeitig (zumindest gemessen am Western-Setting) modern und nostalgisch, weckt durch die Instrumentierung eine Western-Assoziation, ist aber zugleich ein genauso anachronistischer Fremdkörper wie ein Androide in einem Saloon.

Kill the Filthy Pirate, I’ll Wait aus „Pirates of the Caribbean: Dead Men Tell No Tales” (Geoff Zanelli)

Mir persönlich gab es im fünften Pirates-Score zu viel Wiederholung bereits bekannten Materials, zu wenig Variation und zu wenig tatsächlich neues Material. Aber dennoch hat Geoff Zanelli einige durchaus unterhaltsame Stücke zum Franchise beigesteuert. Kill the Filthy Pirate, I’ll Wait knüpft nahtlos an die Stärken der Action-Musik der Vorgänger an: Locker, elegant und mit diversen leitmotivischen Einspielungen, darunter die Up-Is-Down-Variation des Liebesthemas aus „At World’s End“, das neue Abenteuer-Thema dieses Films und natürlich Hoist the Colours.

Wonder Woman’s Wrath aus „Wonder Woman” (Rupert Gregson-Williams)

Einige Monate lang war Rupert Gregson-Williams Vertonung von „Wonder Woman“ der beste DCEU-Score. Er ist nun beileibe nichts Besonderes, ein klassischer, unterhaltsamer RCP-Actioner im Stil der 90er und frühen 2000er, der sich angenehm von „Man of Steel“ und „Batman v Superman“ abgrenzt, ohne deren Stilistik völlig aufzugeben. Fraglos wäre da noch mehr dringewesen, aber gerade in Tracks wie Wonder Woman’s Wrath gelingt es Gregson-Williams durchaus, das Potential seines Ansatzes auszuschöpfen und mit den musikalischen Identitäten der Hauptfigur zu spielen, sodass die Wildheit des BvS-Motivs Seite an Seite mit tatsächlich heroischer Musik stehen kann.

Spoils of War aus „Game of Thrones Staffel 7” (Ramin Djawadi)

Vom ersten militärischen Konflikt der Häuser Lannister und Targaryen kann man schon einiges erwarten. Während Djawadis Musik zur siebten GoT-Staffel wieder etwas schwächer ist als die zur sechsten, gibt es durchaus einige äußerst gelungene Stücke. Das zweiteilige Spoils of War schafft es, die Dramatik der Schlacht gut zu vermitteln und spielt hervorragend mit den etablierten Themen. Besonders gelungen ist in meinen Augen natürlich die mal mehr, mal weniger subtile Einbindung von The Rains of Castamere, aber auch die Themen für Daenerys und die Unbefleckten dürfen glänzen.

Roland of Eld (Main Title) aus „The Dark Tower” (Tom Holkenborg)

Unglaublich, aber wahr: Tom Holkenborg erhält eine positive Erwähnung. Die Musik zur Stephen-King-Verfilmung „The Dark Tower“ schlägt in eine ähnliche Kerbe wie „Wonder Woman“ und weiß durchaus zu unterhalten – das gilt besonders für das Main-Title-Stück Roland of Eld, denn hier beweist Junkie XL, dass er durchaus hin und wieder in der Lage ist, etwas Melodisches und Ansprechendes zu komponieren.

Best of

Platz 15: King Arthur: Legend of the Sword (Daniel Pemberton)

Zugegebenermaßen kehre ich zu diesem Score nicht allzu oft zurück, aber ich möchte gelungene, innovative Andersartigkeit, die zudem nicht nur ein Gimmick ist, durchaus belohnen, wenn sie mir über den Weg läuft. Und wenn „King Arthur: Legend of the Sword“ eines ist, dann anders. Pembertons Musik besticht durch eine faszinierende Mischung aus altertümlichen Instrumenten und treibenden, modernen Rhythmen, die vage an Hans Zimmers Musik für „Sherlock Holmes“ erinnern – zufällig ebenfalls ein Guy-Ritchie-Film.

Platz 14: ES (Benjamin Wallfisch)

Und noch einmal Stephen King, dieses Mal von Benjamin Wallfisch, der mit „ES“ einen äußerst beeindruckenden Horror-Score liefert, dessen prägendstes Element die Verwendung eines alten britischen Kinderreims ist, natürlich auch von Kindern im Score gesungen – eine schaurige, unheimliche Angelegenheit. Darüber hinaus wird Wallfischs Score mitunter äußerst brutal und erinnert bezüglich seiner Intensität an „Drag Me to Hell“ von Christopher Young oder „Evil Dead“ von Roque Banos. Über all den Schrecken vergisst Wallfisch allerdings nicht, auch die jugendlichen Helden angemessen zu repräsentieren.

Platz 13: The Great Wall (Ramin Djawadi)

Auf gewisse Weise handelt es sich bei „The Great Wall“ um eine besser orchestrierte Version der Musik aus „Game of Thrones“. Na gut, vielleicht ist das etwas übertrieben, aber es gibt schon diverse Elemente, die direkt aus Westeros zu stammen scheinen, etwa ein zentrales Chorthema, das direkt dem Stück Mhysa entnommen wurde. Per se ist das allerdings nichts Schlechtes, im Gegenteil. Grundsätzlich bin ich der GoT-Musik durchaus wohlgesonnen, und da ich mir ohnehin eine etwas breitere instrumentale Palette dafür gewünscht habe, trifft „The Great Wall“ durchaus meinen Geschmack. Die Präsenz diverser asiatischer Instrumente ist natürlich ebenfalls nicht zu verachten.

Platz 12: Die Schöne und das Biest (Alan Menken)

Nur ziemlich selten bekommen Komponisten die Gelegenheit, denselben Film noch einmal zu vertonen. Natürlich gibt es durchaus Unterschiede zwischen dem Original aus den 90ern und dem Realfilmremake. Dennoch ist es schön zu sehen, wie Alan Menken noch einmal zu seinen Wurzeln zurückkehrt, die gelungenen Melodien beibehält, dabei aber zeigt, wie er sich in den letzten zwanzig Jahren als Komponist weiterentwickelt hat. Dieses Urteil gilt allerdings nur für den Score, nicht für die neu eingespielten Songs, die bei der Originalaufnahme definitiv weit überlegen sind.

Platz 11: Lego Batman/Captain Underpants (Lorne Balfe/Theodore Shapiro)

Diese beiden Scores sind sich in ihrer Konzeption sehr ähnlich, weshalb sie sich einen Platz teilen. Sowohl „Captain Underpants“ als auch „The Lego Batman Movie“ parodieren auf liebevolle, unterhaltsame und kreative Weise die musikalischen Eigenheiten des Superheldengenres. Lorne Balfes Musik nimmt sich dabei eher den modernen, Zimmer-geprägten Stilmitteln an, verpasst ihnen aber eine große Dosis abgedrehter Hyperaktivität, während Theodore Shapiro in größerem Ausmaß auf die Klassiker des Genres zurückgreift.

Platz 10: Tokyo Ghoul (Don Davis)

Nach dem Ende der Matrix-Trilogie wurde es sehr schnell still um Don Davis, der sich aus der Filmmusik zurückzog und u.a. eine Oper komponierte. Mit „Tokyo Ghoul“ kehrt er nun in den Soundtrack-Bereich zurück. Dabei ist zwar kein revolutionärer neuer Score entstanden, aber doch ein äußerst solides Werk, das vor allem in dem einen oder anderen Action-Track über klare Matrix-Bezüge verfügt, dabei aber auch ein wenig positiver und leichter daherkommt als die Musik der Wachowski-Dystopie. Da mir diese Tonalität äußerst gut gefällt und Don Davis darüber hinaus einen ziemlich einzigartigen Stil hat, ist „Tokyo Ghoul“ ein äußerst willkommenes Kleinod für alle, die seine Stimme seit der Matrix-Trilogie vermisst haben.

Platz 9: Guardians of the Galaxy Vol. 2 (Tyler Bates)

So langsam macht sich Tyler Bates. Ursprünglich war er ein Komponist, mit dem ich absolut nichts anfangen konnte und dessen Arbeit ich für äußerst uninspiriert hielt (was auf seine früheren Werke auch nach wie vor zutrifft). Mit den beiden Guardians-Scores hat sich das allerdings geändert, mit Teil 2 hat er den gelungenen ersten Teil noch einmal überboten. Wo es in Teil 1 noch einige langweilige und dröge Passagen gab, weiß Vol. 2 von Anfang bis Ende durchgehend exzellent zu unterhalten. Das Guardians-Thema kehrt in all seiner Pracht zurück, und auch die sekundären Themen, die Action-Musik und die emotionalen Tracks wissen zu überzeugen.

Platz 8: Thor: Ragnarok (Mark Mothersbaugh)

Mark Mothersbaugh nahm sich die anhaltende (und in meinen Augen nicht immer gerechtfertigte) Kritik an den Scores des MCU zu Herzen und bemühte sich, einen distinktiven Soundtrack abzuliefern, in dem er orchestrale Klänge mit Retro-Synth-Material der 80er mischte. Zumindest für mich ist dieses Konzept ziemlich gut aufgegangen. Ich bin ja nun nicht der größte Fan besagter Retro-Synth-Elemente, aber die Kombination funktioniert einfach ziemlich gut, besonders, weil beide Aspekte fachmännisch umgesetzt sind. Noch dazu hat Mothersbaugh einige gelungene Rückbezüge auf bisherige Marvel-Scores eingebaut, was noch Bonuspunkte gibt.

Platz 7: Kingsman: The Golden Circle (Henry Jackman, Matthew Margeson)

Und noch ein Karrierehöhepunkt, dieses Mal für Henry Jackman und Matthew Margeson. Zwar habe ich nach wie vor eine ziemliche Schwäche für „X-Men: First Class“, aber ich denke, „Kingsman: The Golden Circle“ könnte tatsächlich Jackmans bislang bester Score sein. Der lebhafte Bond-Vibe des erwähnten Superhelden-Scores und natürlich des direkten Vorgängers ist auch in „The Golden Circle“ vorhanden, aber Jackman und Margeson arbeiten noch weitaus besser damit. Hinzu kommen die Americana-Stilmittel, die die Statesmen repräsentieren – das Ergebnis ist ein verdammt unterhaltsamer und kurzweiliger Score.

Platz 6: Die Mumie (Brian Tyler)

Bis heute habe ich mich geweigert, diesen Reboot anzuschauen. Nicht, dass ich der Dark-Universe-Idee bzw. dem Plan, verschiedene klassische Horror-Kreaturen aufeinandertreffen zu lassen, per se nichts abgewinnen könnte (schließlich wurde das in „Penny Dreadful“ durchaus gelungen umgesetzt), aber die ganze Herangehensweise und Konzeption dieses Films stinkt nach Filmuniversum als Selbstzweck. Immerhin: Brian Tyler scheint dieser Streifen inspiriert zu haben, denn meinem Empfinden nach hat er hier einen seiner besten Scores der letzten Jahre abgeliefert. Ich habe ja schon mehrfach meine Liebe zu Hollywoods Ägypten-Sound bekundet, und natürlich ist er auch hier vorhanden – nicht ganz so dominant wie in Jerry Goldsmiths Mumien-Score oder „Gods of Egypt“ aus dem letzten Jahr, aber dennoch. Eingängige Themen, tolle Action-Musik und exotische Instrumente, was will man mehr?

Platz 5: Spider-Man: Homecoming (Michael Giacchino)

Wie war das nochmal mit der allgegenwärtigen Kritik an den Scores des MCU? Zumindest ich kann mich dieses Jahr über keinen der drei Vertreter beschweren, denn auch Michael Giacchino hat exzellente Arbeit abgeliefert, vor allem dank der gelungenen Identität für Spider-Man, die sich sowohl auf das Avengers-Thema, als auch auf das klassische Spider-Man-Zeichentrick-Titellied Bezug nimmt und somit eines der am besten durchdachtesten Themen des Jahres ist. Zudem wird es auch noch mannigfaltig und ausgiebig variiert und macht sich sowohl für komödiantische Szenen als auch als Action-Motiv äußerst gut. Und als ob das nicht genug wäre, gibt es auch noch ein gelungenes Schurkenthema und zwei Gastauftritte von Alans Silvestris Avengers-Thema. Die einzige Schwäche ist das neue Motiv für Iron Man, das es wirklich nicht gebraucht hätte, schließlich haben wir Brian Tylers weitaus gelungenere Komposition.

Platz 4: A Cure for Wellness (Benjamin Wallfisch)

Film und Score sind, anders als „ES“ eher unter dem Radar geblieben – völlig zu Unrecht. „A Cure for Wellness“ ist eine herrliche Liebeserklärung an das Gothic-Horror-Genre, und der Score folgt diesem Ansatz perfekt. Zwar fehlt ihm die schiere Brutalität von „ES“, aber seine lyrischen Momente sind noch weitaus besser gelungen, und es mangelt ihm definitiv nicht an alptraumhafter Intensität. Zusätzlich werden auch noch zwei wunderbar zusammenpassende Themen geboten. Benjamin Wallfisch ist gerade dabei, sich zum Horrorkomponisten par excellence zu entwickeln, wenn er so weitermacht, kann er bald Christopher Young das Wasser reichen.

Platz 3: Justice League (Danny Elfman)

Von vielen gescholten ist Danny Elfmans Rückkehr ins DC-Universum doch ein verdammt gelungener Score. Nicht, dass er frei Schwächen wäre (wobei viele davon aus dem Film resultieren, den er untermalt), aber im Großen und Ganzen kann ich viele der Vorwürfe, die diesem Score gemacht werden, absolut nicht nachvollziehen, vor allem wenn behauptet wird, diese Musik sei uninspiriert und generisch. Wer sich mit orchestraler Filmmusik auskennt, sollte, selbst wenn die Musik selbst nicht zu gefallen weiß, zumindest erkennen, was für ein Aufwand in sie geflossen ist, wie anspruchsvoll und komplex die Orchestrierungen sind und wie hervorragend und detailfreudig Elfman mit Themen und Motiven arbeitet – bisher gab es im DCEU nichts, das auf einem technischen Level mit diesen Kompositionen mithalten könnte. Anders als Zimmer und Holkenborg hat sich Elfman dazu entschlossen, weniger die spezifische DCEU-Interpretation dieser ikonischen Figuren zu vertonen (die bereits in „Man of Steel“ nicht gelungen war und mit „Justice League“ endgültig völlig inkohärent ist), sondern die eigentliche Essenz Figuren an sich – deshalb auch die Verwendung der ikonischsten DC-Themen.

Platz 2: Valerian – Die Stadt der tausend Planeten (Alexandre Desplat)

Alexandre Desplat ist ein Komponist, der bisher immer gute und kompetente Arbeit abgeliefert hat, allerdings hat bislang das Opus Magnum, das Vorzeigewerk zumindest meinem Empfinden nach gefehlt. Das hat sich mit „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ nun geändert. Ein wenig erinnert mich die Situation an „Jupiter Ascending“ – in beiden Fällen haben wir einen recht schwachen Sci-Fi-Film (wobei „Valerian“ „Jupiter Ascending“ immer noch haushoch überlegen ist), der einen Komponisten ohne Ende inspirierte. Hier haben wir wirklich ein orchestrales Meisterwerk voller kreativer Instrumentierung, schöner Themen und orchestraler Opulenz.

Platz 1: Star Wars Episode VIII: Die letzten Jedi (John Williams)

Ich hatte mir sehr lange überlegt, Episode VIII doch auf den zweiten Platz zu setzen und „Valerian“ die Krone zu verleihen, denn gemessen am Standard dieses Franchise ist Williams achter Star-Wars-Score einer der schwächeren: Es gibt nur zwei wirklich neue Themen (und ein Motiv, das aber ziemlich untergeht), die wohl kaum noch in zehn Jahren in Konzertsälen gespielt werden dürften und auch im Vergleich mit den neuen Themen aus „Das Erwachen der Macht“ eindeutig den Kürzeren ziehen; und auch mit den bereits etablierten Identitäten hätte man noch mehr machen können. Allerdings gilt: Ein schwächerer Star-Wars-Score von John Williams ist allem anderen meistens immer noch haushoch überlegen. Williams‘ absolute Beherrschung des Orchesters in all seinen Facetten bleibt unübertroffen, das Zusammenspiel der Myriade an Themen und Leitmotiven ebenfalls. Wie jeder andere Score des Franchise hat auch dieser mich wieder vollständig in seinen Bann gezogen und nicht mehr losgelassen, bis ich ihn vollständig erforscht hatte. Ich denke, dafür hat er sich den ersten Platz verdient.