Spoiler!
Track Listing:
01. Main Title and Escape
02. Ahch-To Island
03. Revisiting Snoke
04. The Supremacy
05. Fun with Finn and Rose
06. Old Friends
07. The Rebellion is Reborn
08. Lesson One
09. Canto Bight
10. Who Are You?
11. The Fathiers
12. The Cave
13. The Sacred Jedi Texts
14. A New Alliance
15. Chrome Dome
16. The Battle of Crait
17. The Spark
18. The Last Jedi
19. Peace and Purpose
20. Finale
„Die letzten Jedi“ ist ein Film, der mich mitunter fast schon ratlos zurücklässt, weil es mir einfach nicht gelingen will, ihn für mich persönlich einzuordnen. Immerhin scheine ich damit nicht ganz alleine dazustehen, da die achte Star-Wars-Episode das Fandom ziemlich spaltet. Jedenfalls habe ich mich dazu entschieden, meine Rezension (die sehr, seeehr lange werden wird) noch ein wenig aufzuschieben und eine Zweitsichtung einzulegen. Stattdessen wird die Rezension des Score, abermals komponiert vom unvergleichlichen John Williams, vorgezogen.
„Das Erwachen der Macht“ war ein Score, der in vielerlei Hinsicht den Beginn einer neuen Ära markierte. Natürlich ist es immer noch in erster Linie ein Star-Wars-Score, aber doch einer, der eine ganze Reihe neuer Identitäten definiert, ganz ähnliche wie die Musik, die Williams für „Die dunkle Bedrohung“ komponierte. Da ist es vielleicht ganz passend, dass es auch zwischen „Die letzten Jedi“ und „Angriff der Klonkrieger“ einige Parallelen gibt. Anders als „Das Imperium schlägt zurück“ (welcher vielen, mich eingeschlossen, als bester Star-Wars-Score gilt) bedienen sich Episode II und VIII primär der bereits etablierten Leitmotive und fügen dem Bestand jeweils nur ein größeres Thema und vielleicht noch das eine oder andere kleine Motiv hinzu. Auch in anderen Franchises gibt es ähnliche Fälle. Ein passender Vergleich lässt sich vielleicht mit Howard Shores Score für „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“ anstellen: Bei beiden steht die Weiterentwicklung der bereits etablierten Themen im Vordergrund.
Es gibt zwei Gründe dafür, dass der Score letztendlich auf diese Weise ausgefallen ist. Der erste ist ganz simpel der Film, den er untermalt: „Die letzten Jedi“ stellt kaum neue, interessante Figuren vor, denen man ein neues Thema spendieren könnte, sondern verlässt sich primär auf die Riege, die bereits in der OT oder in Episode VII etabliert wurde. Beim zweiten Grund handelt es sich zumindest teilweise m Spekulation, allerdings um begründete: Rian Johnson mochte den Temp Track, den er für seinen Film erstellte, vielleicht ein wenig zu gerne und konnte sich nicht von ihm lösen. Da kann man nicht ganz sicher sein, aber DASS es einen Temp Track, bestehend aus bisheriger Williams-Star-Wars-Musik gab, erwähnte Johnson in einem Interview. Nun denn, betrachten wir erst einmal, welche neuen Themen es gibt und schauen uns dann an, wie Williams und Johnson mit den bereits etablierten Leitmotiven verfahren.
Das primäre neue Thema der achten Episode gilt dem Charakter Rose, gespielt von Kelly-Marie Tran, erklingt zum ersten Mal am Anfang von Fun with Finn and Rose und erinnert ein wenig an Anakins Thema aus Episode I. Es handelt sich um eine durchaus angenehme Melodie, die gut zur Figur passt, dabei aber immer eine Spur zu vertraut klingt, vielleicht wegen der Parallele zu Anakins Thema, vielleicht auch, weil sie etwas an James Newton Howards Melodieführung erinnert. Das Thema erweist sich als durchaus wandlungsfähig, so ist es in The Fathiers, welches die Action-Sequenz in der Casino-Stadt Canto Bight untermalt, in heroischem Gewand zu hören. Auch in The Battle of Crait, dem monumentalen Action-Track des Albums, taucht das Rose-Thema auf. Eine ganze eigenständige Suite, wie es sie im Vorgänger für Reys Thema und den Marsch des Widerstands gab, spendiert uns Williams dieses Mal allerdings nicht; es gibt ohnehin nur ein Konzertarrangement auf dem Album: The Rebellion Is Reborn. Roses Thema ist darin zu hören, das zweite neue Thema des Films aber ebenfalls. Dieses Thema gilt Luke im Exil (oder Luke und Rey als Lehrer und Schülerin) und wurde mitunter bereits als Last-Jedi-Thema bezeichnet. Der erste Einsatz auf dem Album findet sich in der zweiten Hälfte des Tracks Ahch-To Island. Im weiteren Verlauf des Albums macht dieses Thema eine durchaus interessante Wandlung durch; bis zum finalen Auftritt Lukes auf dem Schlachtfeld von Crait in The Sparks borgt sich dieses Thema Elemente des Imperialen Marschs und des Machtthemas aus, um das, was Luke hier vollbringt, musikalisch angemessen darzustellen.
Ein kleineres neues Charaktermotiv komponierte Williams für die von Laura Dern gespielte Vizeadmiralin Holdo; dieses ist auf dem Album jedoch nur einmal komplett während des finalen Tracks zu hören (bei 5:48), zusätzlich zu einer Andeutung am Anfang von Chrome Dome, taucht im Film jedoch häufiger auf – auf weitere Unzulänglichkeiten des Albums werde ich später noch zu sprechen kommen.
Insgesamt wird die Musik von „Die letzten Jedi“ vor allem von den Themen des direkten Vorgängers dominiert, wobei auch einige OT-Themen sehr prominent vertreten sind. Ein Leitmotiv, das von Episode VIII besonders profitiert, ist der Marsch des Widerstands, der in „Das Erwachen der Macht“ vielleicht eine Spur stiefmütterlich behandelt wurde, nun aber ausreichend Zeit im Rampenlicht bekommt. Bereits im ersten Track, Main Title and Escape, ist er ab der Dreiminutenmarke zu hören, und taucht darüber hinaus auch im ersten Drittel von The Supremacy und der zweiten Hälfte von Fun with Finn and Rose in einer subtileren Holzbläser-Variation auf, während am Anfang von The Battle of Crait nach einem kurzen Statement des Machtthemas eine Version erklingt, die dank des Einsatzes von Snare-Drums besonders den Marschcharakter betont.
Die beiden Kylo-Ren-Themen sind ebenfalls äußerst dominant und treten oft im Doppelpack auf, etwa in Revisiting Snoke oder in der Mitte von Peace and Purpose. In The Supremacy ringt das primäre Ren-Thema mit dem Widerstandsmarsch und in The Battle of Crait und The Last Jedi gehört es zu einer ganzen Reihe von Themen, die auf höchst komplexe Art und Weise miteinander interagieren. Der interessanteste Einsatz dürfte sich jedoch in A New Alliance finden, wo Fragmente der Ren-Motive mit dem Machtthema und Reys Thema interagieren, um das neu geschmiedete (wenn auch kurzlebige) Bündnis zu verdeutlichen. Apropos Reys Thema – dieses ist natürlich auch ausreichend vorhanden und ist primär in den Tracks zu hören, die die Ausbildungsszenen untermalen – Ahch-To Island, Old Friends, Lesson One und The Cave. Oftmals interagiert es dabei, wie schon im Abspann von „Das Erwachen der Macht“ angekündigt, mit dem ähnlich strukturierten Machtthema. Auch in The Battle of Crait, ohnehin ein leitmotivisches Sammelbecken, ist Reys Thema zu hören.
Ein wenig enttäuschend ist der Umstand, dass Poes Thema, bereits im Vorgänger einer meiner heimlichen Favoriten, dieses Mal nur sehr spärlich erklingt, auf dem Album tatsächlich nur ein Mal, in Peace and Purpose (1:53), im Film kommt es immerhin noch etwas öfter vor. Ebenfalls etwas enttäuschend ist die weitere Verwendung des Jedi-Steps-Themas, benannt nach dem Track in „Das Erwachen der Macht“ in dem es sein Debüt feiert. Lange wurde spekuliert, ob es sich dabei wohl um Luke Skywalkers neues Thema handelt – dem ist aber nicht so. Das Jedi-Steps-Thema eröffnet das Stück Ahch To Island, das war es dann aber auch schon; somit ist es bestenfalls ein Thema für besagte Insel, auch wenn es eine gewisse Verwandtschaft zwischen diesem Thema und dem neuen Leitmotiv für Luke im Exil gibt. Und wo wir gerade von Lukes Thema sprechen: Das Hauptthema des Franchise, das jede Episode eröffnet, ist nun endgültig nicht mehr Lukes Thema, zumindest im Kontext der Sequel-Trilogie. Außerhalb der Main-Title-Sequenz wird es nur sehr spärlich eingesetzt und untermalt in keinem seiner Einsätze tatsächlich Luke, sondern, wie schon im Vorgänger, eher allgemeine „Star-Wars-Momente“, etwa im ersten Drittel von Old Friends oder am Anfang von Finale. Stattdessen ist nun in noch größerem Ausmaß das Machtthema das eigentliche, zentrale Leitmotiv des Franchise und taucht auch gefühlt in jedem zweiten Track auf. Nicht, dass mich das sonderlich stören würde, schließlich ist das Machtthema eines der besten und wandlungsfähigsten Themen, die Williams je komponiert hat.
Darüber hinaus finden sich einige weitere Rückkehrer aus der OT: Angesichts der größeren Rolle, die Prinzessin Leia in diesem Film spielt, hat auch ihr Thema eine größere Präsenz und ist unter anderem in der zweiten Hälfte von The Supremacy, Fun with Finn and Rose sowie Old Friends zu hören. Auch im Abspann taucht eine kurzes Klavierstatement auf, wenn auf der Leinwand „In Loving Memory of Carrie Fisher“ zu lesen ist (Finale, 2:41). Die Rebellenfanfare ist nicht ganz so prominent wie in „Das Erwachen der Macht“, erhält aber auch den einen oder anderen heroischen Einsatz, etwa bei 1:41 in Main Title and Escape oder bei 2:56 in The Battle of Crait. Yodas Auftauchen als ziemlich potenter und pyromanischer Machtgeist wird natürlich von seinem Thema untermalt (The Sacred Jedi Texts), und auch ein obligatorischer Gastauftritt des Imperialen Marsches findet sich in Revisiting Snoke. Besonders willkommen ist außerdem die Einspielung des Luke-und Leia-Themas aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“, das bei 0:56 in The Spark erklingt und dann in ein Statement des Han/Leia-Themas übergeht.
Ein Thema aus den Prequels erhält darüber hinaus einen recht merkwürdigen Beinahe-Gastauftritt, bei dem es sich entweder um Zufall oder um starkes Durchschimmern des Temp Track handelt. Bei 6:16 in Main Title and Esacpe erklingt etwas, das sich verdammt nach Battle of the Heroes anhört. Außerdem sollte erwähnt werden, dass im Film, aber nicht auf dem Album, auch das Thema des Imperators einmal auftaucht, nämlich als Snoke versucht, Luke Skywalkers Aufenthalt aus Rey herauszubekommen. Ist das episches Foreshadowing (immerhin wurde der Imperator als Darth Sidious in diesem Film sogar namentlich erwähnt) oder nur ein weiterer Fall vom dominanten Temp Track? Episode IX wird hoffentlich die Antwort bringen.
Gerade im Bezug auf die altbekannten Themen ist der Temp Track für meinen Geschmack ohnehin ein wenig zu dominant. Zwar gibt es keine Direkteinspielungen aus den bisherigen Filmen (den Main Title ausgenommen, der ist derselbe wie bei „Das Erwachen der Macht“, inklusive der schwächelnden ersten Note), aber oft sind die Einsätze der Themen dennoch fast identisch mit bisherigen Statements und wurden lediglich neu eingespielt – besonders auffällig ist das beim Jedi-Steps-Thema und bei Yodas Thema. Eine weitere, allzu vertraute Neueinspielung findet sich außerdem in The Battle of Crait bei 3:45. Ein wenig mehr Entwicklung wäre ebenfalls willkommen gewesen – Kylo Rens Thema bleibt nach wie vor unvollendet, obwohl der Film durchaus Anlass bietet, es zu erweitern, da er ja hier schließlich die Kontrolle über die Erste Ordnung übernimmt. Die Erste Ordnung selbst hätte ebenfalls ein eigenes Thema vertragen können. Es gibt ein, zwei Momente im Film, die spezifisch der Fraktion zuzuordnen sind, aber dennoch mit Kylo Rens Thema untermalt werden, etwa das erste Auftauchen ihrer Sternenzerstörer im Film (Main Title and Escape bei 1:57).
Insgesamt ist „Die letzten Jedi“ dennoch ein überaus gelungener Star-Wars-Score, der seinem Vorgänger allerdings nicht ganz das Wasser reichen kann. Williams versteht es nach wie vor meisterhaft, mit einer Vielzahl an verschiedenen Themen mühelos zu jonglieren und sie gelungen miteinander interagieren zu lassen. Außerdem ist seine Beherrschung des Orchesters nach wie vor unvergleichlich. Besonders die komplexe und mitreißende Action-Musik weiß zu erstaunen und zu verzücken. Zwar fehlt ein Set-Piece, das sich, wie etwa Duel of the Fates, Battle of the Heroes oder Scherzo for X-Wings, auf ein Thema konzentriert, aber Stücke wie Main Title and Escape oder The Battle of Crait stehen im Geist solch epischer und multithematischer Tracks wie The Battle of Hoth, die ihrerseits in „Das Erwachen der Macht“ rar waren. Zusätzlich gibt es mit Canto Bight noch einmal ein Stück, in dem Williams zum Space-Jazz von Cantina Band zurückkehrt.
Fazit: Zwar gibt es einige Abzüge in der B-Note, da Rian Johnson und John Williams sich ein wenig zu sehr auf den alten Themen ausruhen, ohne sie stärker zu variieren, aber dennoch ist „Die letzten Jedi“ ein äußerst gelungener Star-Wars-Soundtrack, der mit einem ansprechenden neuen Charakterthema und über jeden Zweifel erhabener Actionmusik zu gefallen weiß.
Siehe auch:
Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht – Soundtrack
Danke für die ausführliche Analyse mal wieder. Ich fand den Musikeinsatz im Film ja sehr gelungen und sehr detailreich, z. B. diese ganz kurz in einer traurigen Variante anklingende Han-und-Leia-Thema, das erklingt, als Kylo und Leia sich gegenseitig beim Angriff auf das Raumschiff wahrnehmen.
Sehr schade find ich, dass das Thema, was am Ende von The Spark zu hören ist (im Film, als Luke auf Crait nach draußen schreitet) nur soooo kurz vorkommt. Es war ja schon im Trailer und ich find es einfach total großartig.
Freut mich, dass sie gefällt 🙂
Das Hybridthema am Ende von „The Spark“ wird tatsächlich im Episode-VII-Soundtrack in „Jedi Steps and Finale“ bereits angedeutet, es lohnt sich, da nochmal nachzuhören 😉
Oh, guter Tipp, das werd ich machen. 🙂 Bin auch schon gespannt auf deine Meinung zum Film.
Die ist gerade in Arbeit, ich hoffe, die Rezension wird noch dieses Jahr fertig 😀
Wie so oft kann ich mich deiner Meinung nahezu uneingeschränkt anschließen. Perfekt Analysierte Reviews wie diese sind der Grund, warum ich mir eigene Rezensionen der Star Wars Scores spare – denn so detailliert weiß ich nicht über die Themen Bescheid. Für „Solo“ werde ich allerdings eine Ausnahme machen.
Danke für die Lorbeeren 😉 Der Solo-Film wird ja wahrscheinlich ohnehin nicht so viele Themen aus dem bisherigen Fundus beinhalten. Aber schon mitbekommen? John Williams schreibt das Thema für die Titelfigur, John Powell übernimmt den ganzen Rest. Wirkt für mich irgendwie unnötig; nicht, dass ich mich nicht auf ein neues Williams-Thema freuen würde, aber ich denke, Powell ist mehr als fähig, sein eigenes Solo-Thema zu komponieren – auf mich wirkt das eher wie ein Marketing-Stunt.
Ist auch meine Meinung. Aber wer weiß, was daraus werden kann.