GoT: The Dragon and the Wolf

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Da ich in der zweiten Hälfte der letzten Woche nicht zuhause war, kommt die Rezension zum Finale der siebten GoT-Staffel ein wenig verspätet. Der Titel dieser Episode ist ein Rückgriff auf ähnlich geartete, wappenbezogene Titel vergangener Staffeln wie „The Wolf and the Lion“ oder „The Lion and the Rose“. Während es sich bei Ersterem allerdings um Feindschaft und bei Letzterem um eine arrangierte Hochzeit handelt, steht eine aufkeimende Liebe im Fokus dieser Episode.

King’s Landing
Zu Beginn dieser Folge zeigt sich die Serie noch einmal von ihrer besten Seite: Auf beeindruckende Weise wird gezeigt, wie sich Daenerys‘ Streitkräfte nähern, während sich die Lannisters auf einen möglichen Angriff vorbereiten – auch wenn es theoretisch um Friedensverhandlungen geht. Das ganze wird passend von den Targayren- und Lannister-Themen im Kontrapunkt untermalt. Auf allen Seiten ist man nervös – Jaime und Bronn begutachten die näherrückenden Truppen, Cersei fragt sich, warum Daenerys noch nicht in Sicht ist und auch die Targaryen-Delegation ist alles andere als selbstsicher.

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Der Drache (Emilia Clarke) und der Wolf (Kit Harrington). Bildquelle.

Die folgende Szene in der Drachengrube (die, nebenbei bemerkt, um einiges zu klein ist) ist ein weiteres Beispiel für die Stärken, die GoT nach wie vor besitzt: Mit nur wenigen Ausnahmen (primär die Stark-Schwestern und Littlefinger) sind fast alle signifikanten Figuren, die bis zu dieser Stelle überlebt haben, an einem Ort. Im Klartext bedeutet das, dass wir hier einen ganzen Haufen extrem talentierter Darsteller haben, die ihre Figuren nach Jahren inzwischen in und auswendig kennen und wunderbar miteinander arbeiten. Viel Zeit bleibt natürlich nicht für individuelle Entfaltung, aber es sind die kleinen Momente, die diese Szene so grandios machen: Euron demütigt Theon, Daenerys legt einen großen Auftritt hin, Brienne und Jaime fachsimpeln über Loyalität und Sandor wechselt liebende Worte mit seinem Bruder. Apropos, es gab die Vermutung, dass der „Clegane Bowl“, der Kampf der beiden Brüder, auf den Buchleser wie Serienschauer schon lange warten, hier endlich stattfindet, dem ist aber nicht der Fall – die kleine Szene zwischen den beiden Brüdern ist wohl als Teaser für die kommende Staffel zu verstehen.

Ansonsten erweist sich der gefangene Wiedergänger als recht überzeugendes Argument, während die Stark-Ehrlichkeit mal wieder fast alles ruiniert, uns aber eine der stärksten Szenen dieser Episode, ach, was sage ich, der gesamten Staffel beschert: Ein Zwiegespräch zwischen Cersei und Tyrion, die sich nun ja seit Staffel 4 nicht mehr persönlich begegnet sind. Beide Daumen hoch für Lena Headey und Peter Dinklage, das hätte man kaum besser in Szene setzen können. Und wider alle Erwartungen scheint besagtes Gespräch sogar wirkungsvoll gewesen zu sein, denn Cersei stimmt zu, sich mit ihren Gegnern zu verbünden und gegen die gemeinsame Bedrohung zu kämpfen.

Dass Cersei diesbezüglich jedoch keinerlei Ambitionen hat, war eigentlich klar, stattdessen will sie den Winter und den Konflikt mit den Weißen Wanderern einfach nur aussitzen. Nachdem Jaimes Charakterentwicklung in den letzten Staffel zum Teil zirkulierte, kommt er nun endlich mental zu dem Punkt, an dem er in „A Feast for Crows“ schon lange angelangt ist: Er hat endgültig genug von Cersei, fühlt sich an sein Versprechen gegenüber Daenerys und Jon gebunden und verlässt seine Schwester, allerdings nicht, ohne die Cersei/Tyrion-Szene dieser Folge zu spiegeln. Damit ist Cersei nun praktisch allein.

Dragonstone
Auf Dragonstone berät man derweil, wie Daenerys nach Norden kommen soll, per Drache oder per Schiff. Jorah rät zum Fliegen, während Jon vorschlägt, die geschmiedete Allianz zu verdeutlichen, indem die Königin der Drachen zusammen mit dem König des Nordens reist. Daenerys nimmt Jons Rat an, während Jorah ein weiteres Mal diesen ganz besonderen Jorah-Blick aufsetzt.

Ein weiteres offenes Ende, das hier noch aufgearbeitet wird, ist die Frage nach Theons weiterem Schicksal. Weder Jon noch Daenerys haben die Kapazität, sich mit Yaras Gefangennahme auseinanderzusetzen, also muss Theon die Sache selbst in die Hand nehmen. Nachdem er in dieser Staffel die meiste Zeit über äußerst passiv war, lässt er den Eisenmann raus, tötet den Anführer der paar verbliebenen, die nicht auf Eurons Seite stehen, im Zweikampf und macht sich auf, seine Schwester zu retten – da steht uns in Staffel 8 wohl noch ein letztes Greyjoy-Familientreffen bevor.

Winterfell
Der Winterfell-Subplot bekommt nun ebenfalls eine Auflösung spendiert, die leider ein Paradebeispiel für die Tendenz dieser Staffel ist, Dramaturgie über Logik zu setzen. Nachdem es Littlefinger scheinbar gelungen ist, einen Keil zwischen die Schwestern zu treiben, soll Arya vor versammelter Mannschaft verhaftet werden – nur dass Sansa plötzlich Littlefinger festnehmen lässt, damit Arya ihn hinrichten kann. Hier haben wir einen eindeutigen Fall von „Twist um des Twists willen“. Plötzlich hat Littlefinger keine Ahnung, plötzlich vertrauen die Schwestern einander doch (wie lange haben sie zusammengearbeitet, was war nur Show für Littlefinger etc.?) und plötzlich wird auch Bran hinzugezogen; alles wird so inszeniert, dass es für den Zuschauer möglichst überraschend kommt, aber zu den vorangegangenen Szenen kaum passt. Man merkt, dass Benioff und Weiss unbedingt wollten, dass Arya Littlefinger tötet und dem Publikum so die Genugtuung verschafft, dass Lord Baelish endlich das bekommt, was er verdient. Ich bleibe dabei, dieser Subplot ist eines der schwächsten, unlogischsten und unnötigsten Elemente dieser Staffel, aber Littlefingers Pläne ergeben ja schon seit einiger Zeit keinen wirklichen Sinn mehr, im Grunde war er also überflüssig. Dennoch ist es schade, da es ja eigentlich Baelish war, auf den viele Konflikte überhaupt erst zurückgehen.

Und wo wir gerade von Brans Beitrag zu Littlefingers Niedergang sprechen: Hier offenbaren sich zugleich die Probleme mit Brans scheinbarer Allwissenheit. Allein in dieser Szene gelingt es Benioff und Weiss, dem Ganzen eine fürchterliche Beliebigkeit zu verleihen. Es scheint, als versuchten sie nicht einmal zu verstecken, dass Bran nur dann weiß, wenn es den Autoren gerade in den Kram passt; er mutiert praktisch zur Expositionsmaschine. Immer, wenn die Figuren etwas wissen müssen, werden sie es von Bran erfahren. Wenn es dagegen dramaturgisch wertvoller ist, dass sie nicht wissen (etwa bezüglich Cerseis Verrat), dann verlassen Bran seine Gaben, bis man sie wieder braucht.

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Rhaegar Targaryen (Wilf Scolding) und Lyanna Stark (Aisling Franciosi). Bildquelle.

In der finalen Montage dieser Episode kehren Benioff und Weiss noch einmal zu Jon Snows Herkunft zurück, die von Bran und dem per Jetpack aus Oldtown zurückgekehrten Sam erörtert wird (er hat Gilly also doch zugehört). Durch Brans Augen erleben wir die Hochzeit von Rhaegar Targaryen (Wilf Scolding) und Lyanna Stark (Aisling Franciosi), wobei das interessanteste Detail für mich dabei Rhaegars Haare sind. Rhaegar trägt dieselbe Frisur wie Viserys, was ich als ziemlich cleveres Detail empfinde. Natürlich würde Viserys im Exil versuchen, sich wie Rhaegar zu geben, war er doch in der Kindheit das große Vorbild, der Targaryen, den alle liebten und verehrten. Gleichzeitig sehen wir, wie Jon und Daenerys miteinander schlafen, was niemanden überraschen dürfte, aber thematisch gut passt und sowohl die Beziehung zwischen Lyanna und Rhaegar als auch das Schicksal des vorherhigen Königs des Nordens widerspiegelt. Nach Fanfiction fühlt es sich trotzdem an. Nebenbei erfahren wir noch, dass Jons wahrer Name Aegon Targaryen lautet – ich bin mir noch nicht sicher, ob ich das als netten Verweis auf (Fake?-)Aegon VI. in „A Dance with Dragons“ oder doch eher als leichte Fan-Verarsche verstehen soll.

An der Mauer
Es kommt, was kommen muss: Dank des untoten Viserion fällt die Mauer und die Armee der Toten ergießt sich in den Süden. Dass der Drache benutzt wird, um die Mauer niederzumachen, erklärt zumindest, weshalb die Weißen Wanderer so lange brauchten, um nach Süden zu gelangen. Man kann wohl davon ausgehen, dass es sich tatsächlich um einen genau ausgetüftelten Plan handelt, mit dessen Hilfe der Nachtkönig Daenerys nach Norden locken und so einen Drachen erbeuten wollte. Noch einmal flammen die Fantheorien auf, denn die Armee der Toten gleicht von oben dem Schattenwolf der Starks, was als weiterer Hinweis verstanden wird, dass es sich beim Nachtkönig um Bran handelt.

Fazit
Statt eines kurzen Episoden-Fazits gibt es dieses Mal gleich ein ausführliches Staffelfazit. Rein technisch, inszenatorisch und zum Teil auch dramaturgisch war „Game of Thrones“ nie besser: Die großen Szenen dieser Staffel, sei es die Schlacht in der Weite, Drachen gegen Untote oder der Fall der Mauer, müssen sich vor nichts, was es im Kino zu sehen gibt, verstecken. Was das pure Spektakel angeht, werden hier für eine TV-Serie neue Dimensionen erklommen. Ausstattung, Sets und natürlich die Darsteller waren selten besser und überzeugender. Inhaltlich dagegen ist Staffel 7 mit eine der schwächsten der gesamten Serie, lediglich Staffel 5 war für mich persönlich noch weitaus frustrierender, das könnte aber auch damit zusammenhängen, dass Staffel 5 die Entwicklung gestartet hat, die hier voll aufblüht. Ich habe es schon bei meiner Rezension von Staffel 6 geschrieben und wiederhole es hier noch einmal: Das ist eindeutig nicht mehr George R. R. Martins Geschichte. Es ist möglich, dass sich Benioff und Weiss nach wie vor an einigen Stichpunkten von Martin orientieren, aber selbst wenn dem so sein sollte, werden die Zwischenräume sehr suboptimal gefüllt. Bei „Game of Thrones“ ging es nie um das große Spektakel, da war zwar auch immer vorhanden, war aber ein Nebenprodukt der Geschichte. In dieser Staffel steht dagegen das Spektakel im Vordergrund, den großen Set Pieces werden zunehmend Logik, Charakterentwicklung und die etablierten Regeln der Welt von Eis und Feuer geopfert (besonders bezüglich der Reisezeit von Individuen, Armeen, Raben und Drachen) . Gerade weil „Game of Thrones“ sich zu Beginn so sehr von klassischer Fantasy unterschied und so sehr mit den Figuren und Regeln arbeitete, ist der zunehmende Rückgriff auf Fantasy-Topoi wie die in dieser Staffel viel zu oft erfolgende Rettung in letzter Sekunde so frustrierend. Was Plot, Storytelling und Figurenentwicklung angeht, ist „Game of Thrones“ im Verlauf der letzten drei Staffeln allzu gewöhnlich und vorhersehbar geworden. Manchmal könnte man fast meinen, Benioff und Weiss sind ohne Martin nicht in der Lage, die Geschichte ansprechend weiterzuerzählen oder, noch schlimmer, haben keine Lust mehr dazu.

Titelbildquelle

Siehe auch:
Dragonstone
Stormborn
The Queen’s Justice
The Spoils of War
Eastwatch
Beyond the Wall