Battlefront II: Inferno Squad

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„Battlefront“ ist inzwischen eine etablierte Star-Wars-Marke. Die beiden ursprünglichen Battlefront-Spiele, vor allem den zweiten Teil unter Verwendung diverser Mods, habe ich sehr ausführlich gespielt. Die Neuauflage von EA dagegen hat mich bisher kaum interessiert, und das nicht nur wegen der fragwürdigen DLC-Politik. Dinge wie das Fehlen der Prequel-Ära oder die Abwesenheit einer Handlung haben mich doch ziemlich abgeschreckt. Die Fortsetzung, die im November diesen Jahres erscheinen soll, sieht da schon weitaus interessanter aus, und das nicht nur, weil sowohl die Prequel- als auch die Sequel-Ära mit einbezogen wird. Rein marketingtechnisch erscheint mir „Battlefront II“ weitaus besser konzipiert zu sein, denn EA entschloss sich dieses Mal, dem Spiel eine Story und ein Gesicht zu geben. Dieses Gesicht gehört der Schauspielerin Janina Gavankar, die nicht nur in Serien wie „True Blood“, „The Vampire Diaries“ oder „Arrow“ mitwirkte, sondern auch als passionierte Gamerin gilt und ihre Stimme bereits diversen Spielfiguren lieh. In „Battlefront II“ spielt Gavankar die extra für dieses Spiel geschaffene Protagonistin Iden Versio, Pilotin und Soldatin des Imperiums und Anführerin der Inferno Squad, eines Spezialkommandos. „Battlefront II“ wird in der Schlacht um Endor ansetzen und erzählen, wie sich Iden Versio mit dem Tod des Imperators und dem Zusammenbruch des Imperiums auseinandersetzt. Wie schon beim ersten neuen Battlefront-Teil gibt es auch dieses Mal ein Roman-Tie-in mit dem Titel „Inferno Squad“, das die Vorgeschichte besagter Einheit erzählt – auch hier steht Iden Versio im Fokus. Nach dem in meinen Augen eher misslungen „Thrawn“ (und das, obwohl es von Thrawn-Erfinder Timothy Zahn verfasst wurde) ist „Inferno Squad“ nun schon der zweite Roman in diesem Jahr, der ausschließlich aus imperialer Perspektive erzählt wird. Und anders als „Thrawn“ gehört „Inferno Squad“ für mich zu den besten Kanon-Romanen.

Als Autorin wurde Christie Golden verpflichtet, die mit „Dark Disciple“ bereits einen Kanon-Roman verfasst hat, der jedoch thematisch völlig anders gelagert ist. Wie nicht anders zu erwarten spielen die Jedi, die Sith und die Macht in „Inferno Squad“ keine Rolle, stattdessen setzt sich Golden hier mit dem Thema Extremismus sehr ausführlich auseinander. „Inferno Squad“ beginnt mit der Schlacht um Yavin, in welcher Iden Versio als Tie-Pilotin flog – tatsächlich ist sie neben Darth Vader die einzige Überlebende Pilotin dieser Schlacht auf imperialer Seite. Als Reaktion auf die Zerstörung des Todessterns und den damit verbundenen Diebstahl der Todessternpläne sowie die Sabotage von Galen Erso gründet Idens Vater, Admiral Garrick Versio, die Inferno Squad, um Derartigem in Zukunft vorzubeugen. Die Squad besteht, neben Iden selbst, aus drei weiteren Mitgliedern: Gideon Hask, ebenfalls Pilot und Idens Stellvertreter, Del Meeko, Aufsteiger und Technikexperte sowie Seyn Marana, eine Kryptologin mit eidetischem Gedächtnis. Golden schildert in ihrem Roman die ersten drei Missionen der Inferno Squad, wobei die dritte Mission eindeutig im Fokus steht, während die ersten beiden lediglich dazu dienen, die Figuren und die Vorgehensweise der Einheit vorzustellen. Bei besagter dritter Mission geht es um ein Überbleibsel von Saw Gerreras Partisanan, das sich als „die Träumer“ bezeichnet. Die Träumer haben Anschläge auf verschiedene imperiale Einrichtungen verübt, die vermuten lassen, dass sie über Insider-Informationen verfügen. Die Inferno Squad soll die Träumer unterwandern und herausfinden, woher besagte Informationen kommen.

Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, dass die Träumer der übliche Versuch sind, Imperiale in größerem Ausmaß als Helden zu etablieren. In diversen Kanon-Geschichten (und auch bereits in alten EU-Werken), in denen Figuren des Imperiums im Fokus sind, wurde bereits alles möglich unternommen, damit sie nicht gegen die Rebellion, also die eigentlichen Helden kämpfen müssen; man schickte Vader, Tarkin und Thrawn gegen Piraten, Schmuggler, Extremisten oder imperiale Dissidenten ins Feld, damit man sie als Leser anfeuern kann, weil ihre Widersacher noch schurkischer sind. Die Träumer scheinen zu dieser Kategorie zu passen, dabei handelt es sich aber zumindest teilweise um einen Trugschluss. „Inferno Squad“ zeichnet sich primär durch Goldens exzellente Figurenzeichnung aus. Ausnahmslos alle Charaktere in „Inferno Squad“ sind grau, äußerst ambivalent und ziemlich markant, die Imperialen genauso wie die Träumer. Gerade im Vergleich mit Romanen wie „Tarkin“ oder „Lords of the Sith“, in denen ähnlich geartete Widersacher fürchterlich blass blieben, ist das eine willkommene Entwicklung. Natürlich begünstigt der Plot diesen Umstand, da man die Protagonisten und die Widersacher nicht getrennt voneinander erlebt, sondern sie aufgrund der Infiltration ständig miteinander agieren. Das eigentliche Missionsziel wird letztendlich dann fast schon zur Nebensache. Golden zeichnet die Charaktere sehr komplex und weit entfernt vom einfachen Gut/Böse-Schema. Sie alle eint die absolute Hingabe an eine bestimmte Sache, sei es das Imperium oder der Saw Gerreras Ideal; eine Hingabe, die fast völlig rücksichtslos ausfällt und den Tod und das Leiden Unschuldiger in Kauf nimmt. Gleichzeitig sind sie aber eben doch alle Menschen (bzw. im Fall der Träumer auch Aliens mit sehr menschlichen Emotionen), die Freundschaften schließen, ein Moralempfinden haben, sich verlieben, Mitgefühl füreinander empfinden und mit ihren Entscheidungen und Handlungen ringen. Golden gelingt es sehr gut, diesen Zwiespalt glaubhaft darzustellen; keiner der Charaktere wirkt unglaubwürdig konstruiert. Insgesamt ist Iden Versio als Frontfrau natürlich die Figur, die am meisten Raum bekommt, um sich zu entfalten. Die anderen Mitglieder der Inferno Squad fungieren aber ebenfalls als Point-of-View-Charaktere und sind dementsprechend gut ausgearbeitet. Zwar bleibt die Perspektive ausschließlich imperial, aber auch die einzelnen Mitglieder der Träumer sind markante und gut greifbare Figuren, sei es die ehemalige Twi’lek-Sklavin Dahna, der Chadra-Fan-Techniker Piikow, der etwas instabile und gewalttätige Anführer Staven oder der mysteriöse Mentor. Insgesamt macht Golden hier keine Gefangenen und schreckt vor den dunklen Seite des Krieges und der Spionage nicht zurück. Somit ist „Inferno Squad“ definitiv einer der düstersten und moralisch komplexesten Star-Wars-Romane der letzten Jahre, vielleicht sogar insgesamt. Zugleich schafft es Golden, das Ganze in eine äußerst ansprechende, stringente und spannend geschriebene Handlung zu verpacken.

Die Einordnung in den Kanon ist ebenfalls sehr gelungen. Vor allem die Nachwirkungen von „Rogue One“ werden ausführlich thematisiert und noch einmal in direkten Kontext zur Zerstörung des ersten Todessterns gesetzt – die Gründung des Inferno Squad ist schließlich ein direktes Resultat aus den Informationslecks, die es den Rebellen überhaupt erst ermöglichten, den Todesstern zu zerstören. Saw Gerreras Partisanen und sein Vermächtnis sind ebenfalls ein Rogue-One-Element, das mehrfach thematisiert wird, sogar zurück bis zu „The Clone Wars“. Gleichzeitig hütet sich Golden vor allzu plumpen Gastauftritten, was „Inferno Squad“ eine sehr angenehme Eigenständigkeit verleiht.

Ein paar kleine Kritikpunkte gibt es aber dennoch. Ein Detail des Endes (ohne zu viel zu verraten, es hat mit den Überbleibseln einer untergegangenen Zivilisation zu tun) wirkt ein wenig kitschig und passt nicht so recht zum grimmigen Grundton des Romans. Außerdem wäre da noch ein untergeordnetes Handlungselement, dessen Potential in meinen Augen nicht ganz ausgeschöpft wurde. Die Rolle, die Iden Versio bei den Träumern einnehmen soll, erinnert ein wenig an Katniss Everdeen in „Mockingjay“: Sie soll praktisch Saw Gerrera als Gesicht der Partisanen ersetzen (was auch als ironische Meta-Anspielung funktioniert, schließlich fungiert Idens Darstellerin als Gesicht des Battlefront-II-Marketings). Leider wird das nur ansatzweise thematisiert und geht im letzten Drittel des Romans völlig unter. Das ist zwar durchaus verständlich, da die persönlichen Beziehungen zwischen den Figuren dominieren, und das zu Recht, aber schade ist es dennoch; aus dieser Thematik hätte noch mehr herausgeholt werden können. In diesem Kontext wäre eine Außenperspektive ganz interessant gewesen, vielleicht hätte man noch ein, zwei Szenen aus der Sicht von Idens Mutter schildern können, die mitansehen muss, wie ihre Tochter ihr geliebtes Imperium scheinbar verrät. Aber letztendlich bleibt das Meckern auf hohem Niveau, es ist schon richtig, dass die Figuren auf diese Weise im Zentrum stehen.

Ausnahmsweise habe ich „Inferno Squad“ mal nicht in gedruckter Form konsumiert, sondern stattdessen das Hörbuch gehört. Dieses wird, wie könnte es auch anders sein, von Janina Gavankar gelesen wird. Ich habe diesen Entschluss nicht bereut, Gavankar liest sehr gut, ihre Stimme passt ausgezeichnet zum Tonfall des Romans und man merkt ihre emotionale Involviertheit in das Projekt an. Lediglich bei ein, zwei Figuren übertreibt sie es etwas (Stichwort Piikow).

Fazit: Mit „Inferno Squad“ liefert Christie Golden ein weiteres Kanon-Juwel ab und führt mich zumindest in Versuchung, mir „Battlefront II“ zuzulegen, und sei es nur um zu erfahren, wie es mit Iden Versio weitergeht. Volle Empfehlung für alle, die auf ein düsteres Star Wars mit grauen Figuren und imperialer Perspektive stehen.

Bildquelle

Siehe auch:
Dark Disciple
Tarkin
Lords of the Sith