Lovecrafts Vermächtnis: Cthulhu in Westeros

Na gut, der Titel dieses Artikels ist vielleicht ein bisschen reißerisch. Zwar hat sich George R. R. Martin früher auch als Horror-Autor betätigt, zum Beispiel mit dem Vampirroman „Fevre Dream“ oder der Werwolfnovelle „Skin Trade“, meines Wissens nach hat er allerdings nie eine Geschichte zum Cthulhu-Mythos beigesteuert (mit Ausnahme eines nicht ganz ernst gemeinten Eintrags auf seinem Blog, in dem er Jaime Lannister mit Cthulhu kämpfen ließ). Auch stilistisch und thematisch ist Martin weit von Lovecraft entfernt. Hier könnte ich natürlich jetzt die großen, massiven Unterschiede auffahren (Lovecraft benutzte meistens einen intradiegtischen (bzw. Ich-)Erzähler und gestaltete seine Geschichten oft als Berichte, während Martin mit einem sehr figurennahen extradiegetischen Erzähler arbeitet und sehr szenisch beschreibt), aber oftmals sind die kleinen Details weitaus interessanter. Nehmen wir die Nahrungsaufnahme: Lovecraft war bezüglich der Details ein Minimalist und schnitt meistens alles aus der Geschichte heraus, das keine unmittelbare Auswirkung auf den Handlungsverlauf hat. Nahrungsaufnahme zählt dazu; in fast keiner Lovecraft-Geschichte wird gegessen, lediglich in „The Shadow over Innsmouth“ gibt es tatsächlich einmal eine explizit erwähnte Mahlzeit. Martin dagegen beschreibt die Festmähler und Gelage der Welt von Eis und Feuer sehr ausführlich – so ausführlich, dass die Foodbloggerinnen Chelsea Monroe-Cassel und Sariann Lehrer schon vor einiger Zeit ein passendes (und sehr zu empfehlendes) Kochbuch veröffentlichten.

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Der Meersteinstuhl auf Pyke (Bildquelle)

Wer sich jedoch Martins Welt von Eis und Feuer ein wenig im Detail anschaut, wird dennoch Spuren von und Hommagen an Lovecraft darin finden, die deutlich machen, dass auch Martin ein weiterer Fan und Bewunderer des Schriftstellers aus Providence ist. Die offensichtlichste Anspielung ist der Drowned God der Iron Islands. In mancher Hinsicht gleichen die plündernden Bewohner der Iron Islands den Wikingern, mit deren Religion haben sie allerdings nur den Umstand gemein, dass ihr Gott sie dazu auffordert, in die Schlacht zu ziehen und zu plündern und zu morden. Ansonsten hat besagter Drowned God allerdings mit Odin nichts zu tun und erinnert eher an Cthulhu. Die Krakenassoziation ist durch das Wappen der Greyjoys gegeben, und dann ist da noch der Standardspruch seiner Priester: „What is dead may never die, but rises again, harder and stronger.“ Bis zum Zweizeiler aus dem Necronomicon ist es da nun wirklich nicht mehr weit: „That is not dead which can eternal lie, / And with strange aeons even death may die.“

Im Bezug auf die Gottheiten von Westeros und Essos ist das jedoch noch nicht alles: Die Idee des kosmischen Horrors ist durchaus eine, die Martin immer wieder subtil einfließen lässt. Diverse Figuren ringen mit der Idee, dass die Menschen lediglich Spielbälle der Götter sind, so diese denn existieren. Die Fähigkeiten etwa, die der Herr des Lichts verleiht, bleiben für alle, die nicht zu seinem Kult gehören, fremdartig und verstörend. Auch die Weißen Wanderer passen zu dieser Thematik, sie ebenfalls fremdartig und (zumindest bislang) jenseits des Verständnisses ihrer Feinde. Während in „Game of Thrones“ sogar zu sehen war, wie die Kinder des Waldes den ersten Wanderer erschaffen, um gegen die Ersten Menschen bestehen zu können, ist ihre Herkunft in den Romanen bislang noch völlig ungeklärt, was die Bedrohung, die von ihnen ausgeht, umso erschreckender macht.

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Die finstere Stadt Asshai (Bildquelle)

Weitere subtile Hommagen an Lovecraft und den weiteren „Cthulhu-Mythos“ finden sich vor allem in Details und Hinweisen, die primär in „The World of Ice and Fire“ aufgegriffen und vertieft werden. So gibt es auf Pyke und in Oldtown Spuren alter, vielleicht sogar vormenschlicher Zivilisationen. Die Iron Islands werden vom Meersteinstuhl aus regiert, einem mysteriösen Sitz aus öligem, schwarzem Stein, der bereits auf Pyke war, als Menschen die Insel zum ersten Mal betraten. Die Beschreibung des Gesteins erinnert ein wenig an R’yleh, die versunkene Stadt Cthulhus. In Westeros und jenseits davon gibt es noch weitere, ähnliche Monumente, etwa in Oldtown, wo sich eine merkwürdige Labyrinthfestung findet, die als Fundament des Hightower dient. Niemand weiß, was es mit diesem Labyrinth auf sich hat, aber ein Maester namens Theron, der von den Iron Islands stammt, vermutet, dass es eine Verbindung zwischen dem Meersteinstuhl und dem Labyrinth gibt und dass „Deep Ones“, Mischwesen aus Menschen und Kreaturen der Tiefe, für die Errichtung verantwortlich sein könnte. Der Lovecraft-Fan fühlt sich natürlich sofort an „The Shadow over Innsmouth“ erinnert. Weit im Osten finden sich ebenfalls Vorkommnisse dieses schwarzen Gesteins: Auf einer der Basiliskinseln existiert die Statue einer Kröte (evtl. eine Anspielung an Tsathoggua und Robert E. Howards Geschichte „The Black Stone“) und weit im Osten liegt die mysteriöse und berüchtigte Stadt Asshai, ebenfalls aus schwarzem Stein errichtet. Und schließlich wäre da noch die Dschungelstadt Yeen auf dem südlichen Kontinent Sothoryos, wo der Legende nach uralte, unverständliche Übel lauern.

Ebenfalls im Südosten liegt Leng, das beim kundigen Lovecraft-Leser sofort die Alarmglocken läuten lässt: Die Hochebene von Leng, beschrieben in Abdul Alhazreds Necronomicon, taucht in vielen Lovecraft-Geschichten auf, wird aber nie einheitlich verortet. „The Hound“ zufolge findet sich Leng in Asien, in „At the Mountains of Madness“ glaubt der Erzähler, Leng in der Antarktis gefunden zu haben und in „The Dream-Quest of Unknown Kadath“ ist Leng Teil der Traumlande. Bei Martin findet sich Leng als Insel im Süden von Essos, in dessen Ruinen früher „Old Ones“, alte, vergessene Götter gehaust haben sollen – klingt irgendwie vertraut. Und dann wäre da noch, ebenfalls in Essos, die Stadt Carcosa, die von einem „gelben Kaiser“ beherrscht wird – eine Hommage an Robert W. Chambers und seine Kurzgeschichtensammlung „The King in Yellow“.

Lovecrafts Vermächtnis:
Der Cthulhu-Mythos
Nathaniel
Dagon
Die Opferung
Das Alien-Franchise
Revival

Siehe außerdem:
The World of Ice and Fire

GoT: Beyond the Wall

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Nach der letzten Episode, die primär als Set-up für diese fungierte, passiert in „Beyond the Wall“ wirklich etwas – wir verlassen Nebenschauplätze und werden uns der Hauptbedrohung zu. Ganz in bester GoT-Tradition bietet die vorletzte Episode dieser Staffel ordentlich Schauwerte – bleib dabei aber ziemlich uneben, da die Umsetzung der Prämisse mitunter äußerst holprig ausfällt.

Winterfell
Eine der besten Entscheidungen für diese Episode war es, den King’s-Landing-Handlungsstrang auszuschließen und sich ausschließlich auf Dragonstone und den Norden zu konzentrieren. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich tatsächlich auch den Winterfell-Subplot weggelassen. Meine Meinung bezüglich der kleinen Familienkrise zwischen Sansa und Arya hat sich nicht geändert: Das Ganze wirkt uninteressant und im Vergleich zu den anderen Ereignissen der Episode geradezu belanglos. Das erste Gespräch zwischen Sansa und Arya ist im Grunde eine etwas harschere Version des Gesprächs der vorangegangenen Episode unter Einbeziehung des gefunden Briefs. In der folgenden Szene berät sich Sansa mit Littlefinger, der dazu rät, Brienne als Vermittlerin einzusetzen. Daraus wird allerdings nichts, denn ein Brief lädt Sansa zum großen Treffen der nächsten Episode nach King’s Landing (das kommt alles ein wenig plötzlich und unvermittelt) – Sansa hat aber keine Lust zu gehen und schickt Brienne, die aber ebenfalls keine Lust hat und um Sansas Sicherheit fürchtet, aber Befehl ist Befehl. In der finalen Winterfellszene durchsucht Sansa Aryas Zimmer und findet die Gesichter, was zu einer weiteren unangenehmen Konfrontation inklusive Psychospielchen führt. Diese Szene ist dramaturgisch in meinen Augen jedoch völlig deplatziert, weil sie im Anschluss an das Scharmützel im Norden kommt – nach diesem dramatischen Höhepunkt dürfte sich kaum jemand noch für die Differenzen der Stark-Schwestern interessieren.

Jenseits der Mauer Teil 1
Strukturell hat diese Episode ähnliche Probleme wie die letzte, weshalb ich diesen Handlungsstrang in der Besprechung tatsächlich aufteile, um das Ganze etwas übersichtlicher darstellen zu können – sonst käme die Chronologie der Episode völlig durcheinander. Nun denn, gerade in diesem Teil der Episode finden sich einige Highlights, denn die Tour nach Norden wird für einige interessante Dialogmomente genutzt – Gendry, Beric und Thoros verarbeiten den Verkauf an Melisandre, Jon und Jorah diskutieren über Lord Mormonts Vermächtnis, Sandor Clegane und Tormund freunden sich an – hiervon hätte es durchaus noch mehr geben dürfen, stattdessen hätten Benioff und Weiss den Winterfell-Handlungsstrang auslassen können.

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Gemeinsam auf Betriebsausflug: Tormund (Kristofer Hivju), Jon (Kit Harrington), Beric (Richard, Dormer), Sandor (Rory McCann), Jorah (Iain Glenn), Gendry (Joe Dempsie) und Thoros (Paul Kaye). Bildquelle

Ernster wird es, als das Grüppchen von einem untoten Bären angegriffen wird. Ganz nebenbei: Bin ich der einzige, der sich durch die Flammenschwerter von Thoros und Beric an Lichtschwerter erinnert fühlt? In diesem Kontext könnte man argumentieren, dass das ein wenig zu leicht funktioniert, aber die Erklärung im Subtext überzeugt mich und passt auch im Kontext der Romane ganz gut. Wenn Thoros von Myr früher Schwerter anzündete, musste er sie in Seefeuer tränken und danach war das Schwert unbrauchbar. Hier müssen Thros und Beric R’hllor ein wenig Blut opfern (jedes Mal, wenn sie ihre Schwerter anzünden, schneiden sie sich die Handfläche auf). Das passt ganz gut zur Thematik der durch die Drachen zurückkehrenden bzw. stärker werdenden Magie in den Romanen. Darüber hinaus ist Magie an der Mauer und jenseits davon grundsätzlich stärker, wie wir in Staffel 5 und in „A Dance with Dragons“ von Melisandre erfahren.

Schließlich stößt man auch auf menschliche Wiedergänger und es gelingt sogar, einen Weißen Wanderer zu töten und einen der Wiedergänger gefangenzunehmen – sehr geschickt, dass nur einer übrig bleibt, nachdem der Weiße Wanderer vernichtet wurde. Weniger geschickt ist der Umstand, dass das Grüppchen von der Untotenarmee auf einem gefrorenen See umstellt wird. Besagte Armee erweist sich vorerst allerdings als merkwürdig passiv, sodass Jon und Co. die Nacht auf einer kleinen Felseninsel überstehen – bis auf Thoros, der einem Bärenbiss erliegt. Nur Gendry entkommt und rennt zur Mauer zurück. Auch hier fällt es mir schwer, das Ganze plausibel zu finden, allerdings finden sich im Internet inzwischen aufwändige Berechnungen, wie schnell welcher Weg zurückgelegt werden kann – Gendrys Spurt zur Mauer scheint zumindest noch halbwegs im Bereich des Möglichen zu sein, da die Armee des Nachtkönigs ja ohnehin nicht mehr weit von Eastwatch entfernt ist. Die Geschwindigkeit, mit der der Rabe von Eastwatch allerdings Dragonstone erreicht, ist wieder eine andere Geschichte.

Dragonstone
Auf Dragonstone führen Daenerys und Tyrion wieder ihre übliche Grundsatzdiskussion und basteln an der Metapher des zu zerbrechenden Rades weiter. Unangenehmer ist die Frage nach der Thronfolge, aber es gibt ja durchaus Möglichkeiten bzw. Vorbilder aus der Realität. Wahlkönigtum, Adoption, oder sogar Demokratie? Besonders amüsant ist der Austausch bezüglich des Heldentums von Daenerys‘ Verehrern. Der Kommentar dazu ist angesichts dessen, was sie später abzieht, schon recht ironisch – sie verhält sich letztendlich genauso, wie Jorah oder Jon es tun würden. Als der Rabe mit Gendrys Nachricht kommt, zögert sie keine Minute und schlüpft in ihre noble Wintergarderobe (da hat jemand vorgesorgt), um mit ihren Drachen nach Norden zu fliegen, trotz Tyrions Protest. Selbst mit Drachen scheint mit der Weg über einen halben Kontinent in einer Nacht doch etwas gewagt, aber die Regeln der Dramaturgie verlangen, dass es klappt und die Rettung exakt in letzter Sekunde eintrifft. Bei anderen derartigen Vorkommnissen konnten sich die Macher wenigstens noch damit herausreden, dass keine definitive Zeitangabe getätigt wird, hier geht das nun definitiv nicht mehr.

Jenseits der Mauer Teil 2
Das Scharmützel im Norden hat Fanspekulationen massiv befeuert. Schon allein der Umstand, dass die Armee der Toten erstmal gemütlich wartet, bis die Nacht vorbei ist, ist äußerst verdächtig. Entweder die Dramaturgie ist hier wirklich extrem klischeehaft, oder die ganze Angelegenheit wurde vom Nachtkönig exakt so vorhergesehen und geplant, weil er einen untoten Drachen haben wollte, den er am Ende ja auch bekommt. Aber da hören die Fanspekulationen nicht auf. Die neueste Lieblingstheorie lautet: Bran ist der Nachtkönig. Zum einen werden da Parallelen bei der Kleidung zum Tragen gebracht, zum anderen hat sich das Gesicht leicht verändert. Mit der ganzen Maskierung sieht man das natürlich nicht allzu deutlich, aber tatsächlich hat seine winterliche Majestät nun eine recht lange, gerade Nase, die der von Isaac Hempstead-Wright ähnelt. Wird Bran irgendwann in der Zeit zurückreisen und zum Nachtkönig werden oder sich mit dem ursprünglichen Nachtkönig, dessen Erschaffung wir in Staffel 6 gesehen haben, vereinen? Oder geht die Fantasie mal wieder mit den Fans durch? Zumindest die erste Theorie (das Scharmützel als Falle) erscheint mir plausibel genug – wer hat denn schon nur aus Verdacht derartig massive Ketten dabei, die einen Drachen aus dem Wasser ziehen können? Und warum attackiert der Nachtkönig zuerst Viserion, der fliegt und weitaus schwerer zu treffen ist als Drogon, der am Boden ist und noch dazu von der Drachenkönigin geritten wird? Es sei denn natürlich, der Nachtkönig hat vorhergesehen, was er tun muss oder er ist tatsächlich Bran und weiß was passieren wird bzw. passiert ist bzw. passiert sein wird (wo ist Doc Brown, wenn man ihn braucht?).

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Warum Riesenadler nehmen, wenn man stattdessen Drachen haben kann? (Bildquelle)

Jedenfalls sind die Auswirkungen massiv: Ein Drache tot (oder untot), Daenerys ist von der Gefahr aus dem Norden nun restlos überzeugt und zwischen ihr und Jon funkt es. Rein politisch wäre eine Hochzeit natürlich sehr profitabel, auch wenn sie Tante und Neffe sind – nun ja, angesichts der Targaryen-Tradition ist das fast noch akzeptabel. Letztendlich sind Benioff und Weiss halt auch nur Shipper.

Effekttechnisch hat der Drachenangriff definitiv Kinoniveau und zeigt, was man im Fernsehen inzwischen alles bewerkstelligen kann. Inszenatorisch ist mir das Ganze jedoch zu vorhersehbar. Ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich nicht seit Staffel 1 darauf gewartet habe, dass Drachen Untote niedermähen, aber die Rettungen in letzter Sekunde häufen sich so langsam: Erst Daenerys, dann taucht auch noch Benjen Stark aus dem Nichts auf – vielleicht wäre es weniger umständlich gewesen, wenn Jon einfach auf Drogon mitgekommen wäre. So fragt man sich, wie er überhaupt überleben konnte – wobei es auch dazu Theorien gibt, die mit Jons Wiedererweckung zusammenhängen. Vielleicht hat Beric Dondarrion tatsächlich recht und der Herr des Lichts lässt Jon einfach noch nicht sterben. Wie auch immer, ich bin auf jeden Fall nicht der einzige, der bei der letzten Szene ein ziemliches Déjà-vu hatte.

Fazit: „Beyond the Wall“ ist abermals eine Folge mit massiven Schauwerten – aber auch einigen gravierenden dramaturgischen und inhaltlichen Schwächen. Nachdem GoT in seiner Anfangszeit Fantasy-Klischees wiederlegte, wird die Rettung in letzter Sekunde für meinen Geschmack in letzter Zeit etwas zu häufig zelebriert.

Titelbildquelle

Siehe auch:
Dragonstone
Stormborn
The Queen’s Justice
The Spoils of War
Eastwatch

Battlefront II: Inferno Squad

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„Battlefront“ ist inzwischen eine etablierte Star-Wars-Marke. Die beiden ursprünglichen Battlefront-Spiele, vor allem den zweiten Teil unter Verwendung diverser Mods, habe ich sehr ausführlich gespielt. Die Neuauflage von EA dagegen hat mich bisher kaum interessiert, und das nicht nur wegen der fragwürdigen DLC-Politik. Dinge wie das Fehlen der Prequel-Ära oder die Abwesenheit einer Handlung haben mich doch ziemlich abgeschreckt. Die Fortsetzung, die im November diesen Jahres erscheinen soll, sieht da schon weitaus interessanter aus, und das nicht nur, weil sowohl die Prequel- als auch die Sequel-Ära mit einbezogen wird. Rein marketingtechnisch erscheint mir „Battlefront II“ weitaus besser konzipiert zu sein, denn EA entschloss sich dieses Mal, dem Spiel eine Story und ein Gesicht zu geben. Dieses Gesicht gehört der Schauspielerin Janina Gavankar, die nicht nur in Serien wie „True Blood“, „The Vampire Diaries“ oder „Arrow“ mitwirkte, sondern auch als passionierte Gamerin gilt und ihre Stimme bereits diversen Spielfiguren lieh. In „Battlefront II“ spielt Gavankar die extra für dieses Spiel geschaffene Protagonistin Iden Versio, Pilotin und Soldatin des Imperiums und Anführerin der Inferno Squad, eines Spezialkommandos. „Battlefront II“ wird in der Schlacht um Endor ansetzen und erzählen, wie sich Iden Versio mit dem Tod des Imperators und dem Zusammenbruch des Imperiums auseinandersetzt. Wie schon beim ersten neuen Battlefront-Teil gibt es auch dieses Mal ein Roman-Tie-in mit dem Titel „Inferno Squad“, das die Vorgeschichte besagter Einheit erzählt – auch hier steht Iden Versio im Fokus. Nach dem in meinen Augen eher misslungen „Thrawn“ (und das, obwohl es von Thrawn-Erfinder Timothy Zahn verfasst wurde) ist „Inferno Squad“ nun schon der zweite Roman in diesem Jahr, der ausschließlich aus imperialer Perspektive erzählt wird. Und anders als „Thrawn“ gehört „Inferno Squad“ für mich zu den besten Kanon-Romanen.

Als Autorin wurde Christie Golden verpflichtet, die mit „Dark Disciple“ bereits einen Kanon-Roman verfasst hat, der jedoch thematisch völlig anders gelagert ist. Wie nicht anders zu erwarten spielen die Jedi, die Sith und die Macht in „Inferno Squad“ keine Rolle, stattdessen setzt sich Golden hier mit dem Thema Extremismus sehr ausführlich auseinander. „Inferno Squad“ beginnt mit der Schlacht um Yavin, in welcher Iden Versio als Tie-Pilotin flog – tatsächlich ist sie neben Darth Vader die einzige Überlebende Pilotin dieser Schlacht auf imperialer Seite. Als Reaktion auf die Zerstörung des Todessterns und den damit verbundenen Diebstahl der Todessternpläne sowie die Sabotage von Galen Erso gründet Idens Vater, Admiral Garrick Versio, die Inferno Squad, um Derartigem in Zukunft vorzubeugen. Die Squad besteht, neben Iden selbst, aus drei weiteren Mitgliedern: Gideon Hask, ebenfalls Pilot und Idens Stellvertreter, Del Meeko, Aufsteiger und Technikexperte sowie Seyn Marana, eine Kryptologin mit eidetischem Gedächtnis. Golden schildert in ihrem Roman die ersten drei Missionen der Inferno Squad, wobei die dritte Mission eindeutig im Fokus steht, während die ersten beiden lediglich dazu dienen, die Figuren und die Vorgehensweise der Einheit vorzustellen. Bei besagter dritter Mission geht es um ein Überbleibsel von Saw Gerreras Partisanan, das sich als „die Träumer“ bezeichnet. Die Träumer haben Anschläge auf verschiedene imperiale Einrichtungen verübt, die vermuten lassen, dass sie über Insider-Informationen verfügen. Die Inferno Squad soll die Träumer unterwandern und herausfinden, woher besagte Informationen kommen.

Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, dass die Träumer der übliche Versuch sind, Imperiale in größerem Ausmaß als Helden zu etablieren. In diversen Kanon-Geschichten (und auch bereits in alten EU-Werken), in denen Figuren des Imperiums im Fokus sind, wurde bereits alles möglich unternommen, damit sie nicht gegen die Rebellion, also die eigentlichen Helden kämpfen müssen; man schickte Vader, Tarkin und Thrawn gegen Piraten, Schmuggler, Extremisten oder imperiale Dissidenten ins Feld, damit man sie als Leser anfeuern kann, weil ihre Widersacher noch schurkischer sind. Die Träumer scheinen zu dieser Kategorie zu passen, dabei handelt es sich aber zumindest teilweise um einen Trugschluss. „Inferno Squad“ zeichnet sich primär durch Goldens exzellente Figurenzeichnung aus. Ausnahmslos alle Charaktere in „Inferno Squad“ sind grau, äußerst ambivalent und ziemlich markant, die Imperialen genauso wie die Träumer. Gerade im Vergleich mit Romanen wie „Tarkin“ oder „Lords of the Sith“, in denen ähnlich geartete Widersacher fürchterlich blass blieben, ist das eine willkommene Entwicklung. Natürlich begünstigt der Plot diesen Umstand, da man die Protagonisten und die Widersacher nicht getrennt voneinander erlebt, sondern sie aufgrund der Infiltration ständig miteinander agieren. Das eigentliche Missionsziel wird letztendlich dann fast schon zur Nebensache. Golden zeichnet die Charaktere sehr komplex und weit entfernt vom einfachen Gut/Böse-Schema. Sie alle eint die absolute Hingabe an eine bestimmte Sache, sei es das Imperium oder der Saw Gerreras Ideal; eine Hingabe, die fast völlig rücksichtslos ausfällt und den Tod und das Leiden Unschuldiger in Kauf nimmt. Gleichzeitig sind sie aber eben doch alle Menschen (bzw. im Fall der Träumer auch Aliens mit sehr menschlichen Emotionen), die Freundschaften schließen, ein Moralempfinden haben, sich verlieben, Mitgefühl füreinander empfinden und mit ihren Entscheidungen und Handlungen ringen. Golden gelingt es sehr gut, diesen Zwiespalt glaubhaft darzustellen; keiner der Charaktere wirkt unglaubwürdig konstruiert. Insgesamt ist Iden Versio als Frontfrau natürlich die Figur, die am meisten Raum bekommt, um sich zu entfalten. Die anderen Mitglieder der Inferno Squad fungieren aber ebenfalls als Point-of-View-Charaktere und sind dementsprechend gut ausgearbeitet. Zwar bleibt die Perspektive ausschließlich imperial, aber auch die einzelnen Mitglieder der Träumer sind markante und gut greifbare Figuren, sei es die ehemalige Twi’lek-Sklavin Dahna, der Chadra-Fan-Techniker Piikow, der etwas instabile und gewalttätige Anführer Staven oder der mysteriöse Mentor. Insgesamt macht Golden hier keine Gefangenen und schreckt vor den dunklen Seite des Krieges und der Spionage nicht zurück. Somit ist „Inferno Squad“ definitiv einer der düstersten und moralisch komplexesten Star-Wars-Romane der letzten Jahre, vielleicht sogar insgesamt. Zugleich schafft es Golden, das Ganze in eine äußerst ansprechende, stringente und spannend geschriebene Handlung zu verpacken.

Die Einordnung in den Kanon ist ebenfalls sehr gelungen. Vor allem die Nachwirkungen von „Rogue One“ werden ausführlich thematisiert und noch einmal in direkten Kontext zur Zerstörung des ersten Todessterns gesetzt – die Gründung des Inferno Squad ist schließlich ein direktes Resultat aus den Informationslecks, die es den Rebellen überhaupt erst ermöglichten, den Todesstern zu zerstören. Saw Gerreras Partisanen und sein Vermächtnis sind ebenfalls ein Rogue-One-Element, das mehrfach thematisiert wird, sogar zurück bis zu „The Clone Wars“. Gleichzeitig hütet sich Golden vor allzu plumpen Gastauftritten, was „Inferno Squad“ eine sehr angenehme Eigenständigkeit verleiht.

Ein paar kleine Kritikpunkte gibt es aber dennoch. Ein Detail des Endes (ohne zu viel zu verraten, es hat mit den Überbleibseln einer untergegangenen Zivilisation zu tun) wirkt ein wenig kitschig und passt nicht so recht zum grimmigen Grundton des Romans. Außerdem wäre da noch ein untergeordnetes Handlungselement, dessen Potential in meinen Augen nicht ganz ausgeschöpft wurde. Die Rolle, die Iden Versio bei den Träumern einnehmen soll, erinnert ein wenig an Katniss Everdeen in „Mockingjay“: Sie soll praktisch Saw Gerrera als Gesicht der Partisanen ersetzen (was auch als ironische Meta-Anspielung funktioniert, schließlich fungiert Idens Darstellerin als Gesicht des Battlefront-II-Marketings). Leider wird das nur ansatzweise thematisiert und geht im letzten Drittel des Romans völlig unter. Das ist zwar durchaus verständlich, da die persönlichen Beziehungen zwischen den Figuren dominieren, und das zu Recht, aber schade ist es dennoch; aus dieser Thematik hätte noch mehr herausgeholt werden können. In diesem Kontext wäre eine Außenperspektive ganz interessant gewesen, vielleicht hätte man noch ein, zwei Szenen aus der Sicht von Idens Mutter schildern können, die mitansehen muss, wie ihre Tochter ihr geliebtes Imperium scheinbar verrät. Aber letztendlich bleibt das Meckern auf hohem Niveau, es ist schon richtig, dass die Figuren auf diese Weise im Zentrum stehen.

Ausnahmsweise habe ich „Inferno Squad“ mal nicht in gedruckter Form konsumiert, sondern stattdessen das Hörbuch gehört. Dieses wird, wie könnte es auch anders sein, von Janina Gavankar gelesen wird. Ich habe diesen Entschluss nicht bereut, Gavankar liest sehr gut, ihre Stimme passt ausgezeichnet zum Tonfall des Romans und man merkt ihre emotionale Involviertheit in das Projekt an. Lediglich bei ein, zwei Figuren übertreibt sie es etwas (Stichwort Piikow).

Fazit: Mit „Inferno Squad“ liefert Christie Golden ein weiteres Kanon-Juwel ab und führt mich zumindest in Versuchung, mir „Battlefront II“ zuzulegen, und sei es nur um zu erfahren, wie es mit Iden Versio weitergeht. Volle Empfehlung für alle, die auf ein düsteres Star Wars mit grauen Figuren und imperialer Perspektive stehen.

Bildquelle

Siehe auch:
Dark Disciple
Tarkin
Lords of the Sith

GoT: Eastwatch

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„Eastwatch“ ist mal wieder eine dieser Zwischenepisoden, in denen Figuren in Stellung gebracht werden. Noch mehr als in allen anderen Episoden dieser Staffel fällt auf, wie sehr das Erzähltempo im Vergleich zu den ersten Staffeln angezogen wurde. Figuren reisen in aberwitziger Geschwindigkeit von Oldtown nach Dragonstone, von Dragonstone nach King’s Landing und wieder zurück und schließlich zur Mauer. Derartige Überbrückungsepisoden haben es selten leicht, und das trifft auch hier zu: Kaum jemand dürfte sich später spezifisch an diese Folge erinnern.

In der Weite
Oh, welch Wunder, Jaime und Bronn haben überlebt. Damit festigt sich mein Fazit zur letzten Episode. Die beiden sind nun natürlich erst einmal etwas traumatisiert, schließlich bekommt man es nicht alle Tage mit einem ausgewachsenen Drachen zu tun, und die Aussicht, gleich drei von den Biestern entgegenzutreten, begeistert weder Jaime noch Bronn.

Auf dem Schlachtfeld beschäftigt sich Daenerys derweil mit den Überlebenden und macht ihnen ein einfach Angebot: Sie sollen das Knie beugen oder sterben. Während die meisten Soldaten durchaus geneigt sind, sich zu ergeben, zeigt sich, dass die Tarlys aus anderem Holz geschnitzt sind. Die Hinrichtung findet durch Drachenfeuer statt. Das alles vergrößert das Zerwürfnis zwischen Tyrion und Daenerys noch. Ich hatte ja schon damit gerechnet, auch wenn es nun nicht auf einem Hintergehen basiert, sondern eher darauf, dass Tyrions Pläne nicht aufgegangen sind. Nun beginnt Tyrion, an Daenerys zu zweifeln. Entwickelt sie sich doch in eine unangenehme Richtung? Schließlich war es das Hobby ihres Vaters, unwillige Lords bei lebendigem Leib zu verbrennen. Doch dazu später mehr.

Dragonstone
Und schon ist Daenerys wieder auf Dragonstone, damit sich Jon und Drogon ein wenig anfreunden können. Es bleibt nicht das einzige Mal in dieser Folge, dass Jons Targaryen-Abstammung mehr oder weniger subtil nebenbei thematisiert wird. Eine derartige Szene taucht in den Romanen zwar nicht auf – dort wurde ja noch nicht einmal bestätigt, dass Jon Rhaegars Sohn ist, und so lange es nicht von Martin direkt kommt bzw. im noch zu erscheinenden „The Winds of Winter“ schwarz auf weiß zu lesen ist, gilt dieser Umstand auch nur für die Serie; und natürlich hat Jon dort die Drachen noch nie zu Gesicht bekommen – aber es gibt einen ähnlichen Präzedenzfall. In „A Storm of Swords“ tritt der Söldnerführer Brown Ben Plumm in Daenerys‘ Dienste. Besagter Brown Ben hat Targaryen-Vorfahren; dementsprechend sind ihm die Drachen ziemlich zugeneigt, und das, obwohl er Daenerys später verrät.

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Jon Targaryen (Kit Harrington, Quelle)?

Wie sich zeigt, ist Jorah Mormont ein weiterer Name auf der langen Liste der GoT-Figuren, die inzwischen über ein Jet-Pack verfügen, denn schon trifft er auf Dragonstone ein, um Daenerys erneut seine Treue zu geloben, und dieses Mal freut sich die Königin der Drachen sogar, ihn zu sehen. Varys und Tyrion diskutieren derweil über ihre Beunruhigung: Wird Daenerys ihrem Vater immer ähnlicher? Die Einblicke in Varys‘ Geisteshaltung bezüglich seiner Zeit in den Diensten des irren Königs sind dabei der interessanteste Aspekt dieses Dialogs. Tyrions Beunruhigung ist jedoch ein wenig merkwürdig, da er selbst ja auch nicht unbedingt immer allzu zimperlich war; dass Daenerys aufmüpfige Lords, die sich weigern, das Knie zu beugen, hinrichten wird, war ja von weitem abzusehen. Bezieht sie sich lediglich auf den Umstand, dass sie mit Drachenfeuer hinrichtet?

Immerhin beim gemeinsamen Rat werden Fortschritte gemacht – man beschließt, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher, denn eine Nachricht von Bran trifft ein (was Jon auch gleich mit dem Umstand konfrontiert, dass sowohl Bran als auch Arya noch am Leben sind), die besagt, dass sich die Armee der Toten Eastwatch nähert. Wie bekommt man die Lebenden, die sich aber alle nicht ausstehen können und zum Teil glauben, bei den Weißen Wanderern handle es sich um Ammenmärchen, dazu, an einem Strang zu ziehen? Man bringt ihnen (also Cersei) einen Wiedergänger. Die Idee ist nicht neu, schon in Staffel 1 schickte Lord Commander Mormont Ser Alliser Thorne mit einer untoten Hand nach King’s Landing, allerdings fing die Hand an zu verrotten und konnte so niemanden überzeugen. Die Umstände sind freilich nicht ideal, da es genauso schwer sein dürfte, einen Wiedergänger zu fangen wie Cersei davon zu überzeugen, Daenerys‘ Leute zum empfangen. Tyrion hofft allerdings, dass Jaime ihn zumindest anhören wird. Und zum Glück hat man ja einen Schmuggler, der ihn nach King’s Landing bringen kann.

King’s Landing
In der Hauptstadt läuft das Gespräch zwischen Jaime und Cersei so ziemlich wie erwartet, es werden potentielle Niederlagen diskutiert und Cersei ist begeistert von Olennas letzten Worten und bereut es, dass sie sich zur Giftnutzung hat überreden lassen.

Dann treffen auch schon Daenerys‘ Gesandte ein. Auch wenn ich mich wiederhole: Es geht alles verdammt leicht und verdammt schnell. Während Tyrion ein recht vorhersehbares Gespräch mit Jaime in Gesellschafter alter Drachenschädel führt, besucht Ser Davos einen alten Bekannten: Gendry, der wieder ins King’s Landing schmiedet (zur Erinneruung, in den Romanen wurde er nie an Melisandre verkauft und ist immer noch in den Flusslanden). Der junge Schmied will sofort mitkommen und hat sich sogar für so eine Gelegenheit mit einem Kriegshammer ausgerüstet – ganz der Papa. Bei einer Konfrontation mit zwei Goldröcken zeigt er, dass er ihn auch ziemlich gut einsetzen kann.

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Gendry (Joe Dempsie): Wie der Vater, so der Sohn (Quelle).

Cersei offenbart Jaime später, dass sie um die ganze Tyrion-Geschichte wusste und dieses Treffen absichtlich zugelassen hat, da sie um ihre aussichtslose Situation weiß. Nun plant sie wohl eine Rote-Hochzeit-Gedenkfeier – eine Andeutung des Staffelfinales? Das kommende Ende von Cerseis Herrschaft? Sie ist nun einmal nicht Lord Tywin. Dramaturgisch würde das schon ganz gut passen, dann kann man sich in der finalen Staffel ganz auf die Bedrohung aus dem Norden konzentrieren. Ein kleines Detail ist noch erwähnenswert: Cersei behauptet, schwanger zu sein. Ein Trick, um Jaime neu zu motivieren?

Oldtown
Auch in Oldtown trifft die Nachricht ein, dass sich die Armee der Toten der Mauer weiter nähert (wahrscheinlich sind die Weißen Wanderer die einzigen Figuren, die KEIN Jet-Pack besitzen). Die Maester sind sekptisch, während Sam frustriert ist, da er ganz genau weiß, dass die Nachricht stimmt. Viel interessanter finde ich allerdings die Frage, wie Sam wohl auf den Tod von Vater und Bruder reagiert – zu beiden hat er ja nun nicht unbedingt das engste Verhältnis. Jedenfalls hat Sam langsam genug von der Apathie seiner Vorgesetzten, während Gilly uns nebenbei enthüllt, dass Jon der rechtmäßige Erbe der Sieben Königslande ist, da Rhaegars Ehe mit Elia Martell rechtmäßig annulliert wurde er Lyanna heiratete – als Bastard Rhaegars hätte Jon freilich keinen Anspruch auf den Eisernen Thron gehabt. Was Tante Daenerys wohl darüber denkt? Es sollte darüber hinaus noch erwähnt werden, dass diese Entdeckung im Kontext der Romane keinen Sinn ergibt, da eine vollzogene Ehe mit Erben nicht einfach so annulliert werden kann und Rhaegar darüber hinaus eine Tragaryen-Triarchie anstrebte (schließlich hat der Drache drei Köpfe) und deshalb drei legitime Erben benötigte. Da Elia Martell kein drittes Kind mehr bekommen konnte, ging er eben zum alten Targaryen-Brauch der Polygamie zurück. Sam hat natürlich ohnehin keine Ahnung, auf was Gilly da gestoßen ist. Stattdessen handelt er so, wie er schon in der vorherigen Staffel handelte: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion packt er alles ein, was ihm im Kampf gegen die Armee der Toten nützlich erscheint und macht sich davon.

Winterfell
Im Norden ist man unruhig und unzufrieden mit Jons Abwesenheit. Arya ist derweil unzufrieden mit Sansas Reaktion und startet ein kleines Psychospielchen, dessen Sinn sich mir nicht so ganz erschließen will. Vielleicht soll es einfach nur zeigen, dass Arya normale familiäre Kontakte nach wie vor schwerfallen und sie durch ihre Ausbildung im Haus von Schwarz und Weiß doch in größerem Ausmaß entmenschlicht wurde.

Littlefingers Ambitionen bleiben weiterhin nebulös, er konspiriert mit verschiedenen Personen, immer beobachtet von Arya, die vermutet, dass da etwas im Busch ist. Von Maester Wolkan erhält Littlefinger das angeforderte Schreiben aus den Archiven Maester Luwins, das er in seinen Gemächern versteckt. Arya wird noch misstrauischer, sucht und findet. In der Serie sieht man kaum, um welchen Brief es sich handelt, aber ein wenig Recherche hat ergeben, dass es der Brief ist, den Sansa in Staffel 1 nach Winterfell schickte, um Robb zu bitten, das Knie vor Joffrey zu beugen, um ihren Vater zu retten. Arya kennt natürlich den Kontext nicht, weshalb das zu Missverständnissen führen dürfte, die, wie die letzte Einstellung zeigt, Teil von Littlefingers Plänen sind. Um ehrlich zu sein wirkt dieser ganze Winterfell-Subplot für mich wie eine unnötige Beschäftigungstherapie für Sansa und Arya, besonders angesichts der Tatsache, dass an anderen Baustellen mit einem Wahnsinnstempo durch die Handlung gehetzt wird. Die hier verbrauchte Zeit hätte man an anderer Stelle sich besser verwenden können.

Eastwatch
Im Grunde kehren wir noch einmal nach Dragonstone zurück, bevor es per Express-Boot nach Eastwatch geht – diese Folge springt bei den Handlungsorten ziemlich. Damit dieser Artikel halbwegs nachvollziehbar bleibt, wird „Dragonstone Teil 2“ hier mit abgehandelt. Allzu viel gibt es ohnehin nicht zu sagen: Der Bastard Robert Baratheons und der vermeintliche Bastard Ned Starks lernen sich kennen und finden sich sympathisch – das gibt eine nette Symmetrie, wenn beide später wie ihre Väter Seite an Seite kämpfen. Jorah geht ebenfalls mit nach Norden und darf sich mal wieder von Daenerys verabschieden, wobei er sich zugleich fragt, ob da zwischen ihr und Jon was läuft – diesen Blick hat Iain Glenn seit Staffel 1 perfektioniert. Den kleinen Austausch zwischen Tyrion und Jorah fand ich darüber hinaus recht gelungen.

In Eastwatch gibt es ein weiteres Treffen mit alten Bekannten, denn off-Screen wurde Beric Dondarrion, Sandor Clegane und Thoros von Myr von Tormund, der jetzt Eastwatch hält, aufgegriffen. Man erkennt, dass eigentlich alle auf derselben Seite sind (auch wenn es Gendry nicht gefällt) und macht sich auf gen Norden. Das Grüppchen, das sich hier versammelt, um jenseits der Mauer nach einem Beweis für die anrückende Armee der Toten zu suchen, wurde vom Fandom schon mit dem Spitznamen „Suicide Squad“ versehen – schauen wir mal, ob das zutrifft.

Fazit: „Eastwatch“ ist eine typische Überbrückungsfolge, in der Figuren für zukünftige Ereignisse in Stellung gebracht werden. Darüber hinaus lässt diese Episode den Fokus vermissen, den die bisherigen Folgen dieser Staffel aufwiesen – man fühlt sich an einige der etwas sprunghafteren Episoden früherer Staffeln erinnert.

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Siehe auch:
Dragonstone
Stormborn
The Queen’s Justice
The Spoils of War

GoT: The Spoils of War

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Mit „The Spoils of War“ zeichnet sich in dieser siebten Staffel langsam ein Muster heraus. Jede Folge außer der ersten endete mit einem scheinbar größeren, um nicht zu sagen erschütternderen Ereignis, das jedoch trotz oft starker Inszenierung lediglich Vorgeplänkel bleibt.

King’s Landing
In der Hauptstadt freut sich Tycho Nestoris, dass die Eiserne Bank bald ihr Gold bekommt, weshalb er Cersei in noch größerem Maße als in der letzten Episode Honig ums Maul schmiert. Er versichert ihr weitere Unterstützung. Das interessanteste Detail dieser Szene ist die Erwähnung der Goldenen Kompanie, der größten (und teuersten) Söldnergruppe der freien Städte, gegründet von einem Targaryen-Bastard namens Aegor Rivers (auch Bittersteel genannt). Die Goldene Kompanie hat eine lange und bewegte Geschichte, war in diverse Targaryen-Erbfolgekriege verwickelt und unterstützt in den Romanen Aegon VI., den angeblichen Sohn von Rhaegar Targaryen, der aus der Serie ersatzlos herausgekürzt wurde. Die Erwähnung in diesem Kontext legt nahe, dass die Kompanie in den verbleibenden drei Folgen dieser oder in der nächsten Staffel noch eine wichtige Rolle spielen könnte, schließlich wird es auch für Cersei langsam eng, besonders nach gewissen dezimierenden Ereignissen.

Winterfell
Im Norden muss Littlefinger lernen, dass die Starks in dieser Staffel einfach keinen Bock mehr auf sein Geschwätz haben. Die Rückgriffe auf Staffel 1 werden ebenfalls fortgesetzt, denn Littlefinger hat ein ganz besonderes Geschenk für Bran: Den Dolch aus valyrischem Stahl, mit dem er ursprünglich ermordet werden sollte. Was das Ganze soll bleibt zumindest mir relativ schleierhaft – Littlefingers Pläne und Intrigen scheinen von Folge zu Folge weniger Sinn zu ergeben. Bran lässt sich jedenfalls nicht einlullen und gibt Lord Baelish den subtilen Hinweis, dass er genau um seine Rolle in diesem ganzen Theater weiß – chaos is a ladder indeed. Leider verfährt Bran mit Meera nur ungleich freundlicher, was ihr sichtlich zusetzt. Sie hat natürlich recht: Der alte Bran Stark ist ebenso wie Jojen und Hodor jenseits der Mauer gestorben, Bran ist endgültig der dreiäugige Rabe, seine Wahrnehmung befindet sich auf einer völlig anderen Ebene.

Wie zu erwarten war, erleben wir in dieser Folge eine weitere Stark-Wiedervereinigung: Arya erreicht Winterfell und ein weiteres Mal fällt auf, wie sehr Reisewege inzwischen übersprungen oder ignoriert werden, gerade im Vergleich zu früheren Staffeln, in denen der Weg von den Flusslanden nach Winterfell nicht so einfach zu bewältigen war. Gut, Arya ist jetzt eine geschulte Mörderin, aber gibt es wirklich keinerlei Gefahren mehr auf dem Weg? Das gilt natürlich nicht nur in diesem speziellen Fall, sondern ganz allgemein: Ganze Heere bewegen sich mit scheinbar rasender Geschwindigkeit, weil es der Serie nicht gelingt, das Verstreichen der Zeit wirklich anschaulich darzustellen. So entsteht oft der Eindruck, es vergingen lediglich Stunden und Tage, wo tatsächlich rein logisch betrachtet Wochen und Monate vergehen müssten.

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Drei wiedervereinte Starks: Sansa (Sophie Turner), Barn (Isaac Hempstead-Wright) und Arya (Maisie Williams). Bilquelle.

Aber zurück zu Arya, die sich einen Spaß mit den unhöflichen Wachen ihrer Schwester erlaubt, bis es zum großen, emotionalen Wiedersehen der Schwestern in der Krypta von Winterfell kommt. Bran, der inzwischen einen Rollstuhl hat, bleibt dagegen erwartungsgemäß stoisch, aber immerhin hat er ein nettes Geschenk für Arya: Littlefingers Dolch. Man wird das Gefühl nicht los, dass besagte Waffe noch eine Rolle spielen dürfte, nachdem sie in dieser Episode drei Mal prominent auftaucht – den Kampf zwischen Arya und Brienne mitgerechnet. Nachdem diese beiden Damen einen eher schlechten Start in Staffel 4 hatten, verstehen sie sich nun bei einem Übungsmatch weitaus besser. Besonders Aryas Kampfstil ist dabei sehr aussagekräftig, sieht man doch sehr deutlich, wo welches Manöver herstammt. Syrio Forels Technik ist sehr dominant, aber auch die Lektionen, die Arya von Sandor Clegane und den Männern ohne Gesicht erhalten hat, erweisen sich als überaus nützlich im Kampf gegen Brienne.

Dragonstone
Auf Dragonstone gibt es eine weitere gemeinsame Szene für Jon und Daenerys: In der Drachenglashöhle findet sich nicht nur das Obsidian, sondern auch interessante Höhlenmalereien. Die Ästhetik kennen wir bereits von den Kindern des Waldes und den rituell angeordneten Leichen, die die Weißen Wanderer zurücklassen. Diese sind tatsächlich höchstpersönlich abgebildet, was Daenerys zumindest in Erwägung ziehen lässt, dass da im Norden etwas nicht stimmt. Das alte Dilemma bleibt jedoch: Hilfe im Norden gibt es nur, wenn Jon das Knie beugt, was ihm seine Vasallen übel nehmen könnten.

Vorerst gibt es jedoch dringlichere Probleme, denn Varys und Tyrion bringen die Nachricht, dass Casterly Rock zwar gefallen ist, Highgarden aber ebenfalls. Daenerys is not amused. Mehr noch, sie zweifelt sogar an der Loyalität ihrer Hand. Nach nur vier Folgen haben wir eine interessante Diskrepanz zum Ende von Staffel 6; dort sah es so aus, als hätte Cersei keine Chance gegen die vereinte Macht der Unbefleckten, der Dothraki sowie der Martell- und Tyrell-Streitkräfte – von den drei Drachen gar nicht erst zu sprechen. Nun ist die Lage etwas ausgewogener, vor allem bekommt man als Zuschauer aber das Gefühl, dass die Tyrells und die Sandschlangen sich Daenerys nur angeschlossen haben, um die ersten paar Folgen dieser Staffel mit scheinbar essentiellen Augenblicken füllen zu können. Der tatsächliche Unterschied, den sie gemacht haben, ist jedoch minimal. Letztendlich fragt Daenerys Jon um Rat: Soll sie King’s Landing doch mit Feuer und Blut überziehen oder Tyrions Plan weiter folgen? Der König des Nordens hat ja bereits Erfahrung im Vermitteln, und so rät er auch dieses Mal zum Mittelweg, der in Essenz Tyrions Philosophie entspricht, aber zugleich eine Machtdemonstration zulässt.

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Ein weitaus weniger fröhliches Wiedersehen: Jon (Kit Harrington) und Theon (Alfie Allen). Bilquelle.

Freilich kann auch diese Folge nicht vergehen, ohne dass sich mehrere Figuren aus unterschiedlichen Handlungssträngen über den Weg den laufen – nach Arya und den Bewohnern von Winterfell feiern nun auch Theon Greyjoy und Jon Snow ein nicht ganz so fröhliches Wiedersehen. In diesem Kontext ist interessant, dass Benioff und Weiss die Serie inzwischen nur noch in drei große Handlungsstränge unterteilen: King’s Landing, Dragonstone und Winterfell. Alles, was an anderen Orten geschieht, wird einem dieser Handlungsstränge zugeordnet – die Seeschlacht am Ende der zweiten Folge gehörte zu Dragonstone, die Eroberung Highgardens zu King’s Landing, Aryas Weg nach Norden zu Winterfell etc. Tatsächlich ist diese Struktur relativ gut gelungen, die verminderte Anzahl an Handlungssträngen sorgt dafür, dass die einzelnen Episoden dieser Staffel dramaturgisch ziemlich gut ausbalanciert sind – um mein Lob von letzter Folge noch einmal zu wiederholen.

In der Weite
Nach dem Sieg über Highgarden marschiert die Lannister-Armee mit den erbeuteten Vorräten zurück nach King’s Landing, während das Gold, wie Randyll Tarly mitteilt, bereits angekommen ist – ein kleines, aber wichtiges Detail. Bronn ist ebenfalls wieder da – er war zwar bereits in „The Queen’s Justice“ neben Jaime an der Spitze der Lannisters zu sehen, aber in dieser Episode darf er auch wieder etwas sagen und tun. Bronn fungiert abermals als Jaimes rechte Hand (ups, war das insensitiv?), was zwar vorhersehbar war, aber trotzdem willkommen ist; die beiden funktionieren einfach gut miteinander. Nach wie vor wünscht sich Bronn ein eigenes Lehen, woraus aber erstmal nichts wird. Dafür lässt er Dickon Tarly an seiner Weisheit teilhaben. Dickon haben wir bislang vor allem durch Sams Augen gesehen, hier wird er nun ein wenig positiver und sympathischer dargestellt; den meisten Zuschauern würde es wahrscheinlich an seiner statt sehr ähnlich ergehen.

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Daenerys (Emilia Clarke) auf Drogon (Bildquelle).

Der Teil der Episode, der in der Weite spielt, spannt einen schönen Rahmen um diese Folge, bildet Einleitung und Schluss und zeigt, wie sich ein Sieg in eine Niederlage verwandeln kann – wobei der Sieg, den Daenerys hier letztendlich erringt, bestenfalls ein halber ist. Die Vernichtung der Lannister- und Tarly-Armeen war sicherlich eine Machtdemonstration, zugleich sind die Tatsächlichen Errungenschaften aber überschaubar. Das Gold ist bereits in King’s Landing und auf die Nahrungslieferungen, die Drogon anzündet, ist Daenerys ebenso angewiesen wie Cersei. Mehr noch, wenn Jaime und Bronn überleben (wovon wohl auszugehen ist), dann haben sie erlebt, dass die Drachen trotz all ihrer Macht verwundbar sind. Wie ich in der Einleitung bereits schrieb: Im Grunde handelt es sich auch bei dieser Schlacht um verhältnismäßig aufwändiges Vorgeplänkel, das recht vorhersehbar bleibt. Die Inszenierung ist allerdings vorzüglich gelungen: Vor allem durch die Umgebung wird eine äußerst effektive Westernatmosphäre geschaffen; die Parallele zwischen angreifenden Indianern und den Dothraki dürfte wohl kaum zufällig sein. Sehr schön ist auch der innere Konflikt Tyrions, der mitansehen muss, wie die Truppen seines eignen Hauses, inklusive seines Bruders, eine fatale Niederlage erleiden. Abermals muss ich auch Ramin Djawadi komplementieren, der die Schlacht und die inneren Konflikte durch die Musik exzellent ausdrückt – The Rains of Castamere muss noch öfter in den Action-Modus.

Fazit: „The Spoils of War“ bietet ein fantastisch inszeniertes Mid-Season-Finale, das jedoch versucht, als weitaus bedeutender wahrgenommen zu werden, als es eigentlich ist – es sei denn, Jaime und Bronn saufen tatsächlich ab.

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Siehe auch:
Dragonstone
Stormborn
The Queen’s Justice

Valerian – Die Stadt der tausend Planeten

valerian
Story:
Valerian (Dane DeHaan) und Laureline (Cara Delevingne) sind im 28. Jahrhundert Top-Agenten der menschlichen Territorien. Sie erhalten den Auftrag, auf dem Wüstenplaneten Kyrion einen Transmutator, das letzte Exemplar seiner Spezies, das jeden Gegenstand vervielfältigen kann, ausfindig zu machen, was ihnen auch gelingt. Sie bringen den Transmutator nach Alpha, der sog. „Stadt der tausend Planeten“, einer Raumstation, auf der Millionen Vertreter diverser unterschiedlicher Spezies leben. Schon bald müssen sie jedoch erkennen, dass ihr Vorgesetzter General Filitt (Clive Owen) in ein Komplott verwickelt ist, das mit der Zerstörung des Planeten Mül zusammenhängt. Die letzten Überlebenden von Mül setzen alles daran, Filitt und den Transmutator in die Hände zu bekommen…

Kritik: So wie es aussieht ist „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“, der neueste Film von Luc Besson, der große Flop dieses Jahres. Das ist schon allein deshalb schade, weil es nicht allzu viele unabhängig finanzierte, europäische Science-Fiction-Filme gibt – ich hätte „Valerian“ durchaus Erfolg gegönnt, schon allein, um noch mehr europäische Genre-Filme zu bekommen. Wie dem auch sei, dieser Film ist, was ich als „beauiful mess“ beschreiben würde. Mir sind schon einige Kritiken über den Weg gelaufen, die „Valerian“ auf eine Stufe mit „Jupite Ascending“ stellen und ihn wirklich zu hassen scheinen. Während „Valerian“ einige wirklich massive Schwächen hat, mag ich diese gloriose Fehlkalkulation irgendwie – ein typischer Fall von Guilty Pleasure.

Beginnen wir bei den Schwächen. Dazu zählen primär die Story und die beiden Hauptfiguren bzw. ihre Darsteller. Bei „Valerian“ handelt es sich um die Adaption einer französischen Comicserie aus den 60ern mit dem Titel „Valérian et Laureline“ (auf Deutsche „Valerian und Veronique“), geschrieben von Pierre Christin und Jean-Claude Mézières; mit Letzterem arbeitete Besson nicht nur an dieser Comicadaption, sondern auch an „Das fünfte Element“ zusammen. Da ich „Valérian et Laureline“ nie gelesen habe, weiß ich nicht, wie genau der Film der Vorlage folgt, allerdings fühlt er sich in mancher Hinsicht ziemlich „altbacken“ an. Es mag sein, dass der Plot des Comics, auf dem dieser Film basiert, in den 60ern neu und aufregend war, aber wie so oft gibt es Abnutzungserscheinungen. Tatsächlich gibt es einige Parallelen zu „Avatar“, primär die oft als problematisch wahrgenommenen „White-Savior-Narrative“. Vielleicht soll „Valerian“ aber auch ein satirischer Kommentar auf eben dieses Konstrukt sein, denn die „edlen Wilden“ dieses Films sind tatsächlich weißer als die Protagonisten. Wenn dem so war, war es den meisten Zuschauern wohl zu subtil. Für mich weitaus schwerer wiegen die eher umständliche Erzählweise und die unelegante Plotkonstruktion. Und dann sind da noch die beiden Protagonisten. Auch hier gilt, ich weiß nicht, wie die beiden in der Vorlage charakterisiert werden, aber man merkt, welche Archetypen Luc Besson darstellen wollte. Die Betonung liegt hier auf wollte, denn weder Dane DeHaan noch Cara Delevingne werden den Anforderungen gerecht. Vor allem DeHaan nimmt man den Han-Solo- oder Starlord-artigen Protagonisten und Weiberhelden einfach nicht ab, und die Chemie, die zwischen ihm und Delevingne herrschen sollte, ist nicht wirklich vorhanden. Auch sonst ist die Darstellerriege eher durchwachsen – Besson war selten ein Regisseur, der das Allerbeste aus seinen Schauspielern herauskitzeln konnte.

Was für „Valerian“ spricht, ist die schiere, visuelle Kreativität, die hier an den Tag gelegt wird. Letztendlich ist Bessons Film ein sehr eindeutiger Fall von „style over substance“, aber was für einer; hier finden sich mehr Opulenz und kreative Einfälle als in den gesamten Blockbustern der letzten Jahre. Schon die Eingangssequenz, in der wir erleben, wie die Raumstation Alpha langsam zur Stadt der tausend Planeten wird, ist brillant, ebenso wie der mehrdimensionale Markt auf Kyrion und natürlich die späteren Eindrücke von Alpha. Allerdings offenbart sich in diesem Zusammenhang ein weiteres Problem: Man wird das Gefühl nicht los, auf Alpha gäbe es noch weitaus interessantere Abenteuer als das, das gerade von Valerian und Laureline durchlebt wird. Dennoch weiß „Valerian“ auf visueller Ebene absolut zu überzeugen; in Zeiten, in denen große Blockbuster immer grauer und farbloser werden, ist Bessons optische Opulenz eine angenehme Abwechslung. Wenn schon CGI-Overkill, dann doch bitte so.

Ebenfalls sehr angenehm ist die Art und Weise, wie sich der Film selbst ernst nimmt. Während es durchaus (mal mehr, mal weniger funktionierenden) Humor gibt, fehlen die heute oft obligatorischen Metaanspielungen und das Augenzwinkern. Eigentlich stehe ich ja auf beides, aber auch hier gilt: Abwechslung ist der Schlüssel. Hin und wieder ist auch nett, wenn die Helden den größten Absurditäten mit stoischer Gelassenheit entgegenblicken, ohne dabei einen selbstironischen Kommentar abzulassen. Trotz seiner vielen Schwächen bekommt „Valerian“ gerade dadurch eine naive Authentizität, die selten geworden ist. Der Score von Alexandre Desplat schließlich ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben und dürfte auf meiner Jahresbestenliste ziemlich weit vorne landen.

Fazit: „Valerian – Die Stadt der tausend Planeten“ ist beileibe kein guter, aber ein unterhaltsamer und visuell brillanter Film – ein Guilty Pleasure erster Güte.

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Trailer

GoT: The Queen’s Justice

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„The Queen’s Justice“ ist mal wieder ein schöner, mehrdeutiger Titel für die erste Episode dieser Staffel, die den Status Quo wirklich nachhaltig verändert. Wie schon in vorangegangenen Folgen werden Cersei und Daenerys abermals einander gegenübergestellt und durch ihr Verhältnis zu Gerechtigkeit weiter charakterisiert. Ich möchte auch noch einmal betonen, dass die Episodenstruktur und -dramaturgie dieser Staffel bislang exzellent ist. Obwohl gerade in dieser dritten Episode wirklich sehr viel Bedeutendes passiert, hat man nie wie manchmal in vorangegangenen Staffeln das Gefühl, man schaue gerade eine extrem hochwertig produzierte Clipshow.

Dragonstone
Auf Dragonstone kommt es zu dem Treffen, auf das die GoT-Fangemeinde bereits seit langem wartet: Jon Snow begegnet Daenerys Targaryen. Zuerst einmal wird er jedoch am Strand von Missandei und Tyrion empfangen. Der König des Nordens und die Hand sinnieren kurz über den Weg, den sie zurückgelegt habe, seit sie sich das letzte Mal gesehen haben. Ähnlich geht es Davos, der Dragonstone kaum wiedererkennt. In einem kurzen Intermezzo kündigt Melisandre an, dass sie Dragonstone verlassen wird, da sie sich im Schlechten von Jon getrennt hat. Ganz auf die für sie typische Art lässt sie dann gegenüber Varys noch eine ominöse Prophezeiung los, derzufolge sowohl sie als auch er in Westeros sterben werden.

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Jon (Kit Harrington) und Tyrion (Peter Dinklage), nach so vielen Staffeln wieder vereint. Im Hintergrund: Missandei (Nathalie Emmanuel) und Ser Davos (Liam Cunningham). Quelle.

Das eigentliche Treffen zwischen der Königin mit den vielen Titeln und dem König des Nordens verläuft in etwa so, wie man das erwarten würde. Beide Monarchen sind geprägt von ihren Erfahrungen und trauen dem anderen nicht. Daenerys verlangt, dass Jon das Knie beugt, Jon findet die Kriege im Süden angesichts der Bedrohung aus dem Norden kindisch. Der Dialog mag vorhersehbar sein, ist aber essentiell und kann im Grunde gar nicht anders verlaufen, da sich sonst beide Figuren völlig out of character verhalten würden. Ein wenig Rekapitulation lässt sich ebenfalls nicht vermeiden: Sowohl Jon als auch Daenerys sind nun einmal die Abkömmlinge zweier alter Adelsfamilien mit einer langen, verknüpften Geschichte. Schon am Anfang ist klar, dass dieses Gespräch zu keinem Ergebnis führen wird und vielleicht sogar höchst unangenehm enden könnte. Die Nachrichten, die Varys von der Eisernen Flotte bringt (wir erinnern uns an das Finale von Episode 2), verhindern das jedoch. Interessanterweise scheint Tyrions Brief, der inhaltlich nicht ganz dem Diktat der Königin entsprach, zumindest vorerst keine weiteren Folgen zu haben. Stattdessen versucht der Gnom, die schier unüberwindlichen Differenzen zumindest ansatzweise zu überbrücken und eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Die Drachenglasvorräte auf Dragonstone drängen sich da natürlich auf; Daenerys lässt sich breitschlagen, sodass Jon sie abbauen kann. Im Vergleiche zur angespannten Atmosphäre im Thronsaal ist die zweite Jon/Daenerys-Szene fast schon jovial. Fast.

King’s Landing
In King’s Landing zeigt Cersei mal wieder, was für eine ausgeglichene, moralisch gefestigte Frau sie doch ist. Euron bringt die Kriegsgefangenen zu seiner Königin, die seinen Antrag annimmt – sobald der Krieg gewonnen ist. Das ist ein typisches Cersei-Manöver: Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie keinerlei Absicht hegt, Euron tatsächlich zu ehelichen. Entweder er macht es ihr leicht und stirbt bereits während des Krieges, oder aber er überlebt, nur um dann von Cersei vergiftet zu werden. Natrülich ist Euron seinerseits nicht der vertrauenswürdigste Zeitgenosse, wer weiß, was er im Schilde führt.  Derweil merkt man Jaime an, dass er mit der Situation zunehmend unzufriedener wird, besonders, wenn Euron auch noch anzüglich stichelt. Bereits im Vorfeld der Staffel wurde fast schon angekündigt, dass Euron gewissermaßen der Ersatz für Ramsay ist. Zwar kann er sich noch nicht so vieler Verdienste rühmen, aber er arbeitet sich konstant nach oben und pflegt sein Image als anzüglicher Barbar. Wenn ich raten müsste, würde ich sagen, dass wir von Euron in dieser Staffel noch einige Gemeinheiten erwarten dürfen. Gleichzeitig entfernt er sich so immer weiter vom Euron George R. R. Martins – ich weiß, ich wiederhole mich, ich wollte es aber noch einmal hervorheben.

In der folgenden Szene erfahren wir, wie Cersei Gerechtigkeit versteht: Sie tut Ellaria dasselbe an, das Ellaria ihr angetan hat. Tyene wird mit demselben Gift vergiftet, mit dem Myrcella vergiftet wurde. Damit sind die Sandschlangen (und die Dornischen insgesamt?) wohl endgültig Geschichte, besonders, da Indira Varma, Ellarias Schauspielerin, bestätigt hat, dass sie in der Serie wohl nicht mehr zu sehen sein wird. Damit ist der vielleicht unrühmlichste Handlungsstrang der Serie zu Ende – und nach wie vor ist es wirklich schade, dass eine so interessante Region wie Dorne durch schlechte Adaption derart verhunzt wurde.

„The Queen’s Justice“ beantwortet auch eine weitere Frage, die man sich als Zuschauer (vielleicht) seit einiger Zeit stellt: Läuft da eigentlich noch etwas zwischen Cersei und Jaime? Ja, da läuft noch etwas, auch wenn Jaime (in letzter Zeit grundsätzlich) eher unwillig ist. Cersei hat inzwischen keinerlei Hemmungen mehr, das Verhältnis für alle sichtbar weiterzuführen – die Königin tut, was sie will, abermals im Kontrast zu Daenerys, die tun möchte, was für das Volk am besten ist.

Im Anschluss gibt es noch ein Wiedersehen mit einem alten Bekannten, nämlich dem von Mark Gatiss gespielten Tycho Nestoris, der für die Eiserne Bank von Braavos spricht. Das Gespräch verläuft sehr ähnlich wie vorangegangene Dialoge zwischen ihm und Vertretern der Krone bzw. des Hauses Lannister. Das interessanteste Ergebnis dieses Austauschs dürfte der Umstand sein, dass Tycho in King’s Landing bleibt – je nach dem könnte das unangenehm für ihn enden.

Winterfell

bransa

Im Norden sehen wir, dass Sansa gar nicht so übel im Regieren ist. Eine kleine Andeutung in einem Nebensatz sorgt schon wieder für massive Spekulationen: Wolkan (Richard Rycroft), der neue Maester von Winterfell erklärt, er werde die Korrespondenzabschriften von Maester Luwin zurate ziehen. Schon ist das Fandom am Spekulieren, was er dort wohl finden wird. Das zentrale Element dieser Szene ist freilich die erste (und wohl nicht letzte) Stark Wiedervereinigung dieser Staffel: Bran kommt in Winterfell. Erst jetzt, im Kontakt mit „normalen Menschen“ fällt auf, wie sehr ihn seine Erlebnisse gezeichnet haben und wie stoisch er geworden ist. Besonders seine Worte im Götterhain sind da etwas grenzwertig in ihrem Mangel an Fingerspitzengefühl, man versteht gut, weshalb sie Sansa verstören.

Oldtown
In der Citadel erfährt Sam, dass die Operation an Ser Jorah erfolgreich war. Vielleicht liegt es nur an mir, aber mir kommt das ganze etwas zu einfach vor, aller Beteuerungen von Erzmaester Ebrose zum Trotz. Gerade an dieser Stelle zeigt sich wieder sehr gut, warum sich die späteren GoT-Staffeln nicht mehr unbedingt wie George R. R. Martins Geschichte anfühlen. Derartige Errungenschaften und, in Ermangelung eines besseren Wortes, Siege erschienen mir in den Romanen immer weitaus verdienter. Natürlich, die Serie hat weniger Zeit, so etwas zu vermitteln und gerade jetzt versuchen Benioff und Weiss, mit großen Schritten voranzuschreiten, aber dennoch. Davon abgesehen hat auch weiterhin jede Szene mit Sam und Ebrose eine ziemlich potterartige Atmosphäre.

Krieg im Süden
Wie schon in der letzten Episode geht’s auch im Finale von „The Queen’s Justice“ ordentlich zur Sache. Zwar beginnt es auf Dragonstone mit einem Monolog Tyrions, aber letztendlich ist das Ende der Episode so ineinandergeschnitten, dass ich es separat behandle. Mit den Worten des Gnoms unterlegt sehen wir, wie sich sein Plan entfaltet und die Unbefleckten Casterly Rock erobern. Den Stammsitz der Lannisters sehen wir hier zum ersten Mal in der Serie. Leider muss ich sagen, ich bin etwas enttäuscht, der Rock sieht verhältnismäßig gewöhnlich aus. In Martins „The World of Ice and Fire“ sind die Beschreibungen weitaus grandioser, dort ist Casterly Rock nicht einfach nur eine Burg auf einem Felsen, sondern eine Burg, die praktisch aus dem Felsen herausgehauen wurde und darüber hinaus die einzige von Westeros ist, die mit Harrenhall konkurrieren kann.

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Die Unbefleckten greifen Casterly Rock an (Quelle).

Tyrions Plan gelingt zwar, aber schnell erweist sich, dass er und Daenerys in eine Falle getappt sind: Eurons Flotte verbrennt die restlichen Schiffe der Targaryen, während die Lannister-Armee in aller Ruhe Highgarden erobert, das in der Serie ebenfalls ein wenig langweiliger wirkt als in der Vorlage (wo sind die Heckenlabyrinthe?). Die Szene an sich sagt mir aber sehr zu, schon allein wegen des massiven Einsatzes von The Rains of Castamere. Damit sind nach den Martells nun auch die Tyrells Geschichte, auch wenn Lady Olenna noch einen allerletzen Trumpf im Ärmel hat. Bereits nachdem sie das für ihre Hinrichtung vorgesehene Gift getrunken hat, gesteht sie Jaime süffisant, dass sie Joffrey ermordet hat und höhlt seinen Sieg auf diese Weise aus. Wir werden dich vermissen, Lady Olenna.

Fazit: „The Queen’s Justice“ ist die bisher beste und ereignisreichste Folge der siebten Staffel. Ich habe jedoch den leisen Verdacht, dass das nicht so bleiben wird.

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Siehe auch:
Dragonstone
Stormborn

Aktuell: Hemator zum Hören

Wer einmal meine Stimme hören möchte, kann das jetzt tun. Radio Fritz interviewt im Rahmen der Sendung „Trackback“ jede Woche einen anderen Blogger, wobei jeder interviewte Blogger seinen Nachfolger nominieren muss. Die Singende Lehrerin hat mich nominiert und ich wurde erfolgreich per Telefon interviewt. Ich bin ja eher ein Schreiber als ein Redner, dementsprechend viele „Ähs“ (besser: viel zu viele) kommen am Anfang auch vor. Primär konzentriert sich das Interview auf Filmmusik (sofern man das in aller Kürze gebührend besprechen kann) und den Mangel an Wertung bei meinen Artikeln. Die Frage zu meiner Artikelreihe „Lovecrafts Vermächtnis“ wurde leider rausgekürzt – ausgerechnet da habe ich (zumindest meinem Empfinden nach) meine beste und eloquenteste Antwort völlig ohne „Ähs“ gegeben. Nun ja, wie die meisten Menschen höre auch ich meine eigene Stimme nicht besonders gerne, aber immerhin war ich halbwegs erfolgreich dabei, den Dialekt rauszutilgen. Wer mich hören will, kann das hier tun.

Dunkirk

dunkirk
Story:
Wir schreiben das Jahr 1940, die Wehrmacht überfällt Frankreich und tausende britischer Soldaten, darunter der junge Tommy (Fionn Whitehead) sind in der französischen Hafenstadt Dünkrichen eingeschlossen. Da Churchill die Soldaten zur Verteidigung des britischen Festlandes braucht, wird eine großangelegte Rettungsaktion gestartet, an der nicht nur militärische Schiffe, sondern auch tausende von zivilen Seevehikeln teilnehmen. Mister Dawson (Mark Rylance), sein Sohn Peter (Jack Lowden) und eine Junge namens George (Barry Keoghan) machen sich auf, um an der Aktion teilzunehmen und ziehen bereits auf dem Weg einen Soldaten (Cillian Murphy) aus dem Wasser. Derweil kommt die größte Bedrohung aus der Luft: Mit den Kampfpiloten der Deutschen muss sich der Pilot Farrier (Tom Hardy) auseinandersetzen, sonst droht die Mission zu scheitern…

Kritik: Kritiker (und da schließe ich mich ein) sind sehr schnell dabei, Klischees zu verurteilen. Wenn es allerdings an erzählerische und sonstige filmische Konventionen geht, sieht die Situation anders aus. Mit „Dunkirk“ versuchte Christopher Nolan scheinbar, sowohl gegen Klischees als auch gegen Konventionen vorzugehen. In mancher Hinsicht sticht Nolans neuestes Werk somit stark aus seinem Œuvre heraus, in anderen Aspekten passt es vorzüglich zu den bisherigen Filmen. Ein Nolan’sches Markenzeichen, das in „Dunkirk“ beispielsweise völlig fehlt, sind die ausufernden, man möchte manchmal fast schon sagen: plakativen philosophischen Dialoge. Tatsächlich sind Dialoge generell selten – „Dunkirk“ ist ein sehr visueller Film, der fast alles über die Optik und den Score vermittelt (dazu später mehr). Das Genre unterscheidet sich ebenfalls, da Nolan sich bisher vor allem in geringfügig futuristischen Räumen bewegte, die meisten Nolan-Filme der letzten Jahre waren Sci-Fi-Thriller; selbst „The Prestige“ passt auf gewisse Weise in dieses Muster. „Dunkirk“ dagegen ist ein historischer Kriegsfilm.

Dennoch muss man nicht allzu lange suchen, um Parallelen zu bisherigen Nolan-Filmen zu finden. Das Thema „Zeit“, das den Regisseur wohl einfach nicht loslässt, ist in „Dunkirk“ stets präsent. Damit einher geht eine nonlineare Erzählstruktur, die für etwas Verwirrung sorgen könnte, wenn man nicht ganz genau aufpasst oder sich vorher informiert hat: Die Evakuierung Dunkirks wird nicht nur aus drei verschiedenen Perspektiven gezeigt – vom Land aus mit Tommy, von der See aus mit Mister Dawson und den beiden Jungen und von der Luft aus mit Farrier – jeder dieser drei Handlungsstränge erstreckt sich über unterschiedliche Zeitabschnitte. Tommy verbringt eine Woche am Strand, die Bootsreise von England nach Frankreich dauert etwa einen Tag und Farrier ist gerade einmal eine Stunde in der Luft; da die Handlungsstränge allerdings ineinandergeschnitten sind, wird das nicht wirklich deutlich.

Ein weiteres Nolan-Markenzeichen ist die Tendenz, eher Filme über Konzepte als über Figuren zu drehen. Zumindest für mich wird diese Tendenz in Nolans Werk immer stärker, gerade wenn man beispielsweise „Batman Begins“ mit „The Dark Knight Rises“ vergleicht – Ersterer ist weitaus figurenorientierter, während Letzterer sich eher um Konzepte und Themen kümmert, was den Figuren oft zum Nachteil gereicht. „Dunkirk“ ist der Höhepunkt dieser Tendenz, denn der Zuschauer erfährt so gut wie nichts über die handelnden Akteure des Films. Mir scheint es, als wolle Nolan sein Publikum emotional direkt in den Film werfen, anstatt es mit den Charakteren mitfiebern zu lassen. So ganz ohne Figuren geht es dann natürlich auch nicht, aber sie bleiben fast ausschließlich völlig leere Projektionsflächen; lediglich die Figuren des Handlungsstranges auf See sind minimal besser ausgearbeitet. Wenn es so etwas wie einen emotionalen Kern des Films gibt, dann ist es Mark Rylance als Mister Dawson.

Ob „Dunkirk“ somit funktioniert, hängt letztendlich davon ab, ob der Zuschauer sich so direkt in den Film werfen lässt: Rein technisch und logistisch ist der Film brillant, was Nolan da auffährt ist höchst beeindruckend. Wie üblich arbeitet er so wenig mit CGI wie möglich, was man auch deutlich merkt, alles wirkt authentisch und intensiv. Dennoch geht Nolans Ansatz für mich nicht wirklich auf, da ich nun mal doch ein sehr figurenfixierter Zuschauer bin und die meisten von ihnen kaum greifbar sind. Darsteller wie Kenneth Branagh oder Cillian Murphy schaffen da natürlich ein wenig Abhilfe, man kennt sie eben, aber gerade Tommy, der ja nominell die Hauptfigur ist, bleibt völlig undefiniert und befindet sich die meiste Zeit über in Gesellschaft anderer junger Soldaten, die alle genauso aussehen wie er. Noch stärker ist dieser Mangel an Identität bei den Deutschen, die völlig gesichtslos bleiben und von denen meistens nur als „der Feind“ gesprochen wird. Lediglich in einer einzigen Szene tauchen sie auf und sind dort auch nur verschwommen zu sehen.

Der Score von Hans Zimmer macht das leider nicht besser. Auch diesbezüglich ist „Dunkirk“ der Höhepunkt einer Tendenz im Werk des Komponisten, denn im Gegensatz zu dem, was er für Christopher Nolan hier komponiert hat, ist selbst „Batman v Superman: Dawn of Justice“ fast noch melodisch. Wie der Film selbst nimmt auch die Musik so gut wie keine Rücksicht auf die Figuren oder ihre Emotionen, stattdessen dient der Score nur einem einzigen Zweck: Die Anspannung noch zu fördern. Das Mittel der Wahl ist dabei, neben dem obligatorischen, durch Elektronik zum Teil bis zur Unkenntlichkeit manipulierten Orchester und dem Ticken einer Uhr, die sog. „Shepard-Skala“, eine Illusion bestehend aus übereinandergelegten Tonfolgen, die für den Hörer klingt, als würde sie beständig ansteigen, ohne dabei den hörbaren Bereich zu verlassen. Zu Anfang funktioniert das auch halbwegs gut, aber mit der Zeit wird der Score unglaublich anstrengend. Mein Hauptproblem dabei ist dasselbe, das ich mit vielen anderen Scores habe, die primär auf Sounddesign ausgelegt sind: Im Grunde sind die Stücke ziemlich austauschbar, kaum etwas verbindet sie mit den dazugehörigen Szenen. Fast jeder Track in „Dunkirk“ ist gleich aufgebaut: Es wird eine kurze musikalische Figur vorgestellt, die dann ad infinitum wiederholt wird, gerne unter Verwendung der oben beschriebenen Shepard-Skala. Selbst in geringeren Dosen hätte das noch funktionieren können, aber der Score füllt fast den ganzen Film, es gibt kaum Stille und irgendwann nervt er einfach nur noch. Interessanterweise stammen die wenigen Stücke, die tatsächlich melodisch sind, nicht von Zimmer, es handelt sich um eine von Benjamin Wallfisch bearbeitete Version des Stückes Nimrod von Edward Elgar, die etwas nach Vangelis klingt. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass das Soundtrack-Album losgelöst vom Film ziemlich unhörbar ist.

Fazit: „Dunkirk“ ist ein höchst unkonventioneller Film, was ihn in gleichem Maße interessant wie anstrengend macht. Auf technischer Ebene ist Nolans neuestes Werk brillant, aber mehr noch als jeder andere Film seines Œuvres stehen bei „Dunkirk“ nicht Figuren, sondern Konzepte im Zentrum. Konventionelle Figurenzeichnung ist so gut wie überhaupt nicht vorhanden, da Nolan ein direktes Erlebnis möchte, doch gerade das sorgt dafür, dass es zumindest mir schwer fällt, mich auf den Film über die visuelle und technische Eben hinaus einzulassen.

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