Na gut, der Titel dieses Artikels ist vielleicht ein bisschen reißerisch. Zwar hat sich George R. R. Martin früher auch als Horror-Autor betätigt, zum Beispiel mit dem Vampirroman „Fevre Dream“ oder der Werwolfnovelle „Skin Trade“, meines Wissens nach hat er allerdings nie eine Geschichte zum Cthulhu-Mythos beigesteuert (mit Ausnahme eines nicht ganz ernst gemeinten Eintrags auf seinem Blog, in dem er Jaime Lannister mit Cthulhu kämpfen ließ). Auch stilistisch und thematisch ist Martin weit von Lovecraft entfernt. Hier könnte ich natürlich jetzt die großen, massiven Unterschiede auffahren (Lovecraft benutzte meistens einen intradiegtischen (bzw. Ich-)Erzähler und gestaltete seine Geschichten oft als Berichte, während Martin mit einem sehr figurennahen extradiegetischen Erzähler arbeitet und sehr szenisch beschreibt), aber oftmals sind die kleinen Details weitaus interessanter. Nehmen wir die Nahrungsaufnahme: Lovecraft war bezüglich der Details ein Minimalist und schnitt meistens alles aus der Geschichte heraus, das keine unmittelbare Auswirkung auf den Handlungsverlauf hat. Nahrungsaufnahme zählt dazu; in fast keiner Lovecraft-Geschichte wird gegessen, lediglich in „The Shadow over Innsmouth“ gibt es tatsächlich einmal eine explizit erwähnte Mahlzeit. Martin dagegen beschreibt die Festmähler und Gelage der Welt von Eis und Feuer sehr ausführlich – so ausführlich, dass die Foodbloggerinnen Chelsea Monroe-Cassel und Sariann Lehrer schon vor einiger Zeit ein passendes (und sehr zu empfehlendes) Kochbuch veröffentlichten.

Wer sich jedoch Martins Welt von Eis und Feuer ein wenig im Detail anschaut, wird dennoch Spuren von und Hommagen an Lovecraft darin finden, die deutlich machen, dass auch Martin ein weiterer Fan und Bewunderer des Schriftstellers aus Providence ist. Die offensichtlichste Anspielung ist der Drowned God der Iron Islands. In mancher Hinsicht gleichen die plündernden Bewohner der Iron Islands den Wikingern, mit deren Religion haben sie allerdings nur den Umstand gemein, dass ihr Gott sie dazu auffordert, in die Schlacht zu ziehen und zu plündern und zu morden. Ansonsten hat besagter Drowned God allerdings mit Odin nichts zu tun und erinnert eher an Cthulhu. Die Krakenassoziation ist durch das Wappen der Greyjoys gegeben, und dann ist da noch der Standardspruch seiner Priester: „What is dead may never die, but rises again, harder and stronger.“ Bis zum Zweizeiler aus dem Necronomicon ist es da nun wirklich nicht mehr weit: „That is not dead which can eternal lie, / And with strange aeons even death may die.“
Im Bezug auf die Gottheiten von Westeros und Essos ist das jedoch noch nicht alles: Die Idee des kosmischen Horrors ist durchaus eine, die Martin immer wieder subtil einfließen lässt. Diverse Figuren ringen mit der Idee, dass die Menschen lediglich Spielbälle der Götter sind, so diese denn existieren. Die Fähigkeiten etwa, die der Herr des Lichts verleiht, bleiben für alle, die nicht zu seinem Kult gehören, fremdartig und verstörend. Auch die Weißen Wanderer passen zu dieser Thematik, sie ebenfalls fremdartig und (zumindest bislang) jenseits des Verständnisses ihrer Feinde. Während in „Game of Thrones“ sogar zu sehen war, wie die Kinder des Waldes den ersten Wanderer erschaffen, um gegen die Ersten Menschen bestehen zu können, ist ihre Herkunft in den Romanen bislang noch völlig ungeklärt, was die Bedrohung, die von ihnen ausgeht, umso erschreckender macht.

Weitere subtile Hommagen an Lovecraft und den weiteren „Cthulhu-Mythos“ finden sich vor allem in Details und Hinweisen, die primär in „The World of Ice and Fire“ aufgegriffen und vertieft werden. So gibt es auf Pyke und in Oldtown Spuren alter, vielleicht sogar vormenschlicher Zivilisationen. Die Iron Islands werden vom Meersteinstuhl aus regiert, einem mysteriösen Sitz aus öligem, schwarzem Stein, der bereits auf Pyke war, als Menschen die Insel zum ersten Mal betraten. Die Beschreibung des Gesteins erinnert ein wenig an R’yleh, die versunkene Stadt Cthulhus. In Westeros und jenseits davon gibt es noch weitere, ähnliche Monumente, etwa in Oldtown, wo sich eine merkwürdige Labyrinthfestung findet, die als Fundament des Hightower dient. Niemand weiß, was es mit diesem Labyrinth auf sich hat, aber ein Maester namens Theron, der von den Iron Islands stammt, vermutet, dass es eine Verbindung zwischen dem Meersteinstuhl und dem Labyrinth gibt und dass „Deep Ones“, Mischwesen aus Menschen und Kreaturen der Tiefe, für die Errichtung verantwortlich sein könnte. Der Lovecraft-Fan fühlt sich natürlich sofort an „The Shadow over Innsmouth“ erinnert. Weit im Osten finden sich ebenfalls Vorkommnisse dieses schwarzen Gesteins: Auf einer der Basiliskinseln existiert die Statue einer Kröte (evtl. eine Anspielung an Tsathoggua und Robert E. Howards Geschichte „The Black Stone“) und weit im Osten liegt die mysteriöse und berüchtigte Stadt Asshai, ebenfalls aus schwarzem Stein errichtet. Und schließlich wäre da noch die Dschungelstadt Yeen auf dem südlichen Kontinent Sothoryos, wo der Legende nach uralte, unverständliche Übel lauern.
Ebenfalls im Südosten liegt Leng, das beim kundigen Lovecraft-Leser sofort die Alarmglocken läuten lässt: Die Hochebene von Leng, beschrieben in Abdul Alhazreds Necronomicon, taucht in vielen Lovecraft-Geschichten auf, wird aber nie einheitlich verortet. „The Hound“ zufolge findet sich Leng in Asien, in „At the Mountains of Madness“ glaubt der Erzähler, Leng in der Antarktis gefunden zu haben und in „The Dream-Quest of Unknown Kadath“ ist Leng Teil der Traumlande. Bei Martin findet sich Leng als Insel im Süden von Essos, in dessen Ruinen früher „Old Ones“, alte, vergessene Götter gehaust haben sollen – klingt irgendwie vertraut. Und dann wäre da noch, ebenfalls in Essos, die Stadt Carcosa, die von einem „gelben Kaiser“ beherrscht wird – eine Hommage an Robert W. Chambers und seine Kurzgeschichtensammlung „The King in Yellow“.
Lovecrafts Vermächtnis:
Der Cthulhu-Mythos
Nathaniel
Dagon
Die Opferung
Das Alien-Franchise
Revival
Siehe außerdem:
The World of Ice and Fire