Spider-Man: Homecoming

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Story: In Deutschland im Einsatz hat Peter Parker (Tom Holland) als Spider-Man Blut geleckt und hofft nun auf eine Karriere als Avenger, hat er doch jetzt einen professionellen Anzug, ausgestattet mit allem, was man sich so wünschen kann, und in Tony Stark (Robert Downey jr.) zumindest theoretisch einen Mentor. Dieser empfiehlt ihm allerdings, sich erst einmal um „Kleinkram“ zu kümmern und sich von den großen Sachen fernzuhalten. Natürlich gibt es da durchaus auch das eine oder andere halbwegs alltägliche Teenagerproblem: Peters Freund Ned (Jacob Batalon) findet heraus, dass Peter heimlich ein Superheld ist und sein Schwarm Liz (Laura Harrier) interessiert sich viel mehr für Spider-Man als für ihn. Eine größere Herausforderung kommt schließlich in Gestalt von Adrian Toomes (Michael Keaton), der sich der technologischen Überbleibsel diverser Auseinandersetzungen wie der Schlacht um New York bemächtigt und daraus neue Waffen baut, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verhökern….

Kritik: Die meisten fortlaufenden Superheldencomicserien arbeiten mit Handlungsbögen, die sich meistens über vier bis sechs Hefte erstrecken. Immer mal wieder gibt es dann dazwischen Einzelhefte, die eher Füllmaterial sind und dem Leser die Möglichkeit geben, zwischen größeren Ereignissen Luft zu holen, da sie nichts Nennenswertes beisteuern. „Spider-Man: Homecoming“ ist das MCU-Äquivalent eines derartigen Einzelhefts. In mancher Hinsicht ist das erfrischend, sowohl im Kontext des MCU als auch im Rückblick auf die bisherigen Spider-Man-Filme. Wir haben nun wirklich oft genug gesehen, wie ein Superschurke versucht, eine Stadt oder gleich die ganze Erde zu vernichten – selbst bodenständigere Helden wie Batman oder eben Spider-Man hatten zumindest mit Ersterem schon mehrfach alle Hände voll zu tun.

Rein formal bzw. technisch gibt es an „Homecoming“ relativ wenig auszusetzen, der Film ist stringent konstruiert, humorvoll, unterhaltsam, die Darsteller sind durch die Bank gut bis sehr gut und der Film fügt sich recht harmonisch ins MCU ein (mit Ausnahme der Jahresangabe, die nicht ganz passen kann). Zwar bringt es das MCU als solches nicht weiter und fügt ihm auch nichts Signifikantes hinzu, aber das ist etwas, das ich diesem Film nicht zum Vorwurf machen möchte. Sein Hauptproblem würde ich mit „Mangel an Intensität“ umschreiben. Eines der Hauptanliegen von Sony und Disney war wohl, die Fehler der vorangegangenen Spider-Man-Filme nicht zu wiederholen. Beliebte Kritikpunkte sind zum Beispiel „zu überladen“, „zu viele Schurken“ oder „schon wieder die Thematisierung der Origin-Story und Motivation“. All dem geht „Homecoming“ mehr oder weniger geschickt aus dem Weg, gleichzeitig scheint es jedoch, als hätten Regisseur Jon Watts und seine fünf(!) Co-Autoren über diesem Vorhaben vergessen, dem Film auch tatsächlich Substanz und emotionale Tiefe zu verleihen.

Im romantischen Bereich ist das weniger tragisch. In jedem bisherigen Spider-Man-Film war der romantische Subplot stets von großer Wichtigkeit und bildete zumeist ein, wenn nicht sogar das emotionale Zentrum des Films. Mary Jane und Gwen waren jeweils DIE Frau für Peter, DIE große Liebe, da tut ein wenig Abwechslung gut. „Homecoming“ schildert diesbezüglich lediglich zaghafte erste Schritte, eben eine High-School-Beziehung. So weit so gut.

Aber auch sonst steht in „Homecoming“ extrem wenig auf dem Spiel. Wie oben gesagt brauche ich keine Städte, die in Schutt und Asche gelegt werden, aber ein gewisses Maß an emotionaler Involvierung sollte gewährleistet sein. Das kann zum Beispiel erreicht werden, in dem man eine persönliche Beziehung zwischen Held und Schurke aufbaut. Wenn wir uns für einen Moment an Sam Raimis ersten Spider-Man-Film erinnern: Im Finale stehen sich nur noch Peter und Norman Osborn gegenüber. Die Leben Unschuldiger stehen nicht mehr auf dem Spiel, aber wir sind als Zuschauer trotzdem noch involviert, weil die Konfrontation eine sehr persönliche ist – der Film hat ausreichend Zeit in die Beziehung von Peter und Norman investiert. Etwas Derartiges fehlt in „Homecoming“, und das ist besonders schade, weil die Anlagen dafür vorhanden sind. Michael Keatons Adrian Toomes ist gezielt als eine Art Anti-Tony-Stark inszeniert – das technische Genie aus der Arbeiterklasse, das sich Alien-Schrott zusammensuchen muss, im Gegensatz zu Tonys Hochglanzwerkstatt. Sogar die inzwischen ikonische „Im-Helm-Sicht“, die in „Iron Man“ etabliert wurde, wird für Toomes verwendet, und auch die Art, wie er aus seinen Flügeln aussteigt, erinnert stark an Iron Man. Der Film macht mit dieser Anlage aber kaum etwas. Es gibt einen kurzen Dialog zwischen Peter und Toomes, in dem Letzterer über „uns hier unten“ und „die da oben“ spricht, aber mehr wird nicht geboten. Ich werde das Gefühl nicht los, dass „Homecoming“ ein weitaus besserer und interessanterer Film gewesen wäre, hätte man sich entschieden, tatsächlich eine Mentor-Dualität zu etablieren: Tony Stark als der emotional unnahbare und unwillige gute Mentor und Adrian Toomes als der väterlich, aber letztendlich böse Mentor.

So, wie „Homecoming“ letztendlich konzipiert ist, ist alles verhältnismäßig belanglos, was für den ersten MCU-Solofilm einer Figur schon eher ungewöhnlich ist. Normalerweise sind es besagte erste Solofilme, in denen der Held seine größte Wandlung durchmacht, vom Normalo oder Arschloch zum Helden. Diese Wandlung fand für Peter allerdings schon Off-Screen statt, und auch sein Einstieg in eine größere Welt hat er bereits hinter sich. Die Wandlung, die er in „Homecoming“ durchmacht, bzw. die Lektion, die er lernt, ist minimal. In mancher Hinsicht ist „Homecoming“ vielleicht sogar ziemlich realistisch, denn wie oft lernt man schon fundamentale Lebenslektionen? Dennoch, der Umstand, dass fast nichts auf dem Spiel steht, schadet dem Film und sorgt dafür, dass die Spannung, trotz eigentlich sauberer Dramaturgie, mitunter auf der Strecke bleibt. Lediglich Michael Giacchinos Score wirkt der Belanglosigkeit der Handlung entgegen und sorgt dafür, dass sie sich wichtiger anfühlt, als sie ist.

Fazit: Rein formal begeht „Spider-Man: Homecoming“ nur wenig Fehler, gleichzeitig gelingt es der Disney/Sony-Co-Produktion jedoch nicht, eine Geschichte zu erzählen, die für den Titelhelden wirklich von Belang ist. Wo Sam Raimis Spider-Man-Filme oft sehr emotional und mitunter fast überdramatisch waren, geht der MCU-Spider-Man ins andere Extrem. Das sorgt für einen kurzweiligen und unterhaltsamen, aber letztendlich ziemlich vergessenswerten Film.

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