Suicide Squad – Analytische Rezension

Enthält Spoiler!
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Dieses Mal ein wenig anders als sonst: Die kurze, spoilerfreie Rezension spare ich mir, stattdessen gibt es sofort das analytische Rundumpaket. Einen spoilerfreien Eindruck setze ich deshalb gleich an den Anfang: Ich persönlich fand „Suicide Squad“ unterhaltsamer, weniger dröge und frustrierend als „Batman v Superman: Dawn of Justice“. Leider ist das nicht unbedingt als Lob zu verstehen. David Ayers Superschurken-Team-up hat einige positive Ansätze, talentierte Darsteller und einige der Gags funktionieren durchaus, aber insgesamt ist auch dieser Film problembehaftet und scheitert letztendlich.

Prämisse
Eines muss man den Filmen des DC Extended Universe durchaus lassen: Man (und wenn ich man sage, meine ich mich) kann darüber sehr viel schreiben. Wie schon „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ist auch „Suicide Squad“ ein höchst interessantes Sujet. Kein guter Film, aber ein ergiebiger. Insgesamt ist es schon ein wenig ironisch: Ursprünglich warb Warner damit, die Filme des DCEU seien stärker von ihrem jeweiligen Regisseur geprägt. Dies tat man, um sich von Marvel zu distanzieren; bei den Filmen des MCU achtet Kevin Feige als verantwortlicher Produzent auf stilistische und inhaltliche Kontinuität. Ironisch ist die von Warner gemacht Behauptung, weil sowohl „Batman v Superman“ als auch „Suicuide Squad“ in großem Maße unter Studio-Einmischungen litten – Entfaltungsfreiheit für die Regisseure sieht definitiv anders aus.

Kehren wir noch einmal kurz zu „Dawn of Justice“ zurück, denn „Suicide Squad“ ist geprägt von den Reaktionen auf den zweiten DCEU-Film. Dieser kam bekanntermaßen nicht allzu gut an, wurde von vielen Kritikern verrissen und spielte zwar viel Geld ein, blieb aber doch hinter den Studioerwartungen zurück. Vehementen Verteidiger des Snyder-Films warfen Kritiker daraufhin vor, man sei gegen die düstere, grimmige Herangehensweise an die Superheldenthematik voreingenommen und wolle, dass alle Superheldenfilme so seien wie die des MCU. Warner scheint diesen Vorwurf als Kritikerkonsens wahrgenommen zu haben und beweist damit wieder einmal, dass Hollywood-Studios sehr lernresistent sind und immer nach der einfachen Lösung suchen. Mir und vielen anderen Kritikern ging es nicht darum, dass die DC-Filme mehr wie die Streifen des MCU sein sollten. Nicht die Prämisse an sich ist schlecht, nur ihre Umsetzung. Nun glaubt Warner, wenn man die Filme nur leichtherziger und lustiger gestalten würde, würde es auch mit den Reaktionen besser funktionieren. Dem ist allerdings nicht so, auch wenn die Kasse bislang zu stimmen scheint. Durch oberflächliche Drehbuchkorrekturen, Umschnitte und ähnliche Studioeinmischungen bekommt man keinen besseren Film, nur einen chaotischeren.

Handlung und Struktur
Eigentlich ist die Handlung von „Suicide Squad“ sehr simpel: Nach Supermans Tod hat die Regierung der USA Angst, dass weitere Metawesen auftauchen könnten, die nicht so heroisch (*hust*) sind wie der Mann aus Stahl. Also kreiert die skrupellose Regierungsagentin Amanda Waller (Viola Davis) die Task Force X, ein Team aus größtenteils verurteilten Straftätern mit besonderen Fähigkeiten – zu diesen gehören unter anderem der meisterhafte Attentäter und Scharfschütze Deadshot (Will Smith), die irre Ex-Psychologin und Freundin des Jokers Harley Quinn (Margot Robbie), der australische Verbrecher Capain Boomerang (Jai Courtney), der Feuerteufel El Diablo (Jay Hernandez), das menschliche Krokodil Croc (Adewale Akinnuoye-Agbaje) und die uralte Zauberin Enchantress (Cara Delevigne). Wie sie jedoch herausstellt, lässt sich Letztere nicht kontrollieren und verursacht Chaos und Zerstörung. Der erste Auftrag für diese Suicide Squad unter Führung von Wallers Vertrautem Rick Flagg (Joel Kinnaman) und Katana (Karen Fukuhara) ist somit das Ausschalten einer bösartigen, magischen Wesenheit.

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Die Suicide Squad von links nach rechts: El Diablo (Jay Hernandez), Captain Boomerang (Jai Courtney), Killer Croc (Adewale Akinnuoye-Agbaje), Harley Quinn (Margot Robbie), Deadshot (Will Smith), Rick Flagg (Joel Kinnaman) und Katana (Karen Fukuhara)

Eine simple Grundhandlung muss nicht per se etwas schlechtes sein, wenn man sich ihrer richtig zu bedienen weiß. Die Handlung von „The Avengers“ ist ebenfalls eher einfach, aber stimmig und gibt den Figuren reichlich Gelegenheit zu gelungener Interaktion. Leider hat „Suicide Squad“ gerade diesbezüglich zwei große Probleme. Das erste: Die Handlung ist nicht stimmig. Es ist wohl davon ausgehen, dass Warner mit „Suicide Squad“ schon einmal die übernatürlichen Elemente des DC-Universums vorstellen wollte, um auf dieser Grundlage in späteren Filmen weiter aufzubauen. Allerdings passt die Enchantress als Gegnerin schlicht nicht zur Suicide Squad, sondern viel eher zur Justice League Dark. Ein Team wie die Task Force X sollte sich in ihrem ersten Film besser mit einem kleineren Gegner auseinandersetzen, der nicht potentiell die Welt zerstören könnte und besser zu ihr passt. Terroristen, organisiertes Verbrechen, Warlords oder Superschurken, die geerdeter sind – es gibt sehr viele Möglichkeiten und im DC-Universum finden sich auch genug Figuren, die sich eher anbieten würden als die Enchantress.

Das zweite große Problem ist, dass die Handlung die Charaktere nicht wirklich unterstützt; die Figuren agieren kaum miteinander, Dialoge gehen selten über Oneliner hinaus. Die größte Ausnahme ist die Barszene, die das Finale des Films einleitet und auch wirklich etwas zu Charakterentwicklung und Verhältnis beiträgt. Davon abgesehen hat „Suicide Squad“ diesbezüglich wahrlich nicht viel Fleisch auf den Knochen.

Darüber hinaus gibt es auch noch einige strukturelle Probleme, die dafür sorgen, dass der Film in seiner Dramaturgie sehr uneben daherkommt. Interessanterweise finden sich besagte Probleme primär im ersten Akt, der in meinen Augen dennoch der gelungenste ist. Zu Anfang des Films werden die Mitglieder der Task Force X ausführlich vorgestellt, und zwar ein einer Reihe von kurzen Segmenten, die stilistisch auf die jeweiligen Figuren zugeschnitten sind. Individuell betrachtet sind diese Segmente extrem gelungen, ihr Anordnung im Film ist es allerdings nicht unbedingt. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Haupthandlung stärker in die „Vorstellungsrunde“ einfließen zu lassen, oder die Einzelsegmente besser im Film zu verteilen (oder beides). Diese Struktur hat jedoch auch eine positive Seite: Gerade der erste Akt erinnert strukturell stark an einen Comic, in dem dieses Stilmittel so weitaus besser funktioniert. Ich kann mir nicht helfen, dieses comicartige Element des ersten Akts spricht mich an.

Task Force X
Eines der Probleme, das ich mit „Batman v Superman“ habe, war, dass sich die Helden zu unheroisch und rücksichtslos verhalten. Dagegen sind die Figuren in „Suicide Squad“, die eigentlich Schurken, Psychopathen und Arschlöcher sein sollten, zu zurückhaltend und nicht rücksichtslos genug. Hier haben wir abermals das Problem, dass Warner gerne eine pauschale Herangehensweise hätte, wo sich das Studio stattdessen auf die individuellen Bedürfnisse des Films konzentrieren sollte. Nach dem, was man so hört (und wohl auch in der Romanadaption des Films lesen kann), war David Ayers ursprüngliches Drehbuch, bzw. die ursprüngliche Schnittversion, weitaus düsterer und grimmiger. Nach der Rezeption von „Batman v Superman“ griff Warner ein und forderte, dass die Figuren sympathischer werden sollten. Und auch Will Smith wollte wohl keinen gewissenlosen Profikiller spielen. Das hat nun fast zur Folge, dass die eigentlich schurkischen Figuren aus „Suicide Squad“ einsichtiger und weniger heuchlerisch wirken als Batman und Superman. Insgesamt sind die Mitglieder der Task Force X hier schlicht zu harmlos. Das trifft besonders auf Deadshot zu. Der von Will Smith gespielte Floyd Lawton ist eigentlich gar kein so übler Kerl, im Gegensatz zur Comicfigur. Ja, auch Comic-Deadshot hat eine Tochter, die er aufrichtig liebt. Aber das ist dann auch schon seine einzige positive Eigenschaft, davon abgesehen ist er ein rücksichtsloser und arroganter Arsch. Gerade dieser Gegensatz macht die Figur interessant. Man könnte fast sagen, Film-Deadshot profitiert zu sehr von Will Smiths sympathischer Ausstrahlung, sodass der Zuschauer viel zu schnell vergisst, dass er es hier eigentlich mit einem rücksichtslosen Killer zu tun hat. Das heißt nicht, dass Will Smith Deadshot schlecht spielt, denn dem ist nicht der Fall. Er spielt ihn höchstens unpassend. Ähnliches trifft auch auf die anderen Mitglieder des Teams zu, die zum Teil schon fast überflüssig und verschenkt sind. Killer Croc und Katana beispielsweise wirken völlig verschenkt und tragen kaum etwas zur Handlung bei.

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Amanda Waller (Viola Davis)

Schließlich und endlich erweist sich auch die Charakterentwicklung als problematisch. Viel zu schnell freunden sich die Figuren an, ohne dass man so recht wüsste, weshalb – oft informiert der Film, anstatt zu zeigen. Die Beziehung zwischen Rick Flagg und June Moon, dem Wirt der Enchantress, ist ein besonders gutes Beispiel, sie verlieben sich zu Beginn kurz, weil es für den Plot nötig ist bzw. weil Waller es so geplant hat. Das wirkt fürchterlich erzwungen und unglaubwürdig. Auch die moralische Wandlung der Schurken am Schluss bleibt verhältnismäßig unmotiviert und schlecht erklärt. Die nachvollziehbarste und am besten entwickeltest Figur der Task Force ist El Diablo, der als Antiheld und Sympathieträger am besten funktioniert.

Amanda Waller und Enchantress
Zuerst einmal: Amanda Waller ist eine der Figuren des Films, die am besten umgesetzt wurde. Viola Davis passt perfekt und kann C.C.H. Pounder, die Waller im DCAU gesprochen hat, durchaus das Wasser reichen. Leider kommt sie dafür, dass sie ein Mastermind sein soll, im Film nicht allzu gut weg. Eigentlich sollte die Enchantress, alias Dr. June Moon, Wallers Geheimwaffe sein, doch das geht fürchterlich nach hinten. Ich finde es dramaturgisch sehr unglücklich, dass Waller direkt in ihrem ersten Film gleich derartig scheitert. Darüber hinaus finde ich es auch nicht besonders gelungen, dass die Squad bereits als Präventivmaßnahme versammelt wird und die Widersacherin dann (mehr oder weniger) aus den eigenen Reihen kommt. In meinen Augen wäre es weitaus gelungener gewesen, wenn Waller die Task Force X bereits zu einem bestimmten Zweck versammelt hätte.

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Die Enchantress (Cara Delevigne)

Nun denn, kommen wir zur Enchantress selbst. Cara Delevignes Darstellung der Figur, einer eher obskuren Antiheldin des DC-Universums, die immer mal wieder sporadisch auftaucht und sich in den Comics optisch sehr stark von ihrem Filmgegenstück unterscheidet, musste viel Kritik einstecken. Als ich ihre erste größere Szene (Waller stellt sie diversen Regierungsbeamten und Militärs vor) im Kino sah, konnte ich das noch nicht verstehen, denn besagte Szene gefiel mir sehr gut, die Verwandlung und die Magie der Enchantress waren sehr ansehnlich und sie selbst durchaus unheimlich. Sobald allerdings ihr Bruder (der wie eine billigere Version des Destroyer aus „Thor“ aussieht) dazustößt und die Enchantress das Outfit wechselt, ändert sich das leider. Zum einen ist die neue Optik nicht vorteilhaft, und zum anderen ist Delevignes übertriebenes Spiel in diesen Szenen höchstens albern, aber niemals einschüchternd oder beeindruckend. Auf der inhaltlichen Eben sieht es ebenso schlecht aus wie auf der inszenatorischen: Als Figur ist die Enchantress in etwa so gut entwickelt wie Lex Luthor in „Batman v Superman“. Motive hat sie eigentlich keine und selbst ihr Ziel ist eher schwammig; sie will eine Waffe bauen um damit die Welt zu erobern oder zu zerstören – irgendetwas in diese Richtung. Ich mag ja uralte böse Mächte, die wiedererwachen, aber wenn man sich dieser Thematik annimmt, sollte man besagte Mächte schon besser ausarbeiten – entweder macht man sie nachvollziehbarer, oder man orientiert sich an Lovecraft und gestaltet sie als völlig fremdartige und unmenschliche Wesen. Die Enchantress ist weder interessant noch fremdartig, sondern einfach nur schlecht geschrieben.

Harley Quinn, Batman und der Joker
Ist „Suicide Squad“ ein verkappter Batman-Film? Darauf kann ich mit einem ganz eindeutigen „schon irgendwie, aber doch nicht ganz“ antworten. Es lässt sich kaum leugnen, dass die Squad zum Großteil aus Batman-Schurken besteht und sowohl der Dunkle Ritter selbst als auch der Joker im Marketing eine wichtige Rolle spielten, von Harley Quinn gar nicht erst zu sprechen. Batmans tatsächliche Rolle im Film ist dann aber doch wieder relativ überschaubar – er taucht in zwei der Rückblicke am Anfang auf und dann noch einmal als Bruce Wayne in der Mid-Credits-Szene. Einerseits hätte man da durchaus noch mehr machen können. Im Vorfeld wurde von offizieller Seite behauptet, Batmans Präsenz sei den Film über spürbar, selbst wenn er nur eine kleine Rolle spiele, man sehe ihn aus der Perspektive seiner Gegner, wie ein angsteinflößendes Schreckgespenst. Das ist nicht der Fall, der Animationsfilm „Batman: Assault on Arkham“ (der eigentlich „Suicide Squad: Assault on Arkham“ heißen müsste), hat dieses Konzept weitaus besser umgesetzt. Dennoch muss ich sagen, dass mir die beiden Bat-Auftritte hier ausnehmend gut gefallen haben. In diesen beiden doch relativ kurzen Szenen habe ich mehr von „meinem“ Batman gesehen als in der gesamten Laufzeit von „Batman v Superman“. Wenn das ein Indikator für den Batfleck-Film sein sollte, dann Daumen hoch. Der Joker dagegen bleibt (Achtung, Gag) leider ziemlich blass. Um ihn in „Suicide Squad“ effektiv einzusetzen, hätte man seine Rolle entweder größer oder kleiner machen müssen. Das Hauptproblem ist, dass er für die Handlung des Films kaum Bedeutung hat und einfach irgendwie da ist, um noch ein paar Batman-Fans mehr ins Kino zu locken. Seine Auftritte sind zu häufig und zu wenig erinnerungswürdig, um als Highlights funktionieren zu können – ein Auftritt im Harley-Rückblick und einer am Ende hätten dramaturgisch weitaus besser funktioniert. Alternativ hätte Ayer ihn tatsächlich zu einem wichtigen Teil der Handlung machen müssen. Jared Leto selbst gab um den Kinostart herum zu Protokoll, dass viele seiner Szenen geschnitten wurden, er hatte also ursprünglich eine größere Rolle, wenn auch wahrscheinlich keine sehr viel bedeutendere. Ayer hätte zwei Probleme seines Films auf einmal beseitigen können, hätte er den Joker zum Gegner der Suicide Squad gemacht. Zwar wäre es vielleicht ein wenig repetitiv gewesen, hätte der Joker schon wieder als Hauptantagonist fungiert, aber ansonsten ist der Clown Prince of Crime als Gegner für die Suicide Squad weitaus besser geeignet als die Enchantress.

Auch die Konzeption dieses Jokers funktioniert nicht so recht, er ist nicht wirklich greifbar, es wird nie so richtig deutlich, was DIESEN Joker ausmacht, wenn man seine Tatoos ignoriert. Abermals gilt: Eine reduzierte Präsenz im Film hätte diese Schwäche zumindest reduziert, eine stärkere hätte die Möglichkeit gegeben, die Figur zu erforschen. Nachdem, was Ayer uns zeigt, kann man wohl davon ausgehen, dass diese Inkarnation des Jokers ein ziemlich schriller Gangsterboss ist, vielleicht dem Joker aus Brian Azzarellos und Lee Bermejos „Joker“ gar nicht so unähnlich.

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Der Joker (Jared Leto)

Kommen wir schließlich noch zum nicht ganz so heimlichen Star des Films: Harley Quinn. Ähnlich wie Viola Davis ist auch Margot Robbie eine Idealbesetzung für die Figur und spielt hervorragend. Von allen Mitgliedern der Squad ist Harley am besten umgesetzt. Interessanterweise wurde die Beziehungsdynamik zwischen ihr und dem Joker verändert. In den Comics (und natürlich in „Batman: The Animated Series“) handelt es sich um eine einseitige und höchst dysfunktionale Partnerschaft, der Joker ist oftmals von Harley genervt und versucht sie zum Teil loszuwerden oder gar umzubringen. Sie wird immer erst dann interessant für ihn, wenn sich jemand anderes für sie interessiert (Deadshot, Poison Ivy etc.). Im Film dagegen scheint die Beziehung gesünder (nicht gesund) und die Liebe gegenseitig zu sein. Möglicherweise sind jedoch viele Elemente einfach der Schere zum Opfer gefallen. Jedenfalls bleibt die Harley/Joker-Dynamik im Film sehr flach und man fragt sich, ob Harley im DCEU eine ähnliche Entwicklung und Emanzipation durchmachen wird wie in der Comickontinuität.  Auch in anderer Hinsicht ist Film-Harley zahmer: Während sie in anderen Medien durchaus gerne ein Techtelmechtel mit Deadshot anfängt, bleibt es im Film zwischen den beiden ziemlich platonisch.

Die Musik
An der Musik merkt man am deutlichsten, dass David Ayer sich durchaus an „Guardians of the Galaxy“ orientiert hat. Der von Steven Price komponierte Score spielt kaum eine Rolle, das Augenmerk liegt auf den Songs. Anders als bei „Guardians of the Galaxy“ funktioniert das hier bei Weitem nicht so gut. James Gunn hat es geschafft, die Lieder sehr gezielt einzusetzen und sie zu einem unverzichtbaren Teil der Narrative des Films zu machen. In „Suicide Squad“ dagegen erleben wir einen Song-Overkill ohne inhaltlichen Mehrwert, die Platzierung erinnert an Werbespots oder Doku-Soaps. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen, so können die Lieder ihre Wirkung nicht wirklich entfalten, musikalisch wirkt „Suicide Squad“ wie gewollt und nicht gekonnt. Leider schneidet Steven Price‘ Score kaum besser ab. Handwerklich betrachtet ist er wahrscheinlich der beste DCEU-Score, aber da sowohl „Man of Steel“ als auch „Batman v Superman“ für mich absolut fürchterliche Soundtracks sind, sollte man das nicht als Lob verstehen. Price‘ Musik bleibt nicht nur unauffällig, sondern auch anonym und langweilig. Eine gelungene, ausführliche Rezension des Scores findet sich hier.

Fazit: Es wird Zeit, dass Warner bei den DC-Filmen endlich aus den Fehlern lernt: Statt ihre Prämisse anzuzweifeln, sollte sich das Studio lieber darum kümmern, sie angemessen umzusetzen und nicht die Filme vor dem Kinostart verstümmeln. In mancher Hinsicht ist „Suicide Squad“ tatsächlich eine Verbesserung gegenüber „Batman v Superman“, viel zu oft macht David Ayers Schurkenfilm aber dieselben Fehler und scheitert letztendlich genauso. Nicht unerwartet, aber gerade für einen Fan der Vorlage dennoch traurig, gerade weil doch einiges an Potential vorhanden ist.

Vampire: The Masquerade – Bloodlines

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Da ich mich selbst nicht unbedingt als Gamer bezeichnen würde – viel eher als Gelegenheitsspieler – habe ich schon früh beschlossen, dass es hier keine Rezensionen zu Spielen geben wird. Allerdings, hin und wieder erwacht dann doch das Verlangen, über meine Favoriten der Spielezunft zu schreiben. „Vampire: The Masquerade – Bloodlines“ ist definitiv einer dieser Favoriten, sogar einer der mir besonders am Herzen liegt, und das nicht nur, weil es sich dabei um ein ausgezeichnetes Rollenspiel handelt, das ich wirklich verdammt oft gespielt habe. Dieses Spiel ist letztendlich dafür verantwortlich, dass ich mich endgültig in White Wolfs „World of Darkness“ verliebt habe und nun ein ganzes Regalbrett voller Vampire-Quellenbände besitze.

Vorgänger und Begleitumstände
Die Welt, in der „Vampire: The Masquerade“ spielt, kenne ich allerdings schon ein wenig länger, denn es gibt noch eine weitere Spieleadaption. Im Jahr 2000 erschien „Vampire: The Masquerade – Redemption“, das ich ein, zwei Jahre später erwarb und spielte. Das Konzept der dargestellten Vampirgesellschaft inklusiver diverser Vampirclans begeisterte mich sofort, ebenso wie die Grundstory des Kreuzritters Christof Romauld, der im mittelalterlichen Prag zum Vampir wird und nach einem Besuch in Wien ein mehrere Jahrhunderte dauerndes Nickerchen macht, um im London des Jahres 1999 wieder zu erwachen und schließlich in New York am Vorabend des neuen Jahrtausends seinen Erzfeind zu bezwingen.

Leider ist „Redemption“ nicht unbedingt die gelungenste Umsetzung des Pen&Paper-Rollenspiels. Man merkt, dass den Machern die World of Darkness zweifellos am Herzen lag und dass sie sehr ambitioniert waren. Viele Konzepte, Ideen und Fachtermini der Vorlage sind im Spiel zu finden, es ist den Machern tatsächlich gelungen, alle Clans (mit Ausnahme der Ravnos, dafür gibt es aber Kappadozianer) unterzubringen. Und vor allem der ersten Hälfte merkt man viel Herzblut und Liebe zum Detail an (die zweite Hälfte ist, gerade bezüglich der Schauplätze, leider eher langweilig). Das Problem liegt vor allem darin, dass das Spiel einerseits etwas überladen ist und dass sich andererseits das Spielprinzip nicht ganz so gut mit der Grundprämisse der Vorlage deckt. Beim „Vampire: The Masquerade“ handelt es sich laut dem Grundregelwerk um ein Spiel des persönlichen Horrors, Moralität und die Auseinandersetzung mit dem eigenen inneren Tier stehen im Fokus. „Redemption“ schneidet diese Themen zwar an, arbeitet aber nicht mit ihnen; es gibt kaum Gelegenheiten, in denen man als Spieler wirklich Entscheidungen treffen kann. Als Spiel ist „Redemption“ ein lineares Action-Rollenspiel, das stark an „Diablo 2“ erinnert (allerdings mit einem weit weniger flüssigen Kampf- und Fertigkeitensystem und einer ziemlich miesen KI). Ein solches kann die Prämisse der Vorlage leider nur in sehr begrenztem Maße umsetzen, da man doch die meiste Zeit damit beschäftigt ist, durch Dungeons zu marschieren und Gegner umzubringen.

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Die drei Signaturcharaktere: Jeanette Voerman, der Nosferatu-Spielercharakter und Ming Xiao

Wie dem auch sei, „Bloodlines“ ist nicht im eigentlichen Sinne ein „Nachfolger“ zu Redemption, beide Spiele haben außer der Tatsache, dass sie auf demselben Rollenspiel basieren und in derselben Welt spielen, nicht allzu viel miteinander gemein, was schon durch die verschiedenen Entwicklerstudios deutlich wird. „Redemption“ wurde von Nihilistic Software entwickelt, „Bloodlines“ von Troika Games. Leider hatte das zweite Masquerade-Rollenspiel keinen besonders guten Start, da Troika pleiteging und „Bloodlines“ deshalb unfertig und verbuggt auf den Markt kam. Ein erster Patch beseitigte die gröbsten Fehler, aber es waren schließlich Fan-Patches, die dafür sorgten, dass „Bloodlines“ sein volles Potential ausleben konnte. Trotz der Fehler entwickelte sich schnell eine hingebungsvolle Fangemeinde, die die Qualitäten dieses Spiels erkannte und alles dafür tat, es so perfekt wie möglich zu machen.

Story und Spielprinzip
Zu Anfang des Spiels wählt man einen der sieben Clans der Camarilla (Brujah, Gangrel, Malkavianer, Nosferatu, Toreador, Tremere, Ventrue) aus und legt die grundsätzllichen Attribute fest. Und schon geht es los. Handlungsort ist Los Angeles: Der Spieler beginnt als frisch geschaffener Vampir, dessen Erzeuger hingerichtet wird. Nur dank der Güte des Prinzen von L.A. überlebt man, fungiert aber fortan als Laufbursche des besagten Prinzen, eines Franzosen namens Sebastian LaCroix, und lernt so die vampirische Gesellschaft, die Konflikte zwischen den Sekten (Anarchen, Camarilla, Sabbat), Clans und Einzelvampiren kennen, findet sich mit seiner untoten Natur zurecht und lernt, was es heißt, ein blutsaugendes Monster zu sein. Das die eigentliche Handlung auslösende MacGuffin ist der Sarkophag von Ankara, der alle Fraktionen der Stadt in helle Aufregeung versetzt, da angenommen wird, in seinem Inneren befinde sich ein uralter und mächtiger Vampir. Der Spieler folgt der Spur des Sarkophags und erlebt mit, welche Auswirkungen er auf die Figuren und den Status Quo der Stadt hat.

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Das Gothic-Punk-L.A. der World of Darkness

Nach und nach lernt man dabei vier Stadtteile von Los Angeles (Santa Monica, Downtown, Hollywood und Chinatown) kennen und kann diese ausgiebig erforschen. Zwar könnte man theoretisch auch nur der Haupthandlung folgen, aber es gibt so viele interessante Nebenquests, dass es wirklich eine Schande wäre, würde man sie ignorieren. Insgesamt ist „Bloodlines“ weitaus mehr Rollenspiel als „Redemption“. Die eigentliche Haupthandlung ist zwar ebenfalls ziemlich linear, als Spieler hat man allerdings weitaus mehr Freiheit bei der Erkundung der Welt und der Erledigung der Quests. Mit Ausnahme einiger weniger Missionen gibt es für die diversen Aufträge darüber hinaus immer drei bis vier Lösungsmöglichkeiten. Natürlich kann der Spieler einfach eindringen und alle umbringen, aber zumeist ist es erfolgversprechender, wenn man sich einschleicht oder versucht, potentielle Gegner zu überreden, zu verführen, zu bedrohen oder zu bestechen. Erfahrungspunkte gibt es auch nicht für getötete Gegner, sondern ausschließlich für erledigte Quests; eine subtile und clevere Vorgehensweise ist diesbezüglich zumeist lukrativer. Ganz kommt man um Kämpfe allerdings dennoch nicht herum. „Bloodlines“ bietet sowohl Nah- als auch Fernkampfwaffen (Letztere werden aus der Ego-Perspektive bedient), zusätzlich zu den vampirischen Disziplinen. Leider ist auch hier das Kampfsystem ein wenig holprig und unausgereift, was aber weitaus weniger ins Gewicht fällt als bei Redemption, da man sich nicht die ganze Zeit prügeln muss.

Figuren, Dialoge und Sprecher
Eine der größten Stärken von „Bloodlines“ sind die wirklich exzellenten geschriebenen Figuren und Dialoge. Besonders mit Letzteren hatte „Redemption“ einige Probleme, da sie oftmals ziemlich plakativ und unnatürlich wirkten. Nicht so in „Bloodlines“.

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Smiling Jack (John DiMaggio)

In diesem Spiel wimmelt es geradezu vor enorm spannenden Figuren, die authentisch und oftmals gleichzeitig bedrohlich und amüsant sind, in jedem Fall aber absolut zu überzeugen wissen und mit viel Liebe zum Detail gestaltet wurden. Da ist es völlig egal, ob es sich um wichtige WoD-Signaturcharaktere wie Beckett oder Smiling Jack handelt, die man bereits aus den Quellenbänden von White Wolf kennt, oder kleine, unwichtige Nebencharaktere wie zum Beispiel Dr. Gimble in Santa Monica – sie alle sind individuell gestaltet und sorgen dafür, dass das Los Angeles des Spiels zu einem lebendigen Ort wird, den man gerne erforscht. Natürlich müssen auch gut geschriebene Dialoge passend vertont werden – zum Glück leistet „Bloodlines“ auch an dieser Front exzellente Arbeit. Es existiert keine deutsche Synchronisation, was angesichts der ausgezeichneten englischen Sprecher aber nicht weiter ins Gewicht fällt. Ein Spiel wie dieses braucht natürlich Spreche en masse, darum hier nur kurz einige meiner Favoriten: John DiMaggio (Smiling Jack), Michael Gough (Beckett), Grey DeLisle (Jeanette und Theres Voreman), Nika Futterman (Velvet Velour), Jim Ward (Maximilan Strauss), Neil Ross (Gary) und Mary Elizabeth McGlynn (Pisha).

Verhältnis zur Vorlage
Einer der dicksten Pluspunkte von „Bloodlines“ ist die grandiose Atmosphäre, die die Gothic-Punk-Stimmung der Vorlage vorzüglich einfängt. Zwar ist die auf Valves Source-Engine basierende Graphik inzwischen völlig veraltet und war schon zum Zeitpunkt des Erscheinens nicht ganz auf der Höhe der Zeit, aber atmosphärisch weiß „Bloodlines“ nach wie vor zu überzeugen.

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Los Angeles by Night (1994)

Auch sonst ist das zweite Masquerade-Spiel eine bessere Umsetzung der Vorlage als das erste. Während es bei „Redemption“ wirkt, als hätten die Macher so viel vom Hintergrundmaterial wie nur möglich unterbringen wollen, zeigt sich, dass bei „Bloodlines“ weniger tatsächlich mehr ist. Die Mythologie der World of Darkness wird weit subtiler vorgestellt, der Spieler ertrinkt nicht in Exposition und die Autoren fühlten sich auch nicht verpflichtet, alle Clans ausführlich vorzustellen – die Jünger des Set oder die Assamiten fehlen beispielsweise völlig.

Obwohl 1994 ein Masquerade-Quellenband erschien, der Los Angeles ausführlich beschrieb, bedient sich „Bloodlines“ kaum der Informationen besagten Quellenbandes – es gibt nur eine einzige Figur, die sowohl im Spiel als auch in der ursprünglichen Beschreibung der Stadt auftaucht: Der legendäre Brujah-Anarch Smiling Jack. Alle anderen Figuren (bis auf Beckett, versteht sich, der, wie erwähnt, einer der beliebtesten NPCs des Pen&Paper-RPGs ist) wurden für das Spiel neu geschaffen. Indirekt haben aber doch einige Elemente von „Los Angeles by Night“ ins Spiel gefunden, bzw. sie dienen als Basis. Dazu gehört vor allem die Tatsache, dass L.A. viele Jahrzehnte lang weder zur Camarilla, noch zum Sabbat gehörte, sondern ein Anarchen-Freistaat war. Die Ereignisse des White-Wolf-Metaplots, etwa die Invasion der Kuej-jin, der ostasiatischen Vampire und das nahen Gehennas, der Vampirapokalypse, werden ebenfalls aufgegriffen und spielen eine wichtige Rolle.

Schwächen

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Beckett (Michael Gough)

Trotz aller Qualitäten ist „Bloodlines“ nicht frei von Schwächen. Obwohl die Fan-Patches viele Bugs entfernen und sogar einiges an Content restaurieren, finden sich doch nach wie vor einige Spiel- und Grafikfehler.
Während die Gesichtsanimationen beispielsweise wirklich gelungen sind und auch heute noch durchaus überzeugen, lässt sich das über einige der Bewegungsanimationen absolut nicht sagen. Auch das Kampfsystem ist leider nicht das gelungenste und kann hin und wieder zu leichter bis mittlerer Frustration führen. Und dann wäre da noch das Ende: Zwar gibt es diverse unterschiedliche Enden, je nachdem, welcher Fraktion man die Treue schwört, so gewaltig ist der Unterschied dann aber auch wieder nicht. Und dann wäre da der Schlusstwist, der ebenfalls nicht unbedingt befriedigend ist. Weitaus mehr fällt allerdings ins Gewicht, dass die beiden letzten Missionen reine Schlachtfeste sind. Hat man seinen Charakter zu sehr auf Heimlichkeit oder Überredungskünste spezialisiert, wird man es am Ende relativ schwer haben, was wirklich schade ist, da „Bloodlines“ dem Spieler sonst fast immer die Wahl lässt, wie er eine Mission lösen möchte.

Fazit: Trotz einiger Schwächen ist „Vampire: The Masquerde – Bloodlines“ nach wie vor ein exzellentes Rollenspiel, eines meiner absoluten Lieblingsspiele und die bislang beste Umsetzung von „Vampire: The Masquerade“.

Siehe auch:
Vampire: The Masquerade
Gehenna: Die letzte Nacht