Geschichte des amerikanischen Comics Teil 4: Das Silberne Zeitalter

Auf das Goldene Zeitalter der Comics folgte das Silberne, welches primär von den Auswirkungen des Comics Code geprägt war, der die Comicschaffenden massiv eingrenzte und die Verwendung einer erwachsenen oder ernstzunehmenden Thematik verhinderte.

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Der erste Auftritt von Barry Allen als Flash in Showcase # 22

Generell gilt das Jahr 1956 als Startpunkt des Silbernen Zeitalters. Nachdem die meisten Helden des DC-Verlages (mit Ausnahme von Batman, Superman und Wonder Woman) nach Kriegsende in der Bedeutungslosigkeit versanken, begann man, diese Helden in der zweiten Hälfte der 50er zu revitalisieren und zu erneuern – mit großem Erfolg. Dabei nahm man sich zumeist den Namen und das grobe Konzept des ursprünglichen Helden und verhalf ihm zu einer neuen bürgerlichen Identität und Hintergrundgeschichte. Flash, während der 40er ein Mann namens Jay Garrick, der hartes Wasser inhalierte, dadurch die Fähigkeit bekam, schneller als jeder andere Mensch zu rennen und anschließend mit einem an Hermes erinnernden Flügelhelm das Verbrechen bekämpfte, wurde 1956 der erste einer Reihe von revitalisierten Altheroen. Der neue Flash trug den Namen Barry Allen, bekam seine Superkräfte durch einen Laborunfall und trug einen roten Ganzkörperanzug. Sowohl der Name als auch der Anzug werden heute noch primär mit Flash assoziiert. Es folgten weitere Helden wie Green Lantern oder The Atom.

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The Brave and the Bold #28 mit dem ersten Auftritt der Justice League of America

DC hatte mit dieser Vorgehensweise Erfolg und so kam es, wie es kommen musste: Ähnlich wie in den 40ern vereinten sich auch die neuen Helden und kämpften gemeinsam als Justice League of America, die ihr Debüt in der 28. Ausgabe von The Brave and the Bold aus dem Jahr 1960 feierte. Ursprünglich bestand sie aus Wonder Woman, Flash, Green Lantern, Aquaman und Martian Manhunter, bald stießen Batman und Superman dazu und im Verlauf ihrer langen, wechselhaften Geschichte kamen und gingen viele weitere Mitglieder.

Der Erfolg der Justice League inspirierte den ursprünglich als Timely Comics bekanntem Marvel-Verlag, der in den 40ern mit Captain America erfolgreich war, es ebenfalls noch einmal mit Superhelden zu versuchen, und es waren die Marvel-Helden, die dafür sorgten dass sich der neue Trend fortsetzte und sich der Superheldencomic weiterentwickelte. Der Hauptverantwortliche dafür war Stan Lee (eigentlich Stanley Lieber), Autor und Redakteur von Marvel, der in den 60ern, mit wechselnden Zeichnern wie Jack Kirby oder Steve Ditko, praktisch im Alleingang den Grundstein für den Erfolg des Marvel-Verlags legte, in dem er Figuren wie die Fantastic Four (1961), Spider-Man (1962), Thor (1962) die X-Men (1963) oder Daredevil (1964) erfand und einige Helden aus dem Goldenen Zeitalter, u.a. Captain America und den Sub-Mariner, revitalisierte.

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Avengers # 1 aus dem Jahr 1963

Mit den Avengers, ursprünglich bestehend aus Iron Man, dem Hulk, Thor, Ant-Man und Wasp, erschuf er dann 1963 ein Gegenstück zu DCs Justice League. Die Marvel-Helden zeichneten sich vor allem dadurch aus, dass sie menschlicher und für den Leser greifbarer waren, neben übermenschlichen Problemen wie Superschurken oder Alieninvasionen mussten sie auch mit ganz menschlichen Problemen wie Mietschulden oder Liebeskummer kämpfen. Das bekannteste Beispiel für diese Heldenkonzeption ist Spider-Man: Zu Beginn seiner Karriere ist er noch ein Teenager, der versucht, Superheldentum und das Teenagerleben unter einen Hut zu bekommen. Diese Entwicklung sorgte dafür, dass die Comics von Marvel auch weit über die 60er-Jahre hinaus erfolgreich und beliebt blieben.

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Selbstportrait von Robert Crumb im Underground-Stil

Parallel zur Entwicklung der Superhelden entstanden die Underground-Comix, deren Entstehen sich ebenfalls auf „Seduction of the Innocent“ zurückführen lässt. Im „Untergrund“ sammelte sich alles, was in den vom Comic Code geprüften Mainstream-Comics nicht mehr sein durfte. Obwohl das Satiremagazin „Mad“ und diverse in den 60ern billig gedruckte Fanzines dem Underground-Genre bereit den Weg bereitete, wurden Underground-Comix erst 1968 wirklich bedeutsam, als Robert Crumb seinen ersten Comic verkaufte. „ZAP Comix“, von Crumb selbst herausgegeben, enthielt im Grunde alles, was der Comics Code nicht erlaubte. Crumb selbst wurde zur Galleonsfigur einer neuen Tradition von Underground-Autoren und -Zeichnern, die sich mit Themen wie Sex, Drogen, Politik, Rassismus etc. auseinandersetzten und eine Gegenkultur zum „sauberen“ Mainstream bildeten.

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Gwen Stacys Tod: Ein harter Schlag für den menschlichsten Superhelden

Während der Anfang des Silbernen Zeitalters, bedingt durch „Seduction of the Innocent“ recht eindeutig ist, gibt es keinen definitiven Schlusspunkt, sondern mehrere Ereignisse, die das Ende einläuteten. Sehr gerne wird der Tod von Spider-Mans Freundin Gwen Stacy (1973) als Endpunkt benannt, andere Comichistoriker betrachten jedoch den Ruhestand von Mort Weisinger, des langjährigen Chefredakteurs von DC (1970), den Weggang Jack Kribys von Marvel (1971) oder das allgemeine „Aufweichen“ des Comic Code Anfang der 70er als Ende des Silbernen Zeitalters. Insgesamt zeichnet sich das Silberne Zeitalter durch Wiederbelebung der Superhelden aus, die dabei einerseits durch den Comic Code eingeschränkter waren und absurde Science-Fiction-Abenteuer erlebten, andererseits aber auch, ausgelöst durch die Marvel-Charaktere, menschlicher und nachvollziehbarer wurden. Gleichzeitig entstand eine Gegenkultur in Form der Underground-Comix, die es in dieser Form im Goldenen Zeitalter noch nicht gab, da sie wegen des Fehlens des Comic Codes schlicht nicht nötig war.

Die Geschichte des amerikanischen Comics:
Teil 1: Definition des Mediums
Teil 2: Das Platinzeitalter
Teil 3: Das Goldene Zeitalter

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