Bei der Betrachtung der amerikanischen Comiclandschaft lässt sich eindeutig erkennen: Sie wurde und wird immer noch von den Superhelden dominiert, und damit von den beiden Verlagen DC und Marvel. Diese Dominanz ist seit den 80er Jahren nicht mehr ganz so stark, die allgemeine Qualität und Vielfalt ist in den letzten zwei bis drei Jahrzehnten stark angewachsen. Dennoch sind die kostümierten Verbrechensbekämpfer nach wie vor der prägende Faktor – das zeigt sich schon, wenn man die Geschichtsschreibung des amerikanischen Comics betrachtet. Für gewöhnlich wird hier mit Zeitaltern gearbeitet, „Goldenes Zeitalter“, „Silbernes Zeitalter“ etc. Die Definition dieser Zeitalter ist meistens von den Superhelden abhängig.
Viele Comichistoriker lassen die Geschichte des Comics mit der Erfindung des Comichefts 1933 beginnen, da sie sich spezifisch auf „comic books“ beziehen. Die Frühgeschichte des Comics sollte jedoch keinesfalls ignoriert werden, denn gerade dort finden sich die Ursachen für die historischen Eigenarten und Entwicklungen dieses Mediums. Somit könnte man den Zeitraum von der Entstehung des Comicstrips bis zum ersten Auftritt von Superman 1938 als „Platinzeitalter“ bezeichnen, um die Kontinuität der Edelmetallmetapher zu wahren. Diese Bezeichnung ist nicht allzu weit verbreitet, ich bin aber doch in der einen oder anderen Publikation auf sie gestoßen und irgendwie hat sie mir gefallen.

Der Comic, bzw. der Comicstrip entstand in den USA Ende des 19. Jahrhunderts als Zeitungsbeilage, die u.a. dazu diente, Leser zu gewinnen, die nicht so gut Englisch sprechen konnten. Als Begründer des Mediums gilt Richard Felton Outcault, dessen Comicstrip „The Yellow Kid“ ab 1895 auf den Sonntagsseiten der Zeitung „The American Humorist“ zu lesen war. Am 25. Oktober 1986 bediente sich Outcault zum ersten Mal der Sprechblase, weshalb dieses Datum gemeinhin als Geburtsstunde des Comics gilt – dies ist allerdings durchaus umstritten. Die Werke des deutschen Humoristen Wilhelm Busch, des schweizer Zeichners Rodolphe Töpffer oder des französischen Botanikers Georges Colomb (alias Christophe) können ebenfalls als Protocomics verstanden werden, die allerdings Text und das Bild noch nicht miteinander verknüpften. Zweifelsohne ist Outcault allerdings ein Mitbegründer des Mediums. „The Yellow Kid“ war darüber hinaus auch eine der ersten Comicstripserien, die später, in diesem Fall bereits 1897, gesammelt herausgegeben wurden. Zwar fehlen selbst Outcaults Strips noch einige typische Merkmale, etwa die Paneleinteilung, aber dennoch bereiteten sie dem Medium den Weg. Aus diesem Grund vertreten manche Comichistoriker die Meinung, der wirkliche Geburtstag des Comics sei der 12. Dezember 1897 – an diesem Tag erschien zum ersten Mal Rudolph Dirks‘ Comicstrip „The Katzenjammer Kids“, der sich der typischen Stilmittel des Mediums Comic weit regelmäßiger bediente als „The Yellow Kid“. Wie dem auch sei, die ersten Comicstrips fanden großen Anklang, sorgten für gesteigerte Auflagen ihrer Zeitungen und etablierten die damals schlicht „The Funnies“ bezeichnete neue Unterhaltungsform.

Als Medium ist der Comic in allgemeinerer Definition also in etwa gleich alt wie der Film. Allerdings fällt dabei auf, dass der Comic, zumindest in den USA, sehr viel länger brauchte, um Werke hervorzubringen, die von der Allgemeinheit anerkannt wurden. Dies ist auf das Trägermedium zurückzuführen; ursprünglich erschienen die Comicstrips nur auf den Sonntagsseiten der Zeitungen, und dort hatten die Autoren und Zeichner nur wenig Möglichkeiten, sich wirklich zu entfalten, da sie maximal eine Seite hatten, um eine
Geschichte zu erzählen. Die Strips waren fast ausschließlich humoristischer Natur, was die Möglichkeiten inhaltlich ebenfalls begrenzte. Aus diesem Grund trägt das Medium den Namen „Comic“ und dadurch gibt es immer noch Vorurteile. Dies bedeutet aber keinesfalls, dass nicht schon der Comicstrip frühe Meisterwerke hervorbrachte, „Little Nemo in Slumberland“ von Windsor McKay gilt weithin als surreales Glanzstück des frühen Comics, das traumartige Geschichten in aufwändigen Bildern und mit distinktiver visueller Narrative erzählt, während „The Katzenjammer Kids“ immerhin der wohl langlebigste Comicstrip ist, in dessen Panels viele der typischen Comicelemente ihr Debüt feierten. Rudolph Dirks prägte die Erzählweise des Comics in Panels und führte viele der visuellen Standards ein, etwa die stilisierten Schweißperlen, die Angst oder Erschöpfung symbolisieren, die Sterne für Schmerzen, die Bewegungslinien etc.
Trotzdem dauerte es bis zum Beginn der 30er Jahre, bis das inhaltliche Repertoire des Comics wirklich erweitert werden konnte, weg vom Humor und hin zu Abenteuer, Action und der Entstehung der sog. „pulps“, repräsentiert durch Figuren, die auch heute noch bekannte sind und die als Vorläufer der Superhelden gelten können: The Shadow, Zorro, Tarzan oder Buck Rogers. Die letzten beiden debütierten am selben Tag, dem 7. Januar 1929, waren erfolgreich und zogen viele weitere graphische Abenteuer nach sich, darunter auch Hal Fosters „Prince Valiant“ („Prinz Eisenherz“).

In den 30ern ermöglichte die bereits erwähnte Entstehung des „comic book“ schließlich das Erzählen umfassenderer Geschichten, während der Begriff gleichzeitig dazu diente, die Comichefte von den ausschließlich humoristischen Comicstrips abzugrenzen. Die Zeichnungen wurden insgesamt aufwändiger und realistischer, die Erzählweise der Strips wurde allerdings fortgesetzt. Generell lässt sich sagen, dass die Frühzeit des Comics von der Entwicklung des Mediums vom lustigen Comicstrip in Zeitungen hin zum Abenteuer im Comicheft geprägt ist; diese Ära wird allerdings weitaus seltener behandelt als die nach ihr kommenden Zeitalter.
Geschichte des amerikanischen Comics:
Teil 1: Definition des Mediums
Teil 3: Das Goldene Zeitalter