Geschichte des amerikanischen Comics Teil 1: Definition des Mediums

Der Comic ist ein Medium, das mich seit meiner frühesten Kindheit beschäftigt – schon mein Vater sammelte Comics, ich war also seit ich denken kann von ihnen umgeben, sie waren für mich von Anfang an eine gleichwertige Unterhaltungsalternative zu Roman, Film und Fernsehen und übten stets eine besondere Anziehung auf mich aus. Umso mehr missfiel mir die Wahrnehmung, bei Comics handle es sich bestenfalls um leichte Unterhaltung für Kinder und schlimmstenfalls um Schund. Wie in den letzten vierzig bis fünfzig Jahren (und auch schon davor) ausgiebig bewiesen wurde, kann mit dem Medium „Comic“ jedwede denkbar Art von Geschichte erzählt werden, egal ob anspruchsvoll, unterhaltsam oder gar beides zusammen. Gleichzeitig freut es mich stets, wenn ich feststelle, dass das Medium immer mehr Anerkennung gewinnt und sich beispielsweise selbst in renommierten Tages- und Wochenzeitungen Besprechungen und Artikel zum Thema in einer Form finden, die vor ein bis zwei Jahrzehnten so noch nicht denkbar gewesen wären. Wie dem auch sei, im Laufe meiner studentischen Laufbahn habe ich es erfreulicherweise geschafft, mich mit meiner Passion auch im Rahmen meines Studiums ein wenig zu beschäftigen und eine Hausarbeit darüber zu schreiben. Die neue Artikelreihe, die ich hiermit starte, basiert auf besagter Hausarbeit und setzt sich mit der Geschichte des amerikanischen Comics auseinander.

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Seite aus einem Carl-Barks-Comic mit ziemlich traditioneller Panelanordnung

Zuerst müssen allerdings noch ein paar grundsätzliche Dinge geklärt werden, zum Beispiel die Definition des Begriffs „Comic“. Auf den ersten Blick glaubt man die Frage „Was sind Comics?“ leicht beantworten zu können – dennoch widmen die meisten Fachpublikationen dieser Frage wenigstens ein Unterkapitel; eine genaue Definition des Mediums ist somit nicht ganz so leicht wie es scheint und von Werk zu Werk unterscheiden sich diese Definitionen. Prinzipiell handelt es sich bei Comics um eine Verbindung von Text und Bild, und mitunter werden bereits Höhlenmalereien, Wandgemälde aus dem alten Ägypten oder die Emblematik der frühen Neuzeit in die Tradition der Comics gesetzt. Diese Deutung ist allerdings ziemlich umstritten und wird oft als Versuch gewertet, dem Medium mehr Bedeutung zu verleihen und eine bessere „Ahnenreihe“ zu geben, um sich gegen eine abfällige Behandlung zu wappnen. In diesem Zusammenhang entstand auch das von Will Eisner geprägte Verständnis des Comics als „sequentielle Kunst“, als Medium, das durch eine Bildstrecke Geschichten erzählt. Dieses Verständnis hilft u.a. dabei, den Comic von eng verwandten Medien wie der Karikatur oder dem Einbildwitz, die ganz gerne ebenfalls als Comics bezeichnet werden (und im ursprünglichen Sinn des Wortes durchaus auch als solche betrachten werden können), abzugrenzen.

Der Begriff „Comic“ selbst leitet sich von „comical“ ab und geht auf die lustigen, gezeichneten Zeitungsbeilagen zurück, das Wort wurde im Verlauf des frühen 20. Jahrhunderts, als Comics in der Tat noch fast ausschließlich humoristisch waren, zum Oberbegriff für Bildergeschichten mit Sprechblasen und ist dies auch heute noch, was durchaus eine gewisse Problematik mit sich bringt, da Comics schon lange nicht mehr ausschließlich komische Inhalte haben, im Gegenteil. In diesem Zusammenhang beispielsweise ist der französische Begriff, „Bande Dessinée“ (gezeichneter Bildstreifen), weniger problematisch, da er neutraler ist. Schon seit langem versuchen sowohl Comicschaffende und Verlage als auch Leser, Kritiker und Wissenschaftler diesen Namen, der einen humoristischen Inhalt impliziert, zu umgehen. Am populärsten wurde die Ersatzbezeichnung „Graphic Novel“, die zugleich einen anspruchsvolleren Inhalt suggerieren soll und die definitiv eine separate Besprechung verdient.

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„A Contract with God“ verzichtet oft auf eine klassische Panelstrucktur

Die fundamentale Grundlage des Mediums ist der „comic strip“, eine miteinander verbundene Sequenz von Bildern, die jede Länge haben kann, von einem einzelnen Bild (gemeinhin als Panel bezeichnet) bis hin zu tausenden. Ebenso unterscheidet sich die Publikation, vom kurzen Zeitungsstrip über das typische Comicheft bis hin zur Buchform. Hier existieren zumeist bestimmte Konventionen, oft, aber nicht immer sind die Panels durch einen weißen Steg getrennt; in diesem „Zwischenraum“ findet die „Verbindungsarbeit“ des Lesers statt, der im Geist die Lücke zwischen den beiden Panels schließt. Oftmals bedienen sich die Panels bei der Darstellung der Methoden des Kinos, etwa durch die Verwendung der dort üblichen Einstellungen wie Totale, Halbtotale, Panorama etc. Ein Beispiel für einen Bruch mit den typischen Panel-Konventionen findet sich in „A Contract with God“. Will Eisner, Autor und Zeichner in Personalunion, verzichtete ganz bewusst auf weiße Stege und klassische Panelstrukturen, um sein Werk vom „typischen“ Comic abzuheben.

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„Prinz Eisenherz“ kommt gänzlich ohne Sprechblasen aus

Darüber hinaus handelt es sich beim Comic um eine Union von Text und Bild, das Medium ist in der Lage, beides zu einem einheitlichen, zusammengehörenden Werk zu verbinden. Gewöhnlich gibt es drei Arten von Text im Comic: Erzähltext, Dialoge und Lautmalereien. Die Dialoge werden zumeist, aber nicht immer, in Sprechblasen vermittelt. Hal Foster verwendete in „Prince Valiant“ („Prinz Eisenherz“) keine Sprechblasen, sodass der Text nicht wirklich ins Bild integriert ist – aus diesem Grund ist der Status der Serie als Comic auch umstritten. Das Weglassen von Sprechblasen kann auch als spezielles Stilmittel fungieren. In „Arkham Asylum: A Serious House on a Serious Earth“ (geschrieben von Grant Morrison und gezeichnet von Dave McKean) etwa wird die Besonderheit des Jokers u.a. dadurch hervorgehoben, dass sein Dialog nicht in Sprechblasen präsentiert wird, sondern in roter Schrift, die nur durch einen Strich mit der Figur verbunden ist. Der Bruch mit den Regeln und Konventionen des Mediums wird vor allem im Bereich der anspruchsvollen Comics gerne als Ausdrucksmittel verwendet.

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Der Mangel an Sprechblasen hebt die Andersartigkeit des Jokers hervor

Nach dieser grundsätzlichen Definition ist nun noch ein kurzer Blick auf die verschiedenen Comictraditionen nötig. Während die meisten Länder in der einen oder anderen Form eine literarische Tradition besitzen, verhält sich dies bei Comics aus mehreren Gründen (etwa, weil das Medium noch verhältnismäßig jung ist) anders. Obwohl es in vielen Ländern Comics gibt, findet man weltweit nur drei wirklich umfassende Comictraditionen: Die (anglo-)amerikanische, die franko-belgische und die japanische. Alle drei entwickelten sich verhältnismäßig isoliert voneinander und begannen auch erst spät, sich gegenseitig zu beeinflussen. Das Medium selbst stammt ursprünglich aus den USA und die amerikanische Comictradition ist diejenige, in der ich mich mit Abstand am besten auskenne. Das bedeutet nicht, dass ich die anderen beiden in irgendeiner Form für minderwertig halten würde. Allerdings ist es aufgrund der relativ isolierten Entwicklung nur schwer möglich, im Rahmen dieser Artikelreihe alles unter einen Hut zu bekommen (und im Manga-Bereich kenne ich mich ohnehin nicht genug aus), deshalb behandle ich lediglich die Geschichte der amerikanischen Comics.

Literaturempfehlungen:
– Ditschke, Stephan; Kroucheva, Katerina; Stein, Daniel (Hg.): Comics. Zur Geschichte und Theorie eines populärkulturellen Mediums
– Frahm, Ole: Die Sprache des Comics
– McCloud, Scott: Comics richtig lesen
– Packard, Stephan: Anatomie des Comics. Psychosemitotische Medienanalyse
– Schikowski, Klaus: Der Comic. Geschichte, Stile, Künstler
– Schüwer, Martin: Wie Comics erzählen. Grundrisse einer intermedialen Erzähltheorie der grafischen Literatur

Die Geschichte des amerikanischen Comics:
Teil 2: Das Platinzeitalter
Teil 3: Das Goldene Zeitalter

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