Blogparade: Jesus 2.0 – Die sieben besten Erlöser

Spoiler zu „Game of Thrones Staffel 5“ und „Batman v Superman: Dawn of Justice“

Die singende Lehrerin hat mal wieder zu einer interessanten Blogparade aufgerufen, dieses Mal passend zu Ostern mit dem Thema „messianische Erlöserfigur“. Auserwählte, die sich selbst opfern und mit ihrem Tod die Welt retten, gibt es für meinen Geschmack in der Populärkultur leider viel zu viele. Natürlich ist klar, weshalb: Die Passion Christi (ich meine nicht den Mel-Gibson-Film) ist nun mal eine der grundlegenden Geschichten der christlich geprägten Welt, und auch in anderen Erdteilen ist dieses Konzept alles andere als unbekannt. In der Zwischenzeit gibt es so viele Versionen des Pseudo-Jesus, dass das Konzept einfach nicht mehr interessant ist, besonders, weil kaum jemand es schafft, dem Ganzen eine neue Facette abzugewinnen. Wie dem auch sei, hier sind meine sieben Jesus-Verschnitte, die Reihenfolge ist willkürlich.

Anakin Skywalker („Star Wars“)
Die von Joseph Campbell dargestellte Heldenreisethematik und das Erlöserkonzept gehen oft Hand in Hand – nur allzu oft ist der arme Bauernjunge, der unverhofft zum Helden wird, auch gleich von Gott oder einer anderen höheren Macht auserwählt, die Welt zu retten oder, wie in diesem Fall, der Macht das Gleichgewicht zu bringen. Luke Skywalker würde sich im Kontext dieser Blogparade vielleicht auch anbieten, aber der eigentliche Auserwählte ist Anakin. Während die Jesus-Parallelen bei Luke eher subtil sind, hat sich George Lucas bei Anakin kaum zurückgehalten. Er ist der Auserwählte, dessen Ankunft vor tausenden von Jahren prophezeit wurde, das Resultat einer unbefleckten Empfängnis und am Ende opferte er sich schließlich, um das Böse endgültig in seine Schranken zu weisen. Gut, Jesus hat sich nie temporär mit Satan verbündet, Kinder abgeschlachtet und für eine brutale Diktatur Armeen in die Schlacht geführt, aber von diesen kleinen Details einmal abgesehen sind die Parallelen wirklich überdeutlich.

Frodo/Gandalf („Der Herr der Ringe“)
Professor Tolkien war überzeugter Katholik und das zeigt sich auch im „Herrn der Ringe“, wenn man zwischen den Zeilen liest. Allerdings hatte er auch eine ausgeprägte Abneigung gegenüber Allegorien, weshalb sich zwar bei einigen Figuren seines Werkes gewisse Parallelen zu Jesus finden, aber keine wirklich als „Christus von Mittelerde“ gelten kann (anders als bei gewissen anderen Fantasy-Autoren). Frodo ist natürlich das offensichtlichste Beispiel, er durchlebt einen Leidensweg, um Mittelerde zu retten. Allerdings ist er keine wirklich messianische Figur, seine Ankunft wurde nicht prophezeit, er ist höchstens ein impliziter Auserwählter, primär gelangt er an den Ring durch Zufall (sofern wir hier nicht von einem göttlichen Plan ausgehen), behält ihn auch nur, weil es für die Freien Völker so am sichersten und stirbt auch keinen Opfertod inklusive Auferstehung, um die Welt zu erlösen. Sein Ende erinnert viel eher an das von König Artus, der auf Avalon Ruhe findet, um seine tiefen Wunden heilen zu lassen. Gandalf ist derjenige, der einen Opfertod stirbt, damit die Gefährten fliehen können, und dann wieder zurückkehrt, um seine Aufgabe zu vollenden. Diese Aufgabe ist im Vergleich zu Frodos allerdings sekundär, im Grunde verhindert nur Kollateralschäden und sorgt für Ablenkung. Bis auf Opfertod und Auferstehung hat Gandalf viel mehr mit dem nordischen Gott Odin oder dem finnischen Zauberer Vainämöinen gemein als mit Jesus.

Aslan („Die Chroniken von Narnia“)
C.S. Lewis war ein Zeitgenosse und Freund Tolkiens und nach seiner Konvertierung ebenso überzeugter Christ, wenn auch anglikanisch und nicht katholisch. Mit seiner siebenbändigen Narnia-Reihe hat er ebenfalls einen Klassiker der Fantasy-Literatur verfasst, anders als Tolkien arbeitet Lewis bezüglich der christlichen Inhalte aber mit dem Holzhammer. Aslan besitzt nicht nur Eigenschaften von Jesus, Aslan IST Jesus – C.S. Lewis hat selbst einmal erklärt, er habe sich überlegt, welche Gestalt Jesus wohl in einer anderen Welt, in diesem Fall Narnia, annehmen würde. Zwar mag er ein Löwe sein, aber ansonsten passt alles: Aslan ist der Sohn des Kaisers jenseits des Meeres (wer damit wohl gemeint sein könnte?) und in „Der König von Narnia“ opfert er sich, geht als Lamm zur Schlachtbank, wird gequält, hingerichtet, steht wieder auf und beißt der Weißen Hexe den Kopf ab. Alles vollkommen biblisch.

Harry Potter („Harry Potter“)
Und nochmal ein Auserwählter, der den Opfertod stirbt. Um ehrlich zu sein: Harry Potters Selbstopfer gehört zu den Aspekten, die mir „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ kräftig vermiest haben. Nicht nur ist diese Wendung, wie bereits erwähnt, in meinen Augen ziemlich ausgelutscht, Aufbau und Hinführung sind auch noch so fürchterlich schlecht konstruiert und uninspiriert (Stichwort Elderstab). Damit Jesus-Harry sich am Ende nicht selbst die Hände schmutzig macht, muss Voldemort von seinem eigenen Zauber getötet werden – schon wieder. Ich bin da immer noch traumatisiert.

Neo („Matrix“)
Selbst in einer von Maschinen beherrschten Welt, in der Gott eigentlich keine Rolle spielt (zumindest oberflächlich betrachtet), ist man vor einem Pseudo-Jesus nicht sicher. Die ganze Angelegenheit ist äußerst konfus, maschineninhärent und Wiedergeburt spielt offenbar auch eine Rolle, weil Neo der sechste Auserwählte ist und im Grunde nur als Systemneustart der Matrix funktionieren soll. Neo durchbricht jedoch den Kreislauf und, wie könnte es anders sein, opfert sein Leben, um die Menschheit zu retten. Er wird nicht ans Kreuz genagelt, sondern prügelt sich zu apokalyptisch-grandioser Musik mit Agent Smith und darf auch nicht wiederkommen (immerhin da sind die Wachowskis konsequent, jedenfalls bis Warner beschließt, dass ein weiteres Matrix-Sequel her muss), aber es ist trotzdem eine Holzhammer-Allegorie.

Superman („Superman“)
Eine weitere Figur mit mehr Jesus-Parallelen, als ihr gut tun. Das fängt schon beim kryptonischen Namen an: Kal-EL (hochsubtil). Für Supermans Ursprungsgeschichte haben seine Schöpfer Jerry Siegel und Joe Shuster praktisch die Erzählungen von Moses und Jesus miteinander verknüpft und in ein Science-Fiction-Setting verfrachtet. In den Comics (zumindest den meisten) hat man sich inzwischen dankenswerterweise von der Jesus-Symbolik ein wenig distanziert, aber die diversen Filme tragen diesbezüglich noch einmal richtig dick auf. In Richard Donners „Superman“ von 1978 sagt Jor-El doch tatsächlich: „Live as one of them, Kal-El, to discover where your strength and your power are needed. But always hold in your heart the pride of your special heritage. They can be a great people, Kal-El, they wish to be. They only lack the light to show the way. For this reason above all, their capacity for good, I have sent them you… my only son.” Während das schon ziemlich plakativ ist, hat Zack Snyder aber wirklich den Vogel abgeschossen: „Man of Steel“ quillt nur so über vor Jesus-Symbolik. Superman hatte eine spezielle Geburt (das erste kryptonische Kind seit langer Zeit, das natürlich geboren wurde), ist in diesem Film 33 und wird ständig im Kontext christlicher Bildsprache gezeigt, als Kreuz, in der Kirchenszene sieht man seinen Kopf neben einer Abbildung Christi als Gleichgestellte etc. Damit auch wirklich der Letzte kapiert, was hier ausgedrückt werden soll. Und in „Batman v Superma: Dawn of Justice“ geht’s genau so weiter, Lex Luthor spricht ständig in religiösen Metaphern, der Kryptonitspeer erinnert an einen gewissen anderen Speer und dann ist da natürlich Supermans Opfertod samt angedeuteter Auferstehung. Als ob das noch nicht genug wäre, kam der Film auch noch in der Karwoche in die Kinos. Wirklich?

Azor Ahai („A Song of Ice and Fire“)
Der wahrscheinlich interessanteste Eintrag auf dieser Liste stammt aus Geore R.R. Martins nach wie vor unvollendeter Fantasy-Reihe (wo bleibt „The Winds of Winter“?). Azor Ahai ist ein legendärer Held, der viele tausend Jahre vor der eigentlichen Handlung der Romane gegen finstere Mächte kämpfte und seither als Messias-Figur für den Glauben der Roten Priester fungiert. Die Anhänger des Feuergottes R’hllor glauben, Azor Ahai würde eines Tages wiederkehren, um die Finsternis endgültig zu besiegen. Melisandre, die mit Abstand prominenteste Vertreterin dieser Religion in den Romanen, vermischt die Prophezeiung von Azor Ahais Wiederkehr mit einer anderen Weissagung bezüglich des „prince that was promised“, der zwischen Fels und Salz geboren und dessen Ankunft von einem roten Kometen begleitet wird. Melisandre selbst glaubt, Stannis Baratheon sei besagter Prinz und damit auch der wiedergeborene Azor Ahai. Es gibt jedoch diverse andere Kandidaten, nicht zuletzt Daenerys Targaryen oder Jon Snow. Da Letzterer am Ende von „A Dance with Dragons“ das zeitliche gesegnet hat, könnte er sogar wieder auferstehen, was ihn noch messianischer machen würde. Aber so wie ich George R.R. Martin kenne, wird die Antwort sicher nicht simpel sein und einen besonderen Twist haben.

Batman v Superman: Dawn of Justice – Soundtrack

bvsscore

Track Listing:

CD 1:
01. Beautiful Lie
02. Their War Here
03. The Red Capes Are Coming
04. Day Of The Dead
05. Must There Be A Superman?
06. New Rules
07. Do You Bleed?
08. Problems Up Here
09. Black and Blue
10. Tuesday
11. Is She With You?
12. This Is My World
13. Men Are Still Good (The Batman Suite)

CD 2 (Special Edition Bonus Tracks):
01. Blood of my Blood
02. Vigilante
03. May I Help You, Mr. Wayne?
04. They Were Hunters
05. Fight Night

Hans Zimmer ist nicht der erste Komponist, der für mehrere Inkarnationen des Dunklen Ritters die Musik schrieb. Christopher Drake komponierte sowohl Scores für diverse DC-Zeichentrickfilme, darunter etwa „Batman: The Dark Knight Returns“, „Batman: Year One“ und „Batman: Under the Red Hood“, als auch für das Spiel „Batman: Arkham Origins“ (in meinen Augen seine in dieser Hinsicht bislang gelungenste Arbeit). Zimmer besitzt aber einen völlig anderen Bekanntheitsgrad, weshalb dieser Umstand viel mehr Aufmerksamkeit erregte. Zimmer zeigte sich im Vorfeld von „Batman v Superman: Dawn of Justice“ eher zögerlich und erklärte schließlich, dass er sich für Snyders zweiten DC-Film („Watchmen“ nicht mitgerechnet) vor allem weiter um die Superman-Musik kümmern würde, während der Holländische DJ und Komponist Tom Holkenborg alias Junkie XL („Mad Max: Fury Road“, „300: Rise of an Empire“) die Batman-Seite der Geschichte vertonen würde. Diese Kollaboration ist nun wahrlich nichts Besonderes, Holkenborg ist ein Komponist aus Zimmers Score-Schmiede Remote Control Productions und arbeitete bereits an „The Dark Knight Rises“ und „Man of Steel“ mit, für „Dawn of Justice“ wurde er also lediglich zum Co-Komponisten befördert. Letztendlich hat Zimmer dann, laut eigener Aussage, doch auch am neuen Batman-Thema mitgewirkt, es war also eine vollständige Kollaboration. In Interviews betonten Zimmer und Holkenborg , wie schwer es gewesen sei, für einen ikonischen Charakter wie Batman einen neuen Sound zu entwickeln. Das Ergebnis hat mich allerdings absolut nicht überzeugt.

Wie nicht anders zu erwarten, baut der Score stark auf dem Stil des Vorgängers auf: Extrem simple melodische Konstrukte, ausgeprägter Minimalismus, tief dröhnende Bässe, viele, viele Percussions und noch mehr Elektronik und synthetisches Sounddesign. Stilistische Kontinuität ist also gegeben, was normalerweise bei mir ein Pluspunkt wäre, aber bei DIESEM Stil… Mir gelingt es bei dieser Art von Soundtrack kaum, mich emotional auf die Inhalte einzulassen. Gerade bei „Man of Steel“ habe ich oft das Gefühl, dass Zimmer sich hier an einer neuen Form des Micky-Mousing versucht: Statt wie beim herkömmlichen Micky-Mousing die Bewegungen auf der Leinwand direkt in Musik umzusetzen, werden die Soundeffekte imitiert. Wenn der Weltenwandler auftaucht und seine Strahlen verschießt, sind Musik und Soundeffekte kaum mehr unterscheidbar, was ich ebenso unsinnig wie unnötig finde. Anstatt nur zu dröhnen, könnte die Musik etwas über die Emotionen der Figuren oder die Bedeutung der Szene verraten. Das ist in Actionszenen besonders relevant (und gilt natürlich auch für „Dawn of Justice“): Das Übermaß an Percussions kommt zu den Soundeffekten nur hinzu, ohne irgendetwas auszusagen, und ist dann auch noch so simpel und unkreativ wie möglich. Das ist für mich kaum noch Musik, das ist Lärm.

Nicht nur stilistisch, sondern auch thematisch wird das eine oder andere Element wieder aufgegriffen. Von einer tatsächlichen Weiterentwicklung kann allerdings kaum die Rede sein. In „Man of Steel“ gab es immerhin eine minimale Entwicklung des Supermanthemas, das in Tracks wie Flight oder What Are You Going to Do When You Are Not Saving the World? immerhin halbwegs heroisch klang. Wer eine derartige Version des Themas in „Dawn of Justice“ sucht, wird wohl bitter enttäuscht werden. Außerdem klingt jede Version des Themas in diesem Score, als wäre sie direkt aus „Man of Steel“ übernommen worden. In Day of the Dead ist die klavierlastige Clark-Kent-Version direkt am Anfang zu hören, für Superman hat Zimmer das Thema im Vergleich zum Vorgänger sogar auf zwei, drei Notenpaare reduziert, die ebenfalls in Day of the Dead (ab 1:12) mehrmals erklingen und abermals völlig ohne Veränderung übernommen wurden. In der zweiten Hälfte von Day of the Dead spielt Zimmer noch ein wenig mit diesen Paaren. In This Is My World erklingt noch einmal die Clark-Kent-Variation (so gut wie identisch zur vorherigen) und eine aufsteigende Tonfolge, die ebenfalls mit dem Supermanthema zusammenhängen könnte und stark an das Ende von If You Love These People aus „Men of Steel“ erinnert. In Men Are Still Good (The Batman Suite) ist noch ein paar Mal die unveränderte Superman-Version zu hören, und das war’s dann auch schon im Großen und Ganzen.

Kommen wir nun zu den essentiellen neuen Themen, von denen es drei gibt. Das erste gehört zu Lex Luthor und ist ausgiebig in The Red Capes Are Coming und am Anfang von Problems Up Here zu hören. Besagtes Thema ist eindeutig mein Favorit, da es wie etwas klingt, das eher zu „Pirates of the Caribbean“ oder „Sherlock Holmes“ passt, Zimmer-Scores also, die mir tatsächlich gefallen. Das Luthor-Thema wird von Klavier und Geigen gespielt, ist ebenfalls sehr simpel, aber abgedreht und unterhaltsam, was sich vom Rest des Soundtracks nicht sagen lässt. Auch passt das Thema recht gut zu dieser Interpretation von Lex Luthor, die mir zwar nicht zusagt, aber dafür kann man Zimmer und Holkenborg nicht die Schuld geben. Aber selbst hier zeigt sich eines der Probleme bezüglich der Leitmotive bei „Dawn of Justice“: Sie werden kaum variiert und eine Entwicklung sucht man vergebens. Selbiges trifft leider auch auf das Wonder-Woman-Thema zu, das sich auf dem Album nur ein bzw. mehrmals kurz hintereinander findet (Is She With You?, gleich zu Beginn), im Film selbst aber noch an ein, zwei weiteren Stellen erklingt. Es handelt sich dabei wiederum um ein sehr simples Motiv, das auf dem elektrischen Cello gespielt wird; hierfür heuerte Zimmer extra die Cellistin Nina Guo an. Das Positivste, was sich über dieses Thema sagen lässt ist, dass es aus dem Rest des Scores ziemlich heraussticht. Ansonsten habe ich aber massive Probleme, dieses Thema mit Wonder Woman zu assoziieren, weil ich es fürchterlich unpassend finde. Wonder Woman sollte eine erfahrene, ausgeglichene Kriegerin sein, hier höre ich aber ausschließlich unangebrachte und chaotische Aggressivität.

Und schließlich das Batman-Thema, das auch das erste ist, das auf dem Album zu hören ist (Beautiful Lie): Es besteht im Kern aus sechs identischen Hornstößen in einem bestimmten Rhythmus, oft untermalt von Percussions oder Chor. An ein, zwei Stellen wird es zusätzlich noch von einer leicht auf- und absteigenden Tonfolge aus zwei Akkorden begleitet, die entfernt tatsächlich an eine Melodie erinnert und zum Beispiel in Their War Here, ab 0:13 und Men Are Still Good (The Batman Suite) ab 11:55 erklingen. Ich gehe mal davon aus, dass es sich bei dieser Kombination um das eigentliche Thema handelt, was sich aber schwer feststellen lässt, weil sie kaum auftaucht. Wirklich? DAS ist das Beste, was Zimmer und Holkenborg für Batman eingefallen ist? Mal ehrlich, das kann man kaum ein Batman-Thema nennen, das ist eher ein Batman-Rhythmus. Zugegeben, es gibt ein paar Stellen, an denen dieses Konstrukt halbwegs effektiv ist, etwa in der Eröffnungsszene, die die Ermordung der Waynes thematisiert; Aufbau und Andeutung des Motivs sind hier recht akzeptabel und funktional. Die Probleme, die dieses „Thema“ mit sich bringt sind mannigfaltig: Es ist so simpel, dass es außer Aggressivität nichts ausdrückt. Es kann nicht fragmentiert werden, die Variationsmöglichkeiten sind extrem beschränkt und nach den ersten beides Tracks des Albums bereits fast vollständig ausgeschöpft. Da es aber ohne nennenswerte Abwandlung ständig gespielt wird (neben den bereits genannten Tracks u.a. auch in New Rules, Do You Bleed, Black and BlueVigilante und Fight Night) beginnt es sehr schnell nervig zu werden.

Beim Titel des Films könnte man nun erwarten, dass sich die beiden Themen ebenso wie die zugehörigen Helden duellieren, das ist aber kaum der Fall. Ansätze finden sich vielleicht noch in Do You Bleed?, es gibt ein paar Statements des Batman-Rhythmus und hin und wieder meint man, zwei Noten des Superman-Themas zu hören, aber all das geht im Lärm der Percussions und im Dröhnen der Ohrenkrebs erzeugenden Elektronik unter. Diese beiden Elemente setzen Zimmer und Holkenborg leider auch sehr ausgiebig ein. Sobald die Action losgeht, wird ohne Rücksicht auf Verluste losgetrommelt, und einige Tracks des Albums sind für mich wirklich unerträglich – das beste Beispiel ist Must There Be a Superman, und Tuesday ist kaum besser. Wie einige andere Soundtrack-Rezensenten bin ich auch zu der Ansicht gelangt, dass „Dawn of Justice“ oftmals eher wie ein Horror- denn ein Superheldenscore klingt, und leider nicht mal ein besonders guter Horror-Score.

Fazit: Die Musik, die Hans Zimmer und Tom Holkenborg für „Batman v Superman: Dawn of Justice“ komponiert haben, weist vielleicht eine Handvoll gelungener Momente auf, ist aber übermäßig simpel, repetitiv, minimalistisch, substanzlos, nervig und in einigen Tracks schlicht unerträglich. Thematische Entwicklung oder Variation ist praktisch nicht vorhanden, die neuen Leitmotive sind ziemlich unpassend und wenn doch mal eine brauchbare Idee auftaucht, wird sie zumeist in nervtötenden Percussions und hässlicher Elektronik erstickt. Es wird Zeit, dass dieser Trend in der Filmmusik ausstirbt.

Siehe auch:
Man of Steel – Soundtrack
Music of the Bat

Batman v Superman: Dawn of Justice

bvs
Story:
18 Monate, nach dem die Kryptonier unter General Zod (Michael Shannon) die Erde angegriffen haben und von einem der Ihren besiegt wurden, ist Superman (Henry Cavill) eine höchst umstrittene Figur: Manche sehen den Mann aus Stahl als Erlöser, andere sind der Meinung, er sei eine globale Bedrohung für die Menschheit. Zu Letzteren gehört auch Bruce Wayne (Ben Affleck), der die Resultate des Kampfes zwischen Superman und Zod aus nächster Nähe miterlebt hat. Zufälligerweise ist er auch Batman, und als solcher hat er wohl am ehesten eine Chance, Superman zu besiegen, sollte er sich gegen die Menschheit wenden. Der Großindustrielle Lex Luthor (Jesse Eisenberg) sieht die Situation ganz ähnlich, arbeitet aber noch aktiver gegen den Mann aus Stahl und versucht, eine Superheldenkonfrontation herbeizuzwingen. Natürlich hat er auch noch einige zusätzliche Asse im Ärmel…

Kritik: Wie sich herausgestellt hat, sind Hollywood-Studios einfach nicht lernfähig: Mit „Batman v Superman: Dawn of Justice“ begeht Warner Bros. im Großen und Ganzen fast dieselben Fehler wie Sony mit „The Amazing Spider-Man 2“. Mit anderen Worten: Das erste Aufeinandertreffen der beiden ikonischen Figuren Batman und Superman ist ein Film, der ziemlich an Persönlichkeitsspaltung leidet und äußerst überladen wirkt – viele der Dinge, die ich im Vorfeld befürchtet hatte, sind tatsächlich auch eingetroffen.

Aber werfen wir zuerst einen Blick auf die Dinge, die mir gut gefallen haben. Vor allem in einem Punkt ist eine sehr deutliche Verbesserung gegenüber „Man of Steel“ spürbar: Die Kameraführung. Zum Glück hat Snyder dieses Mal auf die fürchterliche (und im Fall von „Man of Steel“ völlig nutzlose) Shaky-Cam verzichtet, sodass „Dawn of Justice“ sehr viel angenehmer zu schauen ist als der Vorgänger. Allgemein gilt: Stilistisch ist „Dawn of Justice“ näher an „Watchmen“ als an „Man of Steel“, was ich ebenfalls begrüße, denn bei Snyders Superman-Film bin ich einfach das Gefühl nicht losgeworden, dass er versucht hat, Nolans Stil zu kopieren. Auch einige der Darsteller haben ihre Sache wirklich gut gemacht, dazu gehören vor allem die drei Neuzugänge Ben Affleck, Gal Gadot und Jeremy Irons. Ich mochte den an „Batman: Earth One“ angelehnten, jüngeren und aktiveren Alfred, der eher Mechaniker denn Butler ist. Wonder Woman hatte noch keine wirklich große Rolle, weswegen dieses Urteil vielleicht ein wenig verfrüht ist, aber das, was von ihr zu sehen war, war doch schon sehr überzeugend. Und schließlich Ben Affleck, der wirklich gut als Bruce Wayne und Batman funktioniert, sowohl optisch als auch schauspielerisch. Leider ist die Figurenkonzeption wieder eine andere Geschichte… Und dann sind da noch einige wirkliche eindrucksvolle Set-Pieces, etwa die bereits aus dem letzten Trailer bekannte Bat-Rettung, DCs Trinität in Aktion und nicht zuletzt der titelgebende Kampf selbst, sofern man dessen Ende ausklammert.

Die Probleme des Films sind vor allem struktureller und narrativer Natur. Wie bei „The Amazing Spider-Man 2“ ist sehr deutlich, dass Warner unbedingt ein größeres Superheldenuniversum etablieren möchte, aber nicht die nötige Geduld dafür hat. „Dawn of Justice“ ist höchst inkohärent und unfokussiert, weil Snyder (und/oder Warner) zu viel gleichzeitig möchten: Der Film soll „Man of Steel“ fortsetzen, er soll Batman und Wonder Woman und ein größeres „DC Extended Universe“ etablieren und die Justice League vorbereiten. Und viel Action muss es auch noch geben. Nur leider schafft es das von David S. Goyer und Chris Terrio verfasste Drehbuch nicht, all das sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Vor allem im ersten Drittel werden viele interessante Punkte aufgeworfen, es wirkt mitunter, als reagiere „Dawn of Justice“ auf die kritische Rezeption des Vorgängers. Dabei gelingt es Snyder aber einfach nicht, einen guten narrativen Fluss in das Unterfangen zu bringen, die einzelnen Handlungsstränge wirken oft nur angerissen und nicht konsequent zu Ende gedacht. Eine der größten Schwächen des Films ist der von Jesse Eisenberg dargestellte Lex Luthor, der mir rundum überhaupt nicht gefallen hat. Eisenbergs Performance wirkt, vor allem wegen der Körpersprache und den Ticks, als versuche er, Heath Ledgers Joker zu kanalisieren, was für mich einfach nicht funktioniert. Außerdem bleibt er als Figur völlig flach und undurchsichtig. Warum hasst er Superman? Einfach aus Angst vor dem, was er tun könnte? Warum will er, dass Superman Batman tötet? Haben sie einen gemeinsamen Hintergrund? Luthor weiß, dass Bruce Wayne Batman ist. Woher? Und so weiter, und so weiter. Ganz allgemein gibt es ziemlich viele Logiklöcher und offene Fragen, nicht nur in Bezug auf Luthor.

Auch mit der Konzeption der beiden Hauptfiguren habe ich einige Probleme. Superman wirkt vor allem zu Anfang sehr selbstgerecht und arrogant. Er hadert mit sich, stellt sich interessante Fragen, aber letztendlich ist das eher Alibi-mäßig, denn eine wirkliche Entwicklung macht er nicht durch. Bruce Wayne ist da für mich nachvollziehbarer, vor allem dank der Szene zu Anfang, in der er die Schlacht zwischen Zod und Superman als Zuschauer miterlebt und die eine der besten des Films ist. Hier wird eindrücklich und intensiv die Hilflosigkeit Bruce Waynes vermittelt. Der weitere Aufbau der Figur, die Entwicklung bis zur Auseinandersetzung der beiden Superhelden, hätte zwar noch besser dargestellt werden können, ist aber doch recht funktional. Der Kampf selbst ist beeindruckend, endet dann aber sehr abrupt, und ganz plötzlich sind Batman und Superman auf derselben Seite. Auch hier wird die Charakterentwicklung nicht deutlich, sie macht einen Sprung, der besonders am Ende (das auch sehr problematisch ist und über das ich an anderer Stelle noch schreiben werde) sehr negativ auffällt. Außerdem finde ich die Kollateralschäden, die dieser Batman einzugehen bereit ist, irgendwie störend, das wirkt für mich ziemlich Out of Character. Ja, dieser Batman tötet. Und das ist wirklich eine essentielle Veränderung im Charakter der Figur. Insgesamt habe ich den Konflikt der Weltsichten vermisst. Wenn Batman und Superman in den Comics aneinander geraten, hängt das fast immer mit ihrer persönlichen Philosophie und Weltsicht zusammen. Gewisse Ansätze waren da, aber wie so vieles bleiben sie unterentwickelt. Oft fand ich die Figuren in ihrer Konzeption nicht recht greifbar, was es mir schwerer gemacht hat, mich emotional auf sie einzulassen (dieses Problem war auch in „Man of Steel“ schon vorhanden). Die mangelnde emotionale Kapazität des Films könnte natürlich auch mit dem Score von Hans Zimmer und Junkie XL zusammenhängen, den ich ziemlich fürchterlich fand.

Und dann wären die diversen DC-Tie-ins, die sehr ungeschickt und unmotiviert platziert wurden. Wie gesagt, ich mochte Wonder Woman, aber im Grunde ist sie für diesen Film fast überflüssig. Die Cameo-Auftritte einiger anderer DC-Figuren sind extrem plump und haben im Grunde wirklich keinen anderen Zweck, als die Justice-League anzuteasern. Ebenso wirkt „Bat Max: Fury Road“ eher verwirrend denn erhellend. So uninspiriert Thors Ausflug in die Nornenhöhle in „Age of Ultron“ auch war, immerhin hat Joss Whedon es geschafft, ihr ein wenig Plotrelevanz zu verpassen.

Fazit: „Batman v Superman: Dawn of Justice“ ist visuell beeindruckend und hat durchaus gelungen Elemente, vor allem Ben Affleck als Batman, hat aber einige massive Plot- und Drehbuchprobleme. Der Film soll zu viel leisten und arbeitet alles letztendlich nur sehr halbherzig ab, besonders die Charakterisierung von Batman, Superman und Lex Luthor erweist sich öfter als problematisch. Letztendlich sind hier zu viele Filme in einem gelandet.

Trailer

Kampf der Giganten:
Prämisse
TDKR: Batman vs. Superman
S:TAS: World’s Finest
Kingdom Come
Brian Azzarellos Wonder Woman
Lex Luthor: Man of Steel

Siehe auch:
Man of Steel

Gute Musik

„Gute Musik“ – zwei Worte, die man nur allzu oft hört, besonders wenn man Musik bevorzugt, die eher einem Nischengenre angehört und aus dem einen oder anderen Grund mit dem breiten Mainstream nicht besonders harmoniert, wie etwa orchestrale Filmmusik. Wie oft hört man: „Jetzt mach aber mal gute Musik an!“ Alternativ auch: „Okay, jetzt hören wir aber richtige Musik.“ Der Versuch dagegen, „gute Musik“ (oder gar „richtige Musik“) zu definieren, fällt den meisten Menschen nicht besonders leicht. Wie in allen anderen Bereichen auch gibt es natürlich genug Leute, die meinen, sie könnten objektiv bewerten, ob Musik gut ist oder nicht. Solche Leute gehen mir meistens auf die Nerven. Wie dem auch sei, für die meisten Menschen ist gute Musik Musik, die ihnen gefällt bzw. sie in irgendeiner Form emotional berührt. Im Grunde eine passende Definition, aber auch so subjektiv wie nur irgend möglich, schließlich gefällt wohl fast jede Art von Musik irgendjemandem, sonst würde sie nicht existieren. Gerade in dieser Hinsicht ist Filmmusik natürlich besonders interessant, da sie in höchstem Maße zweckgebunden ist und nicht, zumindest nicht in erster Linie, als angenehmes Hörerlebnis gedacht ist – sie möchte ihren Film unterstützen.

Nun liegt mir nichts ferner, als zu versuchen, allgemeine Kriterien zur Definition guter Musik aufzustellen – das ist in meinen Augen schlicht nicht möglich. Natürlich lässt sich Musik analysieren, auseinandernehmen, auf Komplexität und Innovation hin untersuchen etc. Man weiß, wie welche Intervalle und Notenkombinationen auf uns wirken, zumindest theoretisch. Aber das ist zum einen auch kulturbedingt und zum anderen nach wie vor sehr individuell – dem einen gefällt Musik, die dem anderen Kopfschmerzen bereitet.

Kaum jemand wird wohl bestreiten, dass eine Fuge von Bach komplexer ist als moderne Popmusik. Zwölftonmusik von Arnold Schönberg ist zweifelsohne innovativ, denn so etwas hat man vorher definitiv noch nicht gehört. Ob man das will, ist dann wieder eine andere Frage. Manchmal ist etwas Einfaches und oder Bewährtes weitaus wirkungsvoller als etwas Komplexes oder Innovatives – es hängt immer davon ab, was man als Künstler erreichen oder ausdrücken möchte. Aber gute Musik lediglich über die emotionale Reaktion zu definieren, ist mir dann doch wieder zu leicht und ungenau. Manche Menschen sind in Bezug auf Musik nicht sehr wählerisch, ihnen gefällt sehr viel. Andere, und dazu zähle ich mich, sind eher Musik-Snobs, sie (wir) haben einen eher eingeschränkten Musikgeschmack und stören sich leichter an Musik, die nicht in ihre Wohlfühlzone fällt. Das hat einige Nachteile; wenn es um Kriterien zur Geschmacksbestimmung geht, gibt es aber auch diverse Vorteile. Je eingeschränkter der Geschmack, desto besser lässt er sich bestimmen. Dieser Artikel ist der Versuch, meine eigene, ganz persönliche und subjektive Definition guter Musik (die niemand teilen muss) anhand von drei Kategorien aufzustellen. Die Merkmale, die diese Kategorien ausmachen, sind keinesfalls absolut: Wenn eines, zwei oder sogar alle drei zutreffen, bedeutet es nicht, dass mir das entsprechende Musikstück gefallen MUSS, der emotionale Faktor ist letztendlich immer noch ausschlaggebend. Aber je mehr Merkmale zutreffen, desto höher ist die Chance, dass es mir gefällt. Im Gegenzug kennen wir es sicher alle, dass wir ein Lied hören, das uns eigentlich nicht gefallen sollte, es aus für uns nicht nachvollziehbaren Gründen aber trotzdem tut.

1. Melodie
Eigentlich relativ ziemlich simpel: Ich bin ein Mensch, der auf Melodien stark anspricht. Melodielose Musik sollte der zweiten Kategorie angehören, um mir zu gefallen. Das bedeutet natürlich fast automatisch, dass viele Musikgenres, in erster Linie diejenigen, die ausschließlich oder zum größten Teil auf Rhythmus und Beats statt Melodie basieren, mir nicht zusagen, egal ob House, Dance, Trance, Hip Hop etc. Musik dieser Genres langweilt mich bestenfalls und geht mir schlimmstenfalls ziemlich auf die Nerven; mit gleichförmiger, wummernder Tanzmusik kann man mich jagen. Dennoch ist dieses Kriterium dasjenige, das in Ermangelung eines besseren Wortes, am unwichtigsten ist, jedenfalls im Vergleich zu den anderen beiden.

Beispiele für Musik, die mir beispielsweise vor allem aufgrund ihrer melodischen Qualitäten gefällt, sind die Songs, die Jim Steinman für Meat Loaf (und andere) komponiert hat. So gerne Steinman seine Melodien auch recycelt, man muss anerkennen, dass sie wirklich verdammt opulent sind – nicht umsonst bezeichnet er seine Musik als „Wagnerian Rock“. Ich mag meine Melodien opulent, extrovertiert und ausdrucksstark. Musik ist Emotion, warum sollte man sich hier zurückhalten? Das Idealbeispiel wäre wohl I’d Do Anything for Love (But I Won’t Do That): Was für ein kitschiger Text, was für eine grandiose Melodie, die dafür sorgt, dass das Ganze perfekt funktioniert. Nebenbei bemerkt: Dieser Song sollte unbedingt in der ungekürzten, zwölfminütigen Version gehört werden, nicht in der verstümmelten Musikvideofassung, die ich hier eingebettet habe.

Am Rand meines persönlichen Wohlfühlspektrums befinden sich dann Songs wie In the Land of the Pig, the Butcher is King, welches zumindest für Meat-Loaf-Verhältnisse ziemlich hart und unmelodisch ist, mir aber immer noch gefällt – gerade noch so, könnte man sagen. Im Vergleich dazu trifft das von Desmond Child geschriebene The Monster is Loose, das stilistisch recht ähnlich ist, meinen Geschmack dann schon nicht mehr; wahrscheinlich fehlt mir da einfach die Steinman’sche Sensibilität.

2. Orchester
Ich liebe das Orchester. Ich liebe die Komplexität, ich liebe das nuancierte und perfekt abgestimmte Zusammenspiel, ich liebe den Facettenreichtum, kurz: Orchestrale Musik bleibt für mich persönlich unübertroffen, keine andere Form der Musik ist so vielschichtig und so wandelbar – deshalb dürfte es kaum verwundern, dass 90 bis 95 Prozent der Musik, die ich höre, auf ein großes Symphonieorchester angewiesen ist (im Idealfall mit Chor). Für mich persönlich ist das Orchester die Königsklasse, es gibt nichts anderes, mit dem man so vieles ausdrücken kann. Bei orchestraler Musik bin ich auch in der Lage, auf eingängige Melodien zu verzichten und habe auch keine Problem mit Dissonanz, solang das entsprechende Stück nur aufwendig und interessant instrumentiert ist.

Es dürfte wohl kaum überraschend sein, dass ich sowohl das, was man gemeinhin als „Klassische Musik“ (leider ein extrem ungenauer Begriff, der mehrere Jahrhunderte Musikgeschichte umfasst) bezeichnet, als auch orchestrale Filmmusik liebe und verehre. Was Erstere angeht, schätze ich vor allem Komponisten der Wiener Klassik und der Romantik; Mozart, Beethoven, Wagner, Rossini, Dvořák, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ich finde es dabei natürlich unheimlich faszinierend, wie die Komponisten die vielen Möglichkeiten und Facetten des Orchesters nutzen, um Melodien aufzubauen, zu variieren und zu verarbeiten. Das Schulbuchbeispiel ist natürlich der nur allzu bekannte und völlig zu Recht als Meisterwerk verehrte vierte Satz von Beethovens neunter Sinfonie (natürlich ist die gesamte Sinfonie ein Meisterwerk ohnegleichen). Über die ersten zwei Minuten arbeitet Beethoven langsam auf sein Thema, die Vertonung von Schillers „Ode an die Freude“, hin, deutet es in Fragmenten an, die sich aus den Themen der ersten drei Sätze herausarbeiten, bis es bei 2:25 dann zum ersten Mal ganz subtil und zurückhaltend, nur von den Streichern gespielt, erklingt. Nach und nach kommen immer mehr Instrumente in immer mehr Kombinationen hinzu, Beethoven variiert kräftig und jagt die Melodie im weiteren Verlauf des Satzes einmal quer durch Orchester und Chor. Genau so macht man das!

Hier zeigt sich dann auch schon eines der Probleme, das ich mit moderner Filmmusik habe, die sich in erster Linie auf extrem simple melodische Konstrukte, ebenso simple Orchestrierung und viele, viele Streicherostinati und Percussions verlässt: Mit dem Orchester kann man so viele tolle Sachen machen, warum greift man dann immer auf diese langweiligen, inzwischen völlig ausgelutschten Techniken zurück? Auch die Überbeanspruchung von elektronischen und Synth-Elementen ist etwas, das mir sauer aufstößt. Ich bin keinesfalls völlig gegen Derartiges, aber ich ziehe letztendlich die Herangehensweise von John Williams oder James Horner vor, die Synthesizer oft nur als weiteres, zusätzliches Instrument im Orchester verwenden oder einen bestimmten Effekt verstärken. Die vor allem von Hans Zimmer und seinen Schülern bemühte Technik, orchestrale Aufnahmen zu verfremden und einmal komplett durch den elektronischen Fleischwolf zu drehen, finde ich dagegen zumeist sehr nervig. Aber wenden wir uns lieber den positiven Aspekten orchestraler Filmmusik zu, denn Komponisten müssen sich ja keinesfalls mit dem klassischen Sinfonieorchester begnügen und können dem noch diverse Spezialinstrumente hinzufügen. Möchte man die Musik ein wenig moderner oder schlicht cooler gestalten, nimmt man einfach eine oder mehrere E-Gitarren dazu, das kann wunderbar funktionieren, wie schon allein zahlreiche James-Bond-Scores bewiesen haben. Ramin Djawadis Musik für „Pacific Rim“ ist auch ein sehr schönes Beispiel. Am Anfang des Hauptthemas ist nur die E-Gitarre zu hören, dann kommt langsam das Orchester dazu und integriert sie als Facette in den Klangkorpus, sodass sie, mal mehr, mal weniger dominant als Teil des großen Ganzen fungiert.

Instrumente, die für die Ohren von Amerikanern und Westeuropäern eher exotisch oder mit einem bestimmten Land verbunden sind, funktionieren ebenfalls ziemlich gut. Manchmal werden dabei natürlich Klischees bedient: Bei einem Dudelsack denkt man sofort an Schottland, mit Gitarren kann man spanische Assoziationen erwecken, das Akkordeon lässt an Paris denken etc. Dieses Spiel kann man aber noch viel weiter treiben. So hat Howard Shore für seine Mittelerde-Musik diverse „Spezialinstrumente“ verwendet, um Kulturen oder Figuren höchst wirkungsvoll zu repräsentieren ohne sich dabei auf allzu offensichtliche Klischees zu verlassen: Die Hardangerfidel etwa, ein altnordisches Saiteninstrument, wird mit Rohan assoziiert, Saurons Thema wird oft von der Rhaita, einem arabischen bzw. nordafrikanischen Blasinstrument, gespielt, für Gollums Thema ist das Cimbalom unabdinglich und Smaug wird oft von ostasiatischen Percussions wie dem Gamelan begleitet. So viele, so grandiose Möglichkeiten – es gibt also eigentlich keinen Grund, immer nur mit Streicherostinati zu arbeiten.

3. Narrative
Ich möchte, dass Musik mir eine Geschichte erzählt. Und damit meine ich nicht, dass der Liedtext mir eine Geschichte erzählen soll. Eine Ballade kann eine schöne Sache sein, aber mir geht es darum, mit musikalischen Mitteln eine Narrative zu gestalten. Opern, Musicals und Filme sind diesbezüglich natürlich die Vorreiter. Schon Lieder, die in den Kontext einer Erzählung gebettet sind, faszinieren mich, aber das Ganze völlig ohne Text und nur mit Musik zu tun ist das Nonplusultra. Diesbezüglich kommt man an der Oper natürlich nicht vorbei. Die klassische Nummernoper besteht aus Arien, Rezitativen, Duetten, Terzetten etc., die sich im Idealfall alle in den Dienst der Geschichte stellen, die die Oper erzählt. Sie fungieren zur Vorstellung oder Ergründung des Innenlebens der Figuren oder als Dialoge zwischen ihnen. Die Komponisten der Romantik, allen voran Richard Wagner, lösten das klassische Nummernmodell (zum Beispiel: Arie, Rezitativ, Duett, Rezitativ, Terzett, Rezitativ, Arie etc., alle klar voneinander getrennt) langsam auf und schrieben durchkomponierte Opern. Statt der alten, klar abgetrennten Einheiten prägte und perfektionierte Wagner das Konzept des Leitmotivs (auch wenn er das Wort „Leitmotiv“ selbst nie benutzte, stattdessen sprach er von „Erinnerungsmotiven“), der Tonfolge bzw. Melodie, die mit einer bestimmten Person, einem Gegenstand, Ereignis, Konzept oder was auch immer verbunden ist und dieses in der Musik repräsentiert. Ich muss wohl nicht extra sagen, dass ich diesen Einfall für einen der genialsten der Musikgeschichte halte (und wenn Theodor W. Adorno noch so sehr etwas anderes behauptet). Wahrscheinlich hängt das mit meinem inneren Literaturwissenschaftler zusammen, denn die Leitmotivtechnik erlaubt eine literaturwissenschaftliche Herangehensweise an Musik, die mich persönlich enorm anspricht.

Praktisch die gesamte sinfonische Filmmusik basiert auf der Leitmotivtechnik, die von Max Steiner und Erich Wolfgang Korngold nach Hollywood gebracht und populär gemacht wurde. Eine Oper oder ein Score mit wirklich exzellenter Leitmotivik zeichnet sich nicht nur durch griffige, eingängige Themen und Motive aus, sondern auch durch die Verknüpfung und Entwicklung besagter Themen. Das Idealbeispiel ist nach wie vor Wagners „Ring des Nibelungen“: Die Leitmotive des vierteiligen Opernzyklus sind niemals statisch, sie entwickeln sich konstant und reflektieren die Erzählung wieder – man könnte den Gesang komplett eliminieren und die Musik würde trotzdem noch die Geschichte erzählen. Das ist im Grunde auch genau das, was bei sinfonischer Filmmusik passiert. Die beiden, zumindest in meinen Augen, besten Beispiele für eine komplexe, gut funktionierende Leitmotivik sind John Willams‘ Star-Wars-Scores und Howard Shores Musik für Mittelerde. Alle beide sind exzellente Beispiele für Musik, die zu allen drei Kategorien gehört: Grandiose Melodien, üppige Orchestralwerke und komplexe Narrative.

Shores Gefährtenthema aus der Herr-der-Ringe-Trilogie funktioniert außerdem hervorragend als Idealbeispiel für die gelungene Entwicklung eines Leitmotivs, da es sehr gut wahrnehmbar ist und stets den Zustand der Gemeinschaft widerspiegelt, von den Verknüpfungen zu diversen anderen Themen gar nicht erst zu sprechen. Zu Anfang, als Frodo und Sam aus dem Auenland aufbrechen, ist es noch nicht vollständig zu hören. Nach und nach stoßen in Bree und Bruchtal weitere Mitglieder zur Gemeinschaft hinzu, und dementsprechend wird auch das Gefährtenthema vollständiger. Im Nebelgebirge bzw. in Moria erklingt es drei Mal in voller Pracht, während es nach Gandalfs Tod nur noch fragmentarisch hören ist und erst am Ende von „Die Gefährten“ wieder Kraft schöpft. Zwar gibt es in „Die zwei Türme“ und „Die Rückkehr des Königs“ noch einige äußerst opulente Variationen, gerade während der Schlacht von Helms Klamm, aber es ist nie mehr wirklich vollständig.

Das ist meine individuelle, persönliche, hoffentlich nachvollziehbar dargelegte Definition „guter Musik“. Gleichzeitig fungiert diese Definition als Bestandsaufnahme; mein Musikgeschmack ist natürlich gewachsen und hat sich über lange Zeit entwickelt, diese Kategorisierung habe ich rückwirkend erstellt. Wer weiß, im Verlauf meines weiteren Lebens mag sich das noch ändern. Nun würden mich, in Form von Kommentaren und/oder eigenen Blogbeiträgen, weitere persönliche, aber nachvollziehbare Definitionen interessieren, die über „gefällt mir“ oder „spricht mich emotional an“ hinausgehen.

Lex Luthor: Mann aus Stahl

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Lex Luthor ist ein sehr interessantes Objekt, um die Entwicklung von Superheldencomics zu betrachten, speziell, wenn es um Schurken geht. In früheren Zeiten hatte Lex Luthor eine sehr einfache, wenn auch ziemlich alberne Motivation: Er und Superman kannten sich als Teenager in Smallville, bei einem Unfall verlor Lex Luthor seine Haare, und für diesen Unfall machte er Superman verantwortlich. In den Comics der Silver Age betätigte Luthor sich entweder als verrückter Wissenschaftler und ließ irgendwelche gezüchteten oder mechanischen Absonderlichkeiten auf Superman los, oder er versuchte, dem Mann aus Stahl mithilfe seiner grünen, Iron-Man-ähnlichen Rüstung auf den Leib zu rücken. Beides kommt durchaus in modernen Comics noch vor, wenn auch weniger albern, was sich aber fundamental geändert hat, ist die Motivation.

Ich habe Lex Luthor in zwei Inkarnationen kennen gelernt. Zum einen hätten wir da den von Gene Hackman dargestellten Lex aus den Christopher-Reeve-Filmen, den ich nie wirklich ernst nehmen konnte. Diese Version der Figur hat es vor allem auf Landbesitzt abgesehen, im ersten Superman-Film von 1978 versucht er, die San Andreas Verwerfung durch ein künstliches Erdbeben zu zerstören, um den Wert seines Landbesitzes ins Unermessliche zu steigern. Ganz ähnlich denkt auch der von Kevin Spacey dargestellte Luthor in „Superman Returns“: Hier versucht er, mithilfe von kryptonischen Kristallen einen neuen Kontinent zu erschaffen. In beiden Fällen ist Luthor nicht wirklich ernst zu nehmen und erinnert an einen eher albernen Bondschurken. Um ehrlich zu sein, ich kann mit dieser Version der Figur kaum etwas anfangen. Der Lex Luthor, den ich bevorzuge, stammt aus „Superman: The Animated Series“ und den Comics der 90er: Der skrupellose Geschäftsmann und Meistermanipulator, dem man nie etwas nachweisen kann und der eine ziemlich komplexe Motivation besitzt. Genau diese Version der Figur erforschen Brian Azzarello und Lee Bermejo in ihrer fünfteiligen Miniserie „Lex Luthor: Mann aus Stahl“, deren Lektüre sich für alle lohnt, die sich mit der Persönlichkeit von Supermans Erzfeind beschäftigen wollen.
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Die Miniserie schildert im Grunde einen Tag im Leben von Lex Luthor und zeigt ihn als komplexen Charakter mit nachvollziehbarer Motivation. Er sieht Superman als Bedrohung für die Größe des Menschen, als falschen Erlöser. In Luthors Augen ist Superman ein emotionsloses Alien, das das menschliche Potential einschränkt. Dementsprechend sehen wir Superman in diesem Comic auch durch Luthors Augen: Sein Gesicht zeigt selten Emotionen und ist meistens im Schatten, seinen Augen glühen fast immer rot und er spricht kaum ein Wort. Entweder, man sieht ihn in Aktion, oder er schwebt stumm über allem, als ständige, unmenschliche Bedrohung.

Im Gegensatz dazu ist Lex Luthor hier eine komplexe Figur, deshalb aber kaum weniger schurkisch. Luthor sieht sich selbst als Held, als ein Vordenker, der das Menschliche Potential ausnutzt, um das bevormundende Alien zu bekämpfen. Vor allem zu Beginn ist Luthor fast sympathisch, er kümmert sich um seine Angestellten, ist intelligent, charmant und scharfsinnig und man muss zugeben, seine Argumente haben durchaus Hand und Fuß. Im Verlauf des Comics gehen gehen seine Taten und sein Innerer Monolog allerdings immer weiter auseinander. Azzarello zeigt gekonnt, was für ein Kontrollfreak Luthor ist und wie weit er geht, um in allen Bereichen die Kontrolle zu besitzen. So erschafft er einen weiblichen Androiden mit Superkräften, der Superman ersetzen soll, verliebt sich sogar in ihn (während er seine Sekretärin, die sehr viel für ihn übrig hat, die er aber nicht kontrollieren kann, völlig ignoriert), nur um ihn dann zu zerstören, als es passend ist. Der Hass auf Superman rührt letztendlich daher, dass Luthor ihn einfach niemals beherrschen kann. Und ein wenig Eifersucht ist natürlich auch mit im Spiel.

Nach allem, was ich bisher weiß, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass sich Zack Snyder, David S. Goyer und Chris Terrio bei der Konzeption von Lex Luthor in „Batman V Superman: Dawn of Justice“ bei Azzarellos Miniserie inspiriert haben. Das bisherige Material weist zwar nicht auf optische Parallelen hin, und auch bezüglich des Auftretens scheint es einige Unterschiede zu geben, aber gerade bei Motivation und persönlicher Philosophie scheint es einige Gemeinsamkeiten zu geben. Besonders interessant ist auch, dass Batman hier einen, wenn auch kurzen, Auftritt hat. Bruce Wayne und Lex Luthor haben an einer Stelle ein interessantes Gespräch, das inhaltlich durchaus zu „Batman V Superman“ passt, vor allem folgendes Zitat: „Was, wenn [Superman] seine Meinung ändert? Wenn er heute auf uns herabsieht und entscheidet, dass wir nicht fähig sind, unser Schicksal zu lenken? Wenn er morgen aufwacht und glaubt, er weiß, was das Beste für uns ist? Dass es nicht reicht, die Welt zu schützen? Wenn er herrschen will? Alles, was wir gegen so etwas als Sicherheit besitzen ist sein Wort.“ Während dieses Gesprächs gibt Luthor Bruce ein Stück Kryptonit und parallel dazu wird ein Kampf zwischen Batman und Superman gezeigt, in welchem Ersterer versucht, das Kryptonit einzusetzen, was aber kaum gelingt. Dieser Kampf bleibt sehr rätselhaft, denn es gibt keinen Dialog und kaum Kontext. Ist Superman sauer, weil Batman von Lex Luthor Kryptonit angenommen hat? Gibt es einen anderen Grund für die Differenz, der nicht angesprochen wird? Spielt sich das Ganze nur in Luthors Vorstellung ab, weil er weiß oder ahnt, dass Bruce Wayne und Batman dieselbe Person sind?
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Lee Bermejos Zeichnungen passen exzellent zu dieser abgründigen Charakterstudie, sein Stil ist sehr düster und grimmig. Bermejo wechselt dabei immer zwischen sehr aufwändigen Beinahe-Gemälden und etwas weniger aufwendigen, gröberen Zeichnungen, was einen interessanten Kontrast schafft. Wie bereits erwähnt ist Superman hier optisch weit vom üblichen Superpfadfinder entfernt, er lächelt nie, ist immer von Schatten umgeben und sieht entweder emotionslos oder grimmig aus. In einem normalen Superman-Comic wäre diese Darstellung fehl am Platz, schließlich ist der Mann aus Stahl nicht Batman, aber in einer Geschichte aus Luthors Perspektive ist sie genau richtig.

Fazit: „Lex Luthor: Mann aus Stahl“ ist ein gelungener Einblick in den Charakter und die Psyche von Supermans Erzfeind, wer sich mit der Figur beschäftigen möchte, kommt an dieser Miniserie nicht vorbei.

Kampf der Giganten:
Prämisse
TDKR: Batman vs. Superman
S:TAS: World’s Finest
Kingdom Come
Brian Azzarellos Wonder Woman

Brian Azzarellos Wonder Woman

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Comicverlage wie DC und Marvel haben meistens das gleiche Problem: Fortlaufende Kontinuität. Irgendwann wird die Situation in den Superheldenserien verhältnismäßig unübersichtlich. Für Leser, die eine Serie konstant verfolgen, ist das meistens kein Problem, aber natürlich versuchen die Verlage auch immer, neue Leser anzusprechen. Um sich nicht ewig mit Altlasten herumschlagen zu müssen, von Kontinuitätsfehlern und anderen Merkwürdigkeiten gar nicht erst zu sprechen, verpassen besagte Verlage ihren fiktiven Universen immer mal wieder einen inhaltlichen wie gestalterischen Einlauf. Ein besonders extremes Exemplar kam bei DC im Jahr 2011, als der Verlag sämtliche Serien neu startete und eine völlig neue Kontinuität ins Leben rief, die „New 52“ (das DC-Mulitversum besteht aus 52 Parallelerden und es gingen 52 neue Comicreihen an den Start). Diese Aktion war durchaus erfolgreich, zumindest was die Verkaufszahlen anging. Inhaltlich dagegen gab es leider einige Probleme – das größte war wohl mangelnde Planung. Weil man bei DC versuchte, sich alle kreativen Möglichkeiten offen zu halten, kam es schon bald zu neuen Unstimmigkeiten, die leicht hätten vermieden werden können, von diversen kreativen Entscheidungen und Redaktionseinmischungen gar nicht erst zu sprechen. Das bedeutet aber nicht, dass alle Titel der „New 52“ schlecht wären, im Gegenteil. Die wahrscheinlich beste Serie ist, zumindest in meinen Augen, „Wonder Woman“.

Bei Wonder Woman bzw. Diana (den Nachnamen Prince führt sie in der neuen Kontinuität zu diesem Zeitpunkt noch nicht) gibt es oft ein ähnliches Problem wie bei Superman: Die Figur ist sehr mächtig und besitzt sehr wenige Schwächen. Insgesamt denke ich, dass Wonder Woman in ihrer Soloserie genau wie Marvels Thor am besten funktioniert, wenn sie mit ihrer Mythologie agiert. Ich habe zwar kein Problem damit, wenn sie im Rahmen der Justice League gegen irgendwelche massiven Bedrohungen kämpft, in ihren Soloabenteuern sollte sie sich allerdings nicht unbedingt mit Banküberfällen oder verrückten Wissenschaftlern herumschlagen, das ist schlicht verschwendetes Potential. Wonder Woman ist eine Figur, die auf griechischer Mythologie basiert, sie entstammt den Amazonen und besitzt die Kräfte von Göttern, weswegen es sich anbietet, sie auch entsprechend zu beschäftigen.
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Brian Azzarello, derjenige, der Wonder Woman für die „New 52“ definierte, ist nun vielleicht nicht der erste Autor, der einem für diese Figur in den Sinn kommen würde. Azzarello ist vor allem für seine düstere Comics im Neo-Noir-Setting bekannt, wie beispielsweise „100 Bullets“ oder diverse Batman-Geschichten. In erster Linie ist Azzarello allerdings einfach ein ziemlich guter Autor, und so schafft er es, Wonder Woman in dem von ihm verfassten Heften (Nummer 1 bis 35 und eine zusätzliche Nullnummer, hier zulande bei Panini in sechs Paperbacks erschienen) ein ausgezeichnetes, passendes und vor allem mythologisches Umfeld zu geben. Dabei ignorierte er das größere DC-Universum fast vollständig, lediglich Orion von den New Gods spielt eine Rolle. Erfreulicherweise orientierte er sich auch nicht an Geoff Johns‘ Charakterisierung von Wonder Woman aus der Justice-League-Serie der „New 52“, die ich nicht besonders gelungen fand, dort wirkte sie auf mich übermäßig naiv und irgendwie unpassend. Azzarellos Wonder Woman ist dagegen weitaus selbstsicherer und entschiedener, bleibt dabei aber sympathisch und nachvollziehbar.

Obwohl Azzarellos Run im Großen und Ganzen positiv aufgenommen wurde, war er doch nicht frei von Kontroversen, vor allem bezüglich Wonder Womans veränderter Ursprungsgeschichte. Vor dem Reboot hatte ihre Mutter Hippolyta, die Königin der Amazonen, ein Baby aus Lehm geformt, dem die griechischen Götter Leben (und Superkräfte) schenkten. Im neuen DC-Universum ist dies nur die Tarngeschichte, tatsächlich ist Wonder Woman hier eine Tochter von Zeus. William Moulton Marston, der Autor, der Wonder Woman (und auch den Lügendetektor) erfand, wäre damit wohl nicht unbedingt einverstanden gewesen, immerhin entwarf er seine Schöpfung als das perfekte weibliche Wesen (das ohne männliches Zutun entstand). Dennoch, obwohl es im Rahmen der „New 52“ bei vielen Charakteren unnötige Änderungen gab, die wie ein Selbstzweck wirken, ist Dianas veränderte Herkunftsgeschichte für Azzarellos Erzählung nötig, denn er greift einen der wichtigsten Aspekte griechischer Mythologie auf. Im Kern handelt es sich dabei eigentlich um die Saga einer ziemlich dysfunktionalen Familie, und auch Azzarellos Run ist im Grunde eine Familiengeschichte. Ich kann natürlich trotzdem verstehen, wenn es einem nicht gefällt, dass die Ursprünge der Figur, die viele Jahrzehnte lang mehr oder weniger konsistent waren, nun so verändert werden. Mich stört es allerdings tatsächlich nicht besonders.

Die Handlung beginnt mit einer jungen Frau namens Zola, die aus heiterem Himmel von Zentauren angegriffen und von dem Gott Hermes gerettet wird. Dieser teleportiert sie zu Wonder Woman, um den beiden später zu enthüllen, dass Zola mit einem Kind des Zeus schwanger ist. Damit beginnen die Probleme aber erst so richtig, denn nun sind diverse olympische Götter hinter Zola und ihrem ungeborenen Baby her, nicht zuletzt die eifersüchtige Hera. Es kommt allerdings noch schlimmer: Zeus selbst ist verschwunden und der Thron des Olymp damit vakant. Die Geschwister und Kinder des Zeus haben es auf den leeren Thron abgesehen, wobei das letzte Kind des Göttervaters sich als Schlüssel erweisen könnte. Wonder Woman findet es allerdings nicht besonders toll, dass eine unschuldige junge Frau und ein ungeborenes Baby zum Spielball machthungriger Götter werden und stellt beide unter ihren Schutz.

Genau DAS ist ein Plot, wie ich ihn für eine Geschichte rund um Wonder Woman haben möchte; die Geschichte, wirkt, als würde Azzarellos die griechische Mythologie direkt in der Moderen weiterführen. Obwohl Wonder Woman die Titelheldin ist, handelt es sich hierbei fast schon um eine Ensemble-Serie, denn Zola und diverse Götter, allen voran Hera, sind fast ebenso sehr Hauptfiguren wie Diana. Es gibt allerdings auch eine Kehrseite: Wonder Woman ist nicht immer unbedingt die interessanteste Figur ihrer eigenen Serie.

Insgesamt ist nicht nur der Plot, sondern auch die Umsetzung hervorragend gelungen. Azzarellos Darstellung der griechischen Götter ist sehr untypisch, kreativ und erfrischend; sie unterscheidet sich sowohl charakterlich als auch optisch massiv von den Klischeebildern der schon allzu oft adaptierten Entitäten. Und noch wichtiger: Sie funktionieren exzellent als Figurenensemble für diese Serie, die nicht einfach zeigt, wie Wonder Woman gegen verschiedene Superschurken kämpft, sondern, wie bereits erwähnt, die komplexe Geschichte der „olympische Familie“ erzählt. Die Götter sind nicht nur gut oder böse, sondern in erster Linie sind sie allesamt Egomanen mit ihren eigenen Zielen; genau wie in den Sagen wechseln die Loyalitäten, die Götter sind wankelmütig und tauschen schnell die Verbündeten aus.
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Darüber hinaus schafft es Azzarello, die Handlung spannend und abwechslungsreich zu gestalten. Action ist natürlich vorhanden, schließlich handelt es sich hierbei immer noch um einen Superheldencomic (zumindest irgendwie), aber im Zentrum stehen die Figuren und ihre Interaktion, sei es die Freundschaft zwischen Zola und Diana, Dianas Beziehung zu Ares, der hier, anders als in der alten Kontinuität, als Mentorenfigur fungiert, oder die Entwicklung, die Hera durchmacht. Leider ist der Run dennoch nicht ganz frei von Schwächen: Das Ende (das ich hier aber nicht verraten werde), fand ich nicht ganz überzeugend, schwerer wiegt allerdings die Anpassung der Amazonen: Hier fügte Azzarello ein Detail aus der Mythologie ein, das Marstons utopische Frauengesellschaft der Amazonen in zu starkem Ausmaß und in zu plumper Art und Weise dekonstruiert – der Wonder-Woman-Animationsfilm aus dem Jahr 2009 hat das weitaus besser hinbekommen, ohne die Amazonen zu einer rein weiblichen Version der Spartaner zu machen.

Dafür sind die Zeichnungen vollauf gelungen. Die meisten Hefte wurden von Cliff Chiang gezeichnet, die restlichen Ausgaben übernahmen Tony Akins und Goran Sudžuka  Beide orientieren sich allerdings sehr stark an Chiangs Stil, sodass der gesamte Run optisch einheitlich erscheint. Chiangs Zeichnungen sind äußerst dynamisch, ausdrucksstark, dabei aber recht kantig und stilisiert, sie erinnern mich ein kleines bisschen an die Optik von „Batman: The Animated Series“ und passen einfach hervorragend zu Azzarellos mythologischer Familiensaga. Wie auch die Geschichte selbst heben sich die Zeichnungen stark vom Genrestandard ab. Fast noch wichtiger ist, dass Wonder Woman hier, anders als bei, sagen wir, Jim Lee oder David Finch, tatsächlich wie eine Amazone aussieht und nicht wie ein eher zierliches Persönchen bzw. eine Sechzehnjährige oder ein Supermodel. Wenn man Cliff Chiangs Wonder Woman sieht, erkennt man eine Kriegerin. Das Design der verschiedenen Götter ist, wie bereits erwähnt, sehr kreativ und anders, das einzige Manko dabei ist, dass nicht mehr allzu griechisch wirken. Aber mal ehrlich, griechische Götter in Toga und antiker Rüstung hatten wir nun wahrlich oft genug.

Fazit: Brian Azzarellos Neudefinition von Wonder Woman ist vollauf gelungen, die Amazone agiert hier weniger in einer traditionellen Superheldengeschichte als in einer Familiensaga von mythologischem Ausmaß. Wer Wonder Woman gerne kennen lernen würde, dem sei diese Serie ans Herz gelegt, denn sie weiß nicht nur inhaltlich und optisch zu überzeugen, es ist auch kein Vorwissen nötig.

Kampf der Giganten:
Prämisse
TDKR: Batman vs. Superman
S:TAS: World’s Finest
Kingdom Come

Spectre

Enthält Spoiler!
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Story: Selbst nach ihrem Tod gibt M (Judy Dench) noch Anweisungen. Per posthumer Videonachricht weist sie James Bond (Daniel Craig) an, Marco Sciarra (Alessandro Cremona) zu töten, was Bond in Mexico City auch gelingt. Über Sciarra und seine Witwe Lucia (Monica Belucci) kommt Bond einer Verschwörung auf die Spur, in die sein totgeglaubter Halbbruder Franz Oberhauser (Christoph Waltz) verwickelt ist. Schon bald ist Bond fast vollständig auf sich allein gestellt, denn Max Denbigh (Andrew Scott), ein Beauftragter der britischen Regierung, macht Gareth Mallory (Ralph Fiennes), dem neuen M, die Arbeit schwer und versucht das Doppelnull-Programm einzustellen. Um Oberhausers finstere Machenschaften zu stoppen kann sich Bond schließlich nur noch auf die Hilfe von Dr. Madeleine Swann (Léa Seydoux), der Tochter seines alten Feindes Mister White (Jesper Christensen), verlassen…

Kritik: „Spectre“ habe ich im Kino verpasst, aber immerhin kommt die Heimkinoauswertung inzwischen so schnell, dass das kaum mehr einen Unterschied macht. Wie dem auch sei, „Spectre“ ist Sam Mendes‘ zweiter Bond-Film und der vierte mit Daniel Craig in der Titelrolle. Nach dem phänomenalen Erfolg von „Skyfall“ wollte Eon unbedingt, dass Mendes auch den nächsten Bond-Film dreht, während der Regisseur seinerseits eher zögerlich war, bis das Studio ihn überzeugen konnte (vermutlich mit sehr viel Geld). Wie dem auch sei, nach der Sichtung von „Spectre“ muss ich sagen: Mendes‘ erster Instinkt war leider richtig.

Ironischerweise gefallen mir viele der Konzepte von „Spectre“ richtig gut: Die inhaltliche Verknüpfung aller bisherigen Craig-Bonds, die Wiedereinführung von Spectre (früher SPECTRE als Abkürzung für SPecial Executive for Counter-intelligence, Terrorism,
Revenge and Extortion) und Bonds altem Erzfeind Ernest Stavro Blofeld. Das Hauptproblem dabei ist, dass die Umsetzung nicht besonders gelungen ist – es scheint fast, als habe Mendes die Lust an Bond verloren. „Spectre“ wirkt schwerfällig, ja manchmal fast schon dröge, dem Film fehlt sowohl die grimmige Intensität von „Casino Royale“ als auch die Energie und der Enthusiasmus von „Skyfall“. Natürlich ist letztendlich alles vorhanden, was die Bondfilme scheinbar ausmacht: Schnelle Autos, schöne Frauen, exotische Schauplätze, Action und eine ominöse Verschwörung. Anders als „Casino Royale“ oder „Skyfall“ ist „Spectre“ aber nie mehr als die Summe seiner Teile.

Während der erste Akt des Films durchaus noch zu überzeugen weiß – der Prolog in Mexico City ist sehr ansehnlich, ebenso wie die Szenen in Rom mit der Verfolgungsjagd und dem ersten Auftritt von Christoph Waltz als Oberhauser/Blofeld – verliert „Spectre“ ab diesem Zeitpunkt seine Energie. Mendes gelingt es einfach nicht, wirklich Spannung aufkommen zu lassen, die verschiedenen Schauplätze, die Actionszenen und die Einführung von Léa Seydoux als Bondgirl wirken eher, als hätte Mendes eine Checklist abgearbeitet. Die Einzelbausteine des Films wollen einfach nicht so recht zusammenpassen, die Zusammenführung der Handlungsstränge von „Casino Royale“, „Ein Quantum Trost“ und „Skyfall“ wirkt ziemlich plump und, am schlimmsten, der Schurke funktioniert nicht so richtig. Der Blofeld dieses Films klingt als Konzept recht vielversprechend, aber gerade hier wirkt die Umsetzung höchst uninspiriert, Blofelds Motivation bleibt unklar und er selbst als Figur ziemlich blass, was auch damit zusammenhängt, das er kaum vorkommt. Der Film erläutert zwar, warum er Bond nicht mag, aber darüber hinaus wird kaum etwas konkretisiert; Blofeld wird ja wohl kaum eine weltumspannende Verbrecherorganisation gegründet haben, nur um sich an seinem Stiefbruder zu rächen. Apropos, angesichts der Tatsache, dass der Film „Spectre“ heißt, bleibt besagte Organisation ebenfalls höchst nebulös und uninteressant, dem Film gelingt es einfach nicht, die Bedrohung, die von einem derartigen Schattenkollektiv ausgehen sollte, richtig aufzubauen.

Insgesamt kommt „Spectre“ einfach nicht über ein „solide, aber uninspiriert“ hinaus: Die Action ist ganz ansehnlich, aber nicht wirklich kreativ, die Schauplätze sind nett, aber man hätte mehr damit machen können und die Darsteller sind solide, bekommen aber kaum Gelegenheit, wirklich zu zeigen, was sie können – gerade bei Christoph Waltz fällt das auf. Ich finde Waltz als Schauspieler ziemlich toll, aber gerade hier spielt er eher auf Autopilot, sein Oberhauser unterscheidet sich nicht groß von den diversen anderen Schurkenrollen, die er die letzten Jahre gespielt hat, die ihrerseits im Grunde nur verwässerte Versionen von Hans Landa waren. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Thomas Newmans Score, der sich noch stärker vom typischen Sound der Bond-Filme entfernt und, wie der Film selbst auch, außerhalb der Statements von Monty Normans Bond-Thema recht dröge daherkommt.

Fazit: Sam Mendes‘ zweiter Bondfilm bleibt leider ziemlich weit hinter „Skyfall“ zurück; „Spectre“ wirkt oft uninspiriert und schafft es einfach nicht, eine gelungene Spannungskurve aufzubauen oder über die Summe seiner Teile hinauszuwachsen.

Trailer

Siehe auch:
Skyfall