Auf diversen Listen, die die zehn besten Batman-Comics empfehlen, taucht „Batman: The Dark Knight Returns“ fast immer in den Top 5 auf, meistens sogar auf Platz 1 oder 2. Für mich persönlich ist Frank Millers dystopische Graphic Novel zwar nicht der beste Batman-Comic (es gibt einige, die ich weitaus lieber mag und gelungener finde, etwa „Batman: Year One“, ebenfalls von Miller verfasst), aber die Bedeutung, die TDKR für seinen Titelhelden insgesamt hat, ist nicht zu unterschätzen. Man sollte dabei allerdings nicht annehmen, vor TDKR hätte es keine düsteren Comics mit dem Dunklen Ritter gegeben. Seit der Absetzung der Adam-West-Serie entwickelte sich Batman mithilfe von kreativen Köpfen wie Julius Schwartz, Steve Engelhart und Denny O‘Neil konstant zu einem immer düstereren Helden, eine Tendenz, die mit TDKR ihren Höhepunkt erreichte. Was TDKR wirklich von fast allem, was zuvor kam, abhebt, ist das Hinterfragen der Titelfigur und die Reflexion über seinen Status als Vigilant – immerhin ist Batman rein theoretisch ein Krimineller. TDKR besaß zur Zeit des Erscheinens eine Aktualität, die es in Superheldencomics zuvor eher selten gegeben hatte (ein weiteres Beispiel hierfür sind etwa Green Lantern und Green Arrow als „Hard Traveling Heroes“). Im Zentrum der Geschichte steht auch nicht per se Batmans Kampf gegen Superschurken (obwohl das natürlich auch vorkommt), sondern eher die Frage, was für eine Welt jemanden wie Batman hervorbringt und welche Auswirkungen jemand wie Batman dann auf diese Welt hat. Momentan ist allerdings ein anderer Aspekt des Werkes interessanter. Aber zuerst sollte noch einmal die Handlung rekapituliert werden.
Zehn Jahre sind vergangen, seit Batman sich zur Ruhe gesetzt hat. Bruce Wayne ist nun ein gelangweilter, 55-jähriger Playboy, der Nervenkitzel in Autorennen sucht. Leider steht es um Gotham nicht besonders gut: Eine brutale, bewaffnete Gang, die Mutanten, macht die Straßen der Stadt unsicher und begeht immer schrecklichere Gewaltverbrechen, bis Bruce sich gezwungen sieht, erneut Maske und Umhang anzulegen, um ein für alle Mal in Gotham aufzuräumen. Doch Batmans Rückkehr bleibt nicht folgenlos: In Medien- und Regierungskreisen fragt man sich, wie mit dem Vigilanten umzugehen ist, und auch alte Feinde wie Two-Face und der Joker werden durch das Wiederauftauchen des Dunklen Ritters reaktiviert. Die Situation spitzt sich zu, weshalb der Präsident der Vereinigten Staaten Superman bittet, zu intervenieren.
Und schon sind wir auch bei besagtem Aspekt angekommen, auf den ich mich im Rahmen dieses Artikels konzentrieren werde, denn das meiste andere habe ich schon, zumindest ansatzweise, in meinen Kritiken zur Zeichentrickadaption behandelt. Tatsächlich hat Zack Snyder ausgesagt, dass „Batman V Superman: Dawn of Justice“ zwar keine wirkliche Adaption des Miller-Klassikers sein wird, sich aber doch stark bei ihm bedienen wird. Die Trailer bestätigen diese Aussage: Ben Afflecks Batman ähnelt der von Miller gezeichneten, bulligen und unrasierten Version des Dunklen Ritters sehr stark, und zu allem Übefluss taucht sogar die mechanische Rüstung, die Batman im Kampf gegen Superman in TDKR trägt, ebenfalls in den Trailern auf. Viel wichtiger als die optischen Parallelen ist aber die tatsächliche Dynamik zwischen Batman und Superman in diesem Werk, die, obwohl TDKR „nur“ eine sog. Elseworld-Geschichte (Was-wäre-wenn-Geschichte) ist, sich auf ihre Verhältnis in der normalen Kontinuität auf Jahre und sogar Jahrzehnte hinaus auswirkte. Zuvor wurden Batman und Superman zumeist als Freunde dargestellt, Miller brachte Spannung in die Dynamik der beiden so gegensätzlichen Helden und schaffte das in nur zwei Szenen (öfter treffen die beiden in der Geschichte nämlich nicht aufeinander). Nach wie vor respektieren beide einander, sind sich aber auch im Klaren, dass sich ihre Methoden und Herangehensweisen stark unterscheiden. Letztendlich fungiert Superman als Vertreter des Establishments und vertritt den Staat auch noch, wenn er selbst Zweifel an der Richtigkeit der Vorgehensweise hat, während Batman für sich erkennt, dass das System nicht funktioniert und sich gegen es wendet. Superman ist der Ordnungshüte, Batman der Anarchist. Mehr noch, bei Miller MUSS Batman Anarchist sein, da er sonst ein Tyrann wäre, er wird hier als getriebener, ziemlich kompromissloser Extremist gezeichnet, der trotzdem facettenreich und nachvollziehbar bleibt. Diese gelungene, aber schwierige Charakterisierung hat Miller in seinen späteren Batman-Geschichten nicht mehr hinbekommen.
Miller thematisiert auch die Art und Weise, wie Batman Superman bekämpfen kann. Im direkten Zweikampf ist der Dunkle Ritter dem Mann aus Stahl natürlich weit unterlegen, also muss Batman auf schmutzige Tricks zurückgreifen. Superman besitzt den unfairsten Vorteil, den man sich nur vorstellen kann, ist aber jemand, der sich nie auf ein gewisses Niveau herablassen würde und eine grundsätzliche Achtung vor den meisten Gegnern hat, und speziell vor Batman. Und gerade das nutzt Batman aus, zusammen mit diversen anderen Tricks wie Körperpanzer oder Kryptonit.
Aber zurück zur eigentlichen Dynamik: Ich bin gespannt, inwiefern sich die von Miller etablierte Beziehung der beiden Helden auf „Batman V Superman“ auswirken wird. Immerhin thematisiert TDKR ja im Grunde das Ende ihrer Freundschaft, sie kennen sich hier bereits Jahrzehnte und haben sich eher auseinander gelebt. Diese Interpretation passt nicht unbedingt zu „All-Star Batman“, was laut Millers Aussage ja in derselben Kontinuität spielt wie TDKR, allerdings ignorieren wir das lieber, sowohl aus qualitativen als auch inhaltlichen Gründen.
Während es also in „Batman V Superman“ tatsächlich einige Parallelen zu TDKR gibt, u.a. der alte und erfahrene Batman, der mehr oder weniger aus dem Ruhestand zurückkehrt, ist die Grundlage der Dynamik eine völlig andere. Zum ersten Mal haben wir hier einen alten Batman, der bereits viele Jahre Erfahrung hat, und einen verhältnismäßig jungen Superman, der erst am Anfang seiner Karriere steht – für gewöhnlich sind die beiden Recken in etwa gleich alt. Der junge, unerfahrene Superman und der alte, abgeklärte Batman; dieses Konzept hat tatsächlich ziemlich viel Potential, weshalb ich hoffe, hoffe, hoffe, dass Henry Cavill und Ben Affleck diese Dynamik gut vermitteln und Zack Snyder und Chris Terrio das auch wirklich ausschöpfen und dass es nicht so läuft wie bei „Man of Steel“ – auf dem Papier ist Zod beispielsweise nämlich auch eine interessante Figur, aber leider geht das Potential in der allzu ausufernden Materialschlacht und den schlechten Dialogen verloren.
Es wird auch interessant, welche Rollen die beiden Kontrahenten im Film einnehmen. In TDKR ist Superman eine etablierte Größe und wird, im Gegensatz zu seiner Loyalität, kaum in Frage gestellt. In „Batman V Superman“ läuft dagegen alles auf eine grundsätzliche Hinterfragung des Mannes aus Stahl hinaus: Wie geht man mit einer Person um, die so viel Macht besitzt? Dies ist die typische Frage der Superman-Origin. Deshalb kann Superman aber nicht wirklich für die Ordnung eintreten, zumindest nicht offiziell. Dennoch scheint er zumindest inoffiziell eine ähnliche Rolle einzunehmen, da er im dritten Trailer sehr deutlich sagt, was er von Batman und seiner Selbstjustiz hält, der Grundkonflikt aus TDKR ist also durchaus vorhanden.
Was Millers Werk außerdem vom typischen Auseinandertreffen zweier Superhelden unterscheidet, ist die Struktur. In einer normalen Geschichte dieser Art geraten die beiden Recken erst aufgrund von Differenzen oder schurkischer List aneinander, bekämpfen sich ein wenig, schließen dann Frieden und gehen gegen die eigentliche Bedrohung vor. Miller setzt den Konflikt dagegen ans Ende: Zum Zeitpunkt, als Batman und Superman sich prügeln, sind die eigentlichen Superschurken bereits ausgeschaltet, der Kampf der Giganten stellt das Finale der Geschichte dar, womit Miller den Konflikt der beiden Weltanschauungen von Batman und Superman ins Zentrum rückt. „Batman V Superman“ folgt allem Anschein nach allerdings wieder der typischen Formel – tatsächlich kann der Film im Grunde nicht anders strukturiert sein, wenn wir irgendwann bei der Justice League ankommen wollen. Ich hoffe allerdings, dass trotzdem Elemente des ideologischen Konflikts bis zum Ende überdauern.
Siehe auch:
Batman: The Dark Knight Returns Teil 1
Batman: The Dark Knight Returns Teil 2
Moin. Ich wollte fragen, wann deine Top Ten der besten Scores 2015 rauskommt. Ich hab meine schon gemacht und packe sie heute noch auf YouTube, werde sie hier auch für dich verlinken.
Ist gerade in Arbeit, sollte auch demnächst fertig werden. Es hat sich nur etwas hinausgezögert, weil es jetzt eine Top 15 geworden ist.
Ah, gut. Bin schon gespannt.
So, hier ist meine Zusammenstellung. Ich hoffe, sie findet teilweise deine Zustimmung: https://m.youtube.com/watch?v=8tAYqJCU9hs
Interessante Liste. Ich kann dir schon mal sagen, dass wir fünf Übereinstimmungen haben, ich verrate aber noch nicht, welche 😉 Drei der Nicht-Übereinstimmungen habe ich im Vorfeld noch gar nicht gehört, eine noch nicht ausreichend und eine ist ganz knapp an der Liste vorbeigeschrammt.
Musst mir dann sagen, welche welche sind. Freue mich schon auf den Vergleich, 5 Übereinstimmungen sind ja echt bemerkenswert.
So, meine Liste ist da. Die nicht gehörten sind „Heidi“, „In the Heart of the Seas“ und „Home“. „Krampus“ ist knapp an der Liste vorbeigeschrammt und mit „Kingsman“ habe ich mich nicht wirklich beschäftigt.
Schade, die betreffenden Scores sind echt gelungen, vor allem „Kingsman“ ist eines von Jackmans besten Werken bisher, gleichzeitig Hommage und verarsche der klassischen Bond-Scores. Was für einen Eindruck hinterlassen denn die Hörproben der dir unbekannten Stücke?
Ja, diesen Bondigen Sound hat Jackman ziemlich gut drauf, den hat er ja auch schon bei „First Class“ gebracht. Schon irgendwie ironisch, dass es 2015 einige Scores gab, die viel mehr nach Bond klangen als der offizielle Bond-Score von Thomas Newman. 😀
Stimmt. Und wie ist es mit den anderen Hörproben der dir unbekannten Soundtracks? Was hälst du von denen?
Klingen gut, werde sicher bei Zeiten mal in die Alben reinhören.
Tu das. Bin schon auf eine eventuelle Review gespannt.