Wächter des Tages

Enthält Spoiler zu Film und Roman
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Story: Die Macht des Dunkels wächst: Der Große Andere Jegor (Dmitriy Martynov) hat sich Zavulon (Wiktor Werschbizki) und der Tagwache angeschlossen, und zu allem Überfluss tauchen immer mehr dunkle Andere in Moskau auf. Anton (Konstantin Chabenski), Jegors Vater, hadert derweil damit, dass es ihm nicht gelungen ist, seinen Sohn auf seine Seite zu bringen. Zavulon erkennt, dass Anton ein unberechenbarer Faktor ist und fädelt deshalb eine Intrige ein, um ihn loszuwerden: Er hängt Anton einen Mord an einer Dunklen an, sodass die Inquisition, die die Einhaltung des großen Vertrages überwacht, auf ihn aufmerksam wird. Derweil hört Anton von der Kreide des Schicksals, ein Artefakt, mit dem man die Realität verändern kann, und hofft, sie in seinen Besitz zu bringen, um Jegor aus den Klauen des Dunkels zu befreien…

Kritik: Ursprünglich sollte dieser Film den Titel „Wächter der Nacht 2: Die Kreide des Schicksals“ tragen, und tatsächlich wäre das ein passenderer Titel gewesen, denn mit dem Roman „Wächter des Tages“ hat Timur Bekmambetovs zweiter Wächter-Film im Grunde nichts zu tun. Wie ich bereits in meiner Rezension zu „Wächter der Nacht“ schrieb, handelt es sich hierbei um die sehr lose Adaption der zweiten und dritten Geschichte des ersten Romans der Serie. Wobei selbst das schon zu viel gesagt ist. Im Grund haben Lukianenko und Bekmambetov einige Handlungselemente aus besagten Geschichten genommen, diese anders zusammengesetzt und mit vielen neue Subplots und Wendungen versehen. Vor allem das letzte Drittel hat wirklich kaum mehr etwas mit Lukianenkos Romanen zu tun. Schauen wir erst einmal, welche Elemente der Vorlage es in den Film geschafft haben. In „Der eigene Kreis“, der zweiten Geschichte des Romans, wird Anton ebenfalls ein Mord angehängt und er muss sich in einem anderen Körper verstecken. Der Ausgang ist aber ein völlig anderer, das Ganze wurde nicht von Zavulon/Sebulon verursacht, sondern wird lediglich von ihm benutzt. Die Kreide des Schicksals spielt in „Im eigenen Saft“, der dritten Geschichte eine wichtige Rolle, ebenso wie Jegors Gesinnung. Die Romanze zwischen Anton und Swetlana ist in beiden Geschichten ein wichtiger Subplot. Das war’s im Grunde allerdings auch schon. Der Subplot um die Beziehung zwischen Alissa (Schanna Friske) und dem Vampir Kostja (Aleksei Chadov) hat ebenso kein Gegenstück im Roman wie das Finale. In der Tat hat Buch-Zavulon/Sebulon im Grunde kein Interesse daran, den Vertrag aufzukündigen. Auch die Inquisition wird im Film völlig anders dargestellt als in den Romanen, wo nicht jeder Inquisitor gleich aussieht, sondern alle Inquisitoren entweder Lichte oder Dunkle sind, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet haben, das Gleichgewicht zu wahren.

Interessanterweise gefällt mir „Wächter des Tages“ besser als „Wächter der Nacht“. Akzeptiert man erst einmal die Prämisse, dass die Filme nicht mehr allzu viel mit der Vorlage zu tun haben, hat „Wächter des Tages“ verdammt viel zu bieten, gerade bezüglich der Elemente, die mir im ersten Teil gefallen haben. Die kreativen Entscheidungen bezüglich des Zwielichts und der Darstellung der Magie werden natürlich fortgeführt, gleichzeitig wird das Ausmaß des Films stark erweitert. Das beginnt schon beim Prolog und erstreckt sich über den gesamten restlichen Film, auch gerade was das Finale angeht: Das Hotel Cosmos ist ein weitaus interessanterer Schauplatz als das Dach von Jegors Haus, und das einstürzende Moskau ist visuell höchst beeindruckend. Alles in allem fühlt sich „Wächter des Tages“ sehr viel größer an als der Vorgänger, und obwohl der Streifen die eine oder andere Länge hat, tut ihm die Laufzeit von zweieinhalb Stunden doch ziemlich gut.

Auch schauspielerisch legen sich die Beteiligten noch einmal ordentlich ins Zeug. Vor allem zu loben sind hier Konstantin Chabenski und Galina Tyunina (Olga) in der Körpertauschszene, die die beiden glaubhaft spielen und dafür sorgen, dass sie zum komödiantischen Highlight des Films wird. Wiktor Werschbizki und Vladimir Menshov (Geser) merkt man ebenfalls an, dass ihnen das Ganze unglaublich viel Spaß macht.

Lediglich das Ende des Films gefällt mir nicht allzu sehr, denn ich bin absolut kein Freund des Zeitzurückdrehens, das zur Folge hat, dass überhaupt nichts geschehen ist.

Fazit: Akzeptiert man die Tatsache, dass die Wächter-Filme nur sehr lose Adaptionen sind, ist „Wächter des Tages“ dem Vorgänger in vielerlei Hinsicht überlegen: Er ist größer, kreativer, visuell noch beeindruckender und schauspielerisch beeindruckender. Lediglich das Ende ist etwas misslungen.

Siehe auch:
Wächter der Nacht

Wächter der Nacht

Enthält Spoiler zu Film und Roman
wächterdernacht
Story: Verborgen vor den Augen der Menschen leben die Anderen, die Hexen, Zauberer, Vampire und Gestaltwandler, und bekämpfen sich seit Jahrtausenden. Sie teile sich in „Lichte“ und „Dunkle“ und haben zwei Organisationen, die Wächter der Nacht (bestehend aus Lichten) und die Wächter des Tages (bestehend aus Dunklen) gegründet, um sich gegenseitig zu überwachen und die Einhaltung des Vertrags zu gewährleiste, der dafür sorgt, dass die Auseinandersetzung nicht zu sehr eskaliert.

Das hält Geser (Wladimir Menschow), Chef der Moskauer Nachtwache, und Zavulon (Wiktor Werschbizki), sein dunkles Gegenstück, allerdings nicht davon ab, gegeneinander zu arbeiten. Auf der unteren Ebene sind die Dinge scheinbar ein wenig banaler: Anton Gorodezki (Konstantin Chabenski), ein eher schwacher Magier, der für die Nachtwache arbeitet, muss sich mit Vampiren herumschlagen, die illegal von einem Jungen namens Jegor (Dmitriy Martynov) trinken, und die Ärztin Swetlana (Marija Poroschina) wurde mit einem mächtigen Fluch belegt. Erst nach und nach kommt Anton dahinter, dass dies letztendlich alles zum Spiel von Zavulon und Geser gehört…

Kritik: Vor kurzem erschien mit „Die letzten Wächter“ der sechste Band von Sergej Lukianenkos russischer Urban-Fantasy-Saga, der von mir innerhalb weniger Tage verschlungen wurde und in mir die Lust geweckt hat, mich mal wieder ein wenig mit den Wächtern zu beschäftigen. Aus diesem Grund habe ich mir ein weiteres Mal die Filmadaptionen zu Gemüte geführt. Regie führte Timur Bekmambetow, in westlichen Gefielden vor allem bekannt für „Wanted“ und „Abraham Lincoln: Vampirjäger“, während Lukianenko selbst, zusammen mit Bekmambetow und Laeta Kalogridis, für die Drehbuchadaption seines Romans verantwortlich war.

Wie man es auch dreht und wendet, „Wächter der Nacht“ ist definitiv ein merkwürdiges und interessantes Biest. Es handelt sich nicht um eine Adaption des kompletten Romans, sondern nur des ersten Drittels – jeder von Lukianenkos Wächter-Romanen besteht aus drei Geschichten, die mehr oder weniger miteinander verbunden sind. „Wächter der Nacht“ ist eine Umsetzung der ersten Geschichte, „Das eigene Schicksal“, während der Film „Wächter des Tages“, anders als der Titel suggeriert, nicht die Filmumsetzung des gleichnamigen Romans ist, sondern, sehr frei, die zweite und dritte Geschichte des ersten Romans adaptiert. Und auch der hier zu besprechende Streifen ist alles andere als eine vorlagengetreue Umsetzung, was durch die Tatsache, dass Lukianenko selbst am Drehbuch beteiligt war, allerdings ein wenig relativiert wird, denn offenbar nutzt er die Filme, um mit seinen Figuren und dem Setting zu experimentieren und in anderen Richtungen als in den Romanen zu gehen.
Es gibt allerdings nicht nur Änderungen inhaltlicher Natur, das gesamte Grundkonzept der Anderen, die Funktionsweise der Welt, in der der Film spielt, unterscheidet sich stark vom Roman. Die Magie bei Lukianenko ist beispielsweise recht typische für Fantasy, das Ganze spielt zwar im Moskau der Moderne, die Konzeption der Magie könnte aber genauso gut aus einem „gewöhnlichen“ Fanatsy-Roman stammen, es gibt Zauber, magische Amulette, Rituale etc. Timur Bekmambetov mag traditionelle Fantasy allerdings nicht besonders, weshalb die Fähigkeiten der Dunklen und Lichten subtiler eingearbeitet sind. Wo im Roman ein Amulett benutzt wird, muss im Film eine Taschenlampe mit speziellen Glühbirnen herhalten, Vorhersagen werden schon mal mit Hilfe von Videospielen gemacht und eine Leuchtstoffröhre wird zum Schwert. Ebenso unterscheidet sich die Konzeption des Zwielichts, der mehrstufigen Schattenwelt, von der alle Anderen ihre Kräfte beziehen, von der im Roman. Beim Lesen habe ich mir das Zwielicht (oder zumindest die erste Ebene) etwa so vorgestellt, wie Frodo und Bilbo die Welt wahrnehmen, wenn sie den Einen Ring tragen. Im Film dagegen wird das Zwielicht von merkwüdiger Farbgebung dominiert und statt des blauen Moos, das Emotionen aufsaugt, gibt es Stechmücken. Der fundamentalste Unterschied ist allerdings die Initiation der Anderen: Wenn ein nicht-initiierter Anderer im Roman zum ersten Mal das Zwielicht betritt, entscheidet seine Gemütslage, ob er zum Lichten oder zum Dunklen wird. Im Film dagegen geschieht es als bewusste Entscheidung.

Inhaltliche folgt „Wächter der Nacht“ der Struktur der Vorlage, aber, wie erwähnt, mit einigen Änderungen. Neben der grundsätzlichen Konzeption betrifft dies vor allem die Figuren, die sich zum Teil sowohl äußerlich als auch charakterlich stark von ihren Buchpendants unterscheiden. So wird Zavulon (russische Version des biblischen Namens Sebulon, in der Romanübersetzung von Christiane Pöhlmann wird die deutsche Version verwendet) von Lukianenko als dünner, unauffälliger Intellektueller beschrieben, der aussieht, als wäre er um die 30. Film-Zavulon dagegen ist vieles, aber nicht unauffällig (und vom Aussehen her mindestens zwanzig Jahre älter als die Buchversion), er wirkt eher wie ein gealterter Punker mit viel Geld.

Noch stärker ist allerdings Anton selbst betroffen: Im Roman weiß der Leser immer, was Anton denkt, da er der Ich-Erzähler ist, und er hat zwar Fehler, ist aber im Großen und Ganzen ein sympathischer Protagonist. Im Film dagegen ist er ein ziemliches Arschloch, und das nicht nur seines Verhaltens wegen. Seine erste Handlung im Film besteht darin, eine Hexe zu beauftragen, sein ungeborenes Kind zu töten, da er der Meinung ist, ein anderer habe es gezeugt – im Verlauf des Films stellt sich heraus, dass Jegor dieses Kind ist. Diese Szene stammt aus dem Roman „Wächter des Tages“, dort ist Anton allerdings nicht daran beteiligt, und in den Romanen ist Jegor auch nicht sein Sohn. Diese Konstellation sorgt natürlich letztendlich auch dafür, dass sich das Filmuniversum in eine völlig andere Richtung entwickelt als das Buchuniversum.

So weit so gut, all das sagt nun aber tatsächlich kaum etwas darüber aus, wie der „Wächter der Nacht“ zu bewerten ist. Zu diesem Zweck eine kleine Anekdote: Als „Wächter der Nacht“ seinerzeit auf DVD erschien, habe ich ihn in der Videothek ausgeliehen, was auch meinen ersten Berührungspunkt mit diesem Franchise darstellt. Ich habe den Film also völlig ohne Buchkenntnis gesehen und ziemlich wenig verstanden, denn der Film ist mit seinen Erklärungen eher sparsam. Ironischerweise unterscheidet sich die internationale Schnittfassung von der russischen vor allem dadurch, dass in ihr mehr erklärt wird, so wurde der Prolog mit der Schlacht auf der Brücke (im Roman gibt es hierzu kein Äquivalent, der große Vertrag wurde dort auch nicht von Geser und Zavulon geschlossen) extra für die internationale Version hinzugefügt. Vieles hat sich mir erst erschlossen, als ich den Film nach der Lektüre des Romans noch einmal gesehen habe.
Und genau das ist, in meinen Augen, das größte Problem des Films: Wer die Vorlage nicht kennt, dürfte einige Verständnisprobleme haben, vor allem die Feinheiten erschließen sich einem nicht wirklich. Wer die Vorlage kennt und eine Adaption erwartet, die diese halbwegs getreue wiedergibt, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. „Wächter der Nacht“ funktioniert am besten, wenn man ihn, ähnlich wie Lukianenko, als Experiment sieht, als „Variation auf die Vorlage“. Vor allem optisch hat der Film einiges zu bieten, sofern man sich nicht an mitunter sehr schnellen Schnitten und der Videoclipästhetik stört. Allerdings sind einige der visuellen Effekte doch ziemlich schlecht gealtert. Durch den Einsatz von magisch aufgeladenen Alltagsgegenständen ist die Action zumeist ziemlich unterhaltsam und kreativ.

An die Tiefe der Vorlage kommt der Film leider nicht ansatzweise heran, gerade was philosophische oder politische Doppelbödigkeit anbelangt, hin und wieder gelingt es Bekmambetov allerdings, diesbezüglich eigene Akzente zu setzen, etwa bei der visuellen Konzeption der beiden Wachen: Während die Agenten der Nachtwache sich als Mitarbeiter der Stadtwerke tarnen und wie Überbleibsel des Kommunismus wirken, treten die dunklen Anderen wie neureiche russische Promis, Politiker und Gangster der 90er Jahre auf.

Fazit: „Wächter der Nacht“ ist letztendlich sehr schwierig zu bewerten. Grundsätzlich entfernt sich der Film ziemlich weit von der Romanvorlage, da Lukianenko allerdings selbst das Drehbuch geschrieben relativiert sich das zumindest teilweise. Am besten funktioniert der Film für Buchkenner, die Experimenten mit den Figuren und Ereignissen der Buchvorlage nicht abgeneigt sind. Davon abgesehen ist „Wächter der Nacht“ visuell sehr beeindruckend, teilweise aber auch ziemlich verwirrend. Während die Action kreativ und unterhaltsam ist, können die Dialoge mitunter ziemlich konfus sein.

Trailer

Der König der Löwen – Soundtrack

Nostalgie-Review
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Track Listing:

CD 1
01. Circle of Life/Nants‘ Ingonyama
02. Didn’t Your Mother Tell You Not to Play With Your Food
03. We Are All Connected
04. Hyenas in the Pride Land
05. I Just Can’t Wait to Be King
06. Elephant Graveyard
07. I Was Just Trying to Be Brave
08. Be Prepared
09. Simba, It’s to Die For
10. Stampede
11. Mufasa Dies
12. If You Ever Come Back We’ll Kill You
13. Bowling for Buzzards
14. Hakuna Matata
15. We Gotta Bone to Pick With You
16. Kings of the Past
17. Nala, Is It Really You?
18. Can You Feel the Love Tonight
19. Remember Who You Are
20. This is My Home
21. The Rightful King

CD 2
01. The Morning Report
02. Warthog Rhapsody
03. We Are All Connected (Score Demo)
04. I Was Just Trying to Be Brave‘ (Score Demo)
05. Stampede (Score Demo)
06. Mufasa Dies (Score Demo)
07. This Is My Home (Score Demo)
08. The Rightful King (Score Demo)
09. Circle of Life (Instrumental Demo)
10. Circle of Life – performed by Elton John
11. I Just Can’t Wait to Be King – performed by Elton John
12. Can You Feel the Love Tonight (End Title) – performed by Elton John

Die letzten Wochen ist hier nicht viel passiert, weil ich zuerst krank war und dann Zeit gebraucht habe, um Verpasstes nachzuholen. Dafür gibt es nun allerdings die ausführliche, analytische Besprechung eines Filmmusikklassikers aus meiner Kindheit.
Für Fans des Scores von „Der König der Löwen“ war das Album, das 1994 zusammen mit dem Film erschien, ziemlich frustrierend. Sicher, für jemanden, der lediglich die Songs sein Eigen nennen möchte, reicht diese CD völlig, neben den Filmversionen aller Lieder enthält sie auch die Elton-John-Versionen von Circle of Life, I Just Can’t Wait to Be King und Can You Feel the Love Tonight. Für den Filmmusik-Fan sind magere siebzehn Minuten von Hans Zimmers Score, definitiv eines seiner besten Werke und für den einzigen Oscar des deutschstämmigen Komponisten verantwortlich, einfach nicht genug.
Nach langer, langer Zeit hat Disney nun letztes Jahr, zum zwanzigsten Jubiläum des Films, endlich, im Rahmen seiner Legacy-Collection, den kompletten Score in einem schicken Zwei-CD-Set veröffentlicht, in einer neu abgemischten Version und mit allen Stücken und Songs in korrekter chronologischer Reihenfolge.
Werfen wir zuerst einen Blick auf die Lieder, die ohnehin jeder kennt, bevor wir zum eigentlichen Score kommen: Im Grunde liebe ich sie alle, schon aus nostalgischen Gründen, jedes von ihnen ruft eine Myriade an Kindheitserinnerungen wach. Insgesamt denke ich, dass Circle of Life der stärkste Song ist, schon allein, weil dieses Lied die Atmosphäre des Film sofort festlegt, auch wenn Be Prepared als Schurkensong natürlich mein heimlicher Favorit ist – Jeremy Irons kann zwar nicht singen, aber er klingt so herrlich britisch-böse. Allerdings muss ich zugeben, ohne den Nostalgiefaktor könnten sich die Songs, bis auf Circle of Life (und das auch vor allem wegen Lebo M.s Chorarbeit) wahrscheinlich nicht so gut halten. Anders als bei den von Alan Menken vertonten Disney-Filmen bleiben Songs und Score auch relativ stark voneinander getrennt, zwar nicht völlig, aber dennoch. Da Zimmer und sein Team auch für die Orchestrierung verantwortlich waren, gibt es natürlich gewisse stilistische Überschneidungen (vor allem bei Circle of Life), der Einfluss von Elton John auf den Score ist allerdings sehr gering, in Didn’t Your Mother Tell You Not to Play With Your Food meint man, ein paar Spuren von Be Prepared zu hören und am Ende von Hyenas in the Pride Land finden sich definitiv kurze Adaptionen der Melodien von Can You Feel the Love Tonight und I Just Can’t Wait to Be King. Zusammen mit der Reprise von Circle of Life in The Rightful King war es das allerdings in dieser Hinsicht. Einerseits finde ich das ziemlich schade, weil ich das Zusammenspiel von Score und Songs bei den Menken-Filmen liebe, wo die Melodien der Lieder oftmals leitmotivisch aufgegriffen werden. Andererseits etabliert Zimmer im Score eigene Themen, die schlicht stärker sind als die meisten Melodien von Elton John.
Stilistisch bemüht sich Zimmer, eine afrikanische Atmosphäre zu etablieren, was ihm auch hervorragend gelingt. Zu seinen üblichen, sehr basslastigen und zum Teil (aber, anders als bei vielen seiner späteren Scores noch nicht übermäßig) synthetisch bearbeiteten Orchesterklängen kommen Panflöten, viele Holzbläser und ein bombastischer Chor (besonders effektiv in Stampede und The Rightful King), der dafür sorgt, dass die Musik eine epische Dimension erreicht, die außer „Der Glöckner von Notre-Dame“ kein andere Disney-Score hat. Lebo M. hat daran sicher großen Anteil – „Der König der Löwen“ ist nach „The Power of One“ bereits der zweite Film, an dem er mit Zimmer zusammenarbeitete. Interessanterweise ist „The Power of One“ so etwas wie der Prototyp für „Der König der Löwen“, und auch eine gute Ergänzung. Wer sich fragt, wo der Sound des Films herkommt, sollte einmal in die erste Lebo-M./Hans-Zimmer-Kollaboration reinhören.
Wie bereits erwähnt sind Zimmers Themen ziemlich stark, dies betrifft vor allem das Hauptthema, gemeinhin auch gerne als This Land bezeichnet, nach dem Tracktitel auf dem ursprünglichen Album. Es handelt sich dabei um ein grandioses, emotional unglaublich intensives Thema. Wofür es genau steht ist nicht ganz leicht herauszufinden, im Grunde ist es ein den Film umspannendes Thema, das entweder für das Geweihte Land, das Schicksal oder das rechtmäßige Königtum als Konzept steht. Wie auch immer, als Hauptthema funktioniert es hervorragend und hält den Score in seinen vielen Variationen zusammen. Zum ersten Mal zu hören ist es in We Are All Connected, und von da an taucht es immer wieder in unterschiedlichen Gestalten auf. Besonders erwähnenswert sind die Variationen in I Was Just Trying to Be Brave (melancholisch mit Chor), Remember Who You Are (Gänsehaut-erzeugend) und The Rightfull King (zuerst im Actionmodus und am Ende mit noch mehr Gänsehaut).
Das zweite wichtige Thema gilt Simba und ist erstmals in We Are All Connected ab 0:59 zu hören. Im ersten Drittel des Scores sind die Variationen, wie hier oder in Hyenas in the Pride Land (2:06) zumeist kindlich und verspielt, im zweiten Drittel, quasi während Simbas Selbstverleugnungsphase, taucht es so gut wie gar nicht auf, um dann zusammen mit Nala zu Simba zurückzukehren und ihn daran zu erinnern, wer er ist. In Nala, Is It Really You? (bei 1:30) ist noch einmal eine verspielte Variation zu hören, die an Simbas Kindertage erinnert. In Remember Who You Are wird die Angelegenheit dann ernster, das Stück ist von Fragmenten des Themas durchzogen, bis es am Ende, bei 7:30, schließlich in einer kräftigen, vom Chor begleiteten Variation regelrecht ausbricht und Simbas Heimkehr untermalt. Direkt am Anfang von This Is My Home ist noch einmal eine sehr ähnliche Version zu hören, und schließlich erklingt das Thema noch einmal in seiner triumphalsten Variation in The Rightful King bei 9:50, als Simba seinen Platz als König einnimmt.
Neben diesen beiden Hauptthemen gibt es noch eine ganze Reihe sekundärer Themen, unter anderem für Scar (am besten zu hören in Didn’t Your Mother Tell You Not to Play With Your Food), das durch die Verwendung des Saxophon einen leichten Film-Noir-Klang hat, die Hyänen (Elephant Graveyard) und Timon und Pumbaa (Bowling for Buzzards und The Rightful King ab 5:20), eine eher komödiantische Fanfare. Darüber hinaus existieren noch eine Reihe weiterer, wiederkehrender Motive, deren Zuordnung allerdings recht schwer ist.
Werfen wir zum Schluss noch einen kurzen Blick auf die zweite CD des Sets. Bei The Morning Report und Warthog Rhapsody handelt es sich um Songs, die aus dem fertigen Film geschnitten wurden. The Morning Report wurde in Julie Taymores Mucial-Adaption des Films verwendet und für die Platinum-Edition-DVD des Films animiert und eingefügt, was allerdings zu Protesten führte; und das nicht ganz zu Unrecht, denn im Film selbst stört das Lied die Struktur der Szene (weshalb es für die Blu-Ray-Diamond-Edition auch wieder entfernt wurde). Warthog Rhapsody war ursprünglich das Timon-und-Pumbaa-Lied, bevor es durch Hakuna Matata ersetzt wurde, allerdings taucht es im Direct-to-DVD-Midquel „Der König der Löwen 3: Hakuna Matata“ (bzw. „Der König der Löwen ½“) wieder auf. Die restliche CD ist mit Score-Demos und den Elton-John Versionen von Circle of Life, I Just Can’t Wait to Be King und Can You Feel the Love Tonight gefüllt.
Fazit: Selbst wenn die zweite CD nur für wirkliche Score-Fans ist, die am Entwicklungsprozess interessiert sind, ist die Legacy Collection von „Der König der Löwen“ definitiv schon allein wegen des kompletten Score auf der ersten CD und wegen des wunderschön aufgemacht Albums ihr Geld wert. Der Score selbst ist nach wie vor eine von Hans Zimmers besten Arbeiten.