Monsieur Claude und seine Töchter

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Story: Claude (Christian Clavier) und Marie Verneuil (Chantal Lauby) leben in Chinon und sind sehr katholisch, sehr konservativ und sehr stolz darauf, Franzosen zu sein. Unglücklicherweise sind ihre Töchter weit weniger traditionell eingestellt: Odile (Julia Platon) hat den Juden David (Ary Abittan) geheiratet, Isabelle (Frédérique Bel) hat mit Rachid (Meid Sadoun) einen Muslim geehelicht und Chao (Frédéric Chau), der Ehemann der depressiven Ségolène (Émilie Caen) ist Chinese. Die Hoffnung ruht nun also auf Laure (Élodie Fontan), der vierten und jüngsten Tochter. Claude und Marie sind schon ganz aufgeregt, als sie erfahren, dass Laures Zukünftiger (Noom Diawara) Charles heißt und katholisch ist, sind dann aber entsetzt, als sie herausfinden, dass er von der Elfenbeinküste stammt. Planung und Durchführung der Hochzeit entpuppen sich schon bald als verzwickte Angelegenheit, besonders, da Charles‘ Vater André (Pascal N’Zonzi) Claude geradezu extrem ähnlich ist – den Gedanken, dass sein Sohn mit einer Weißen verheiratet ist, kann er nicht ertragen.

Kritik: Zugegeben, Philippe de Chauverons Komödie fällt nicht unbedingt in meinen Wohlfühlbereich, aber das muss hin und wieder aus mal sein. Während Filme wie „Monsieur Claude und seine Töchter“ mich selten längerfristig beschäftigen, kann ich doch nicht leugnen, dass er als das, was er ist, sehr gut funktioniert und ziemlich lustig ist. Die Thematik, Vorurteile und Rassismus, ist natürlich immer ein wenig heikel, aber de Chauveron bemüht sich zum einen, auch bei der gewählten Art und des Humors bleiben, und zum anderen alle gemeinsam durch den Kakao zu ziehen. Jede „Fraktion“ teilt aus und steckt ein, niemand wird verschont.
Im Großen und Ganzen sind Struktur und Handlungsablauf des Films natürlich ziemlich vorhersehbar, man kann ziemlich genau prophezeien, was als nächstes kommt oder wie die Geschichte endet, aber im Grund ist dies hier nur sekundär, wieder einmal ist das „Wie“ sehr viel bedeutender als das „Was“. Die Inszenierung ist tadellos, der Humor funktioniert (zumindest für mich) fast immer und nervige Komödien-Handlungklischees fehlen entweder oder werden so umgesetzt, dass sie erträglich sind.
Die größte Schwäche des Films sind interessanterweise die titelgebenden Töchter. Bis auf die depressive, ständig düstere Selbstporträts malende Ségolène sind sie alle fürchterlich unmarkant und haben quasi keine Eigenschaft, durch die sie beim Zuschauer im Gedächtnis bleiben. Das liegt vielleicht auch ein wenig an den Schauspielerinnen, aber letztendlich bekommen sie einfach fast nichts, mit dem man arbeiten könnte und verkommen so zu reinen Plotfunktionen – sie sind da, damit die Handlung funktioniert. Das ist besonders auffällig, weil die anderen Figuren zwar nicht unbedingt sonderlich komplex, aber doch markant sind. Als Zuschauer hat man keine Probleme, David, Rashid, Charles und Chao auch über ihre ethnische Herkunft hinaus im Gedächtnis zu behalten oder charakterliche Merkmale zu definieren. Die Töchter dagegen bleiben ziemlich austauschbar.
Der Fokus liegt allerdings ohnehin auf Claude und Marie – dementsprechend verwundert es nicht, dass Christian Clavier und Chantal Lauby auch die stärksten schauspielerischen Leistungen erbringen. Trotz ihrer Vorurteile und ihrer Weltsicht werden die beiden niemals unsympathisch oder völlig lächerlich, was neben den beiden Darstellern auch daran liegt, dass die Figuren sich durchaus immer mal wieder selbst hinterfragen. Ansonsten muss vor allem noch Pascal N’Zonzi als André hervorgehoben werden, der zusammen mit Clavier/Claude ein grandioses Leinwanduo abgibt – ein Spin-off über die beiden würde ich mir sofort anschauen.
Fazit: Gelungene Komödie mit Glanzleistungen von Christian Clavier, Chantal Lauby und Pascal N’Zonzi. Lediglich die titelgebenden Töchter bleiben unangenehm blass und uninteressant.

Trailer

Media Monday 165

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A census taker once tried to test me. I ate his Media Monday with some fava beans and a nice Chianti.

1. Wenn SchauspielerInnen unter die MusikerInnen gehen, ist das Ergebnis interessanterweise oftmals besser als man erwarten würde. In der Tat sind viele Schauspieler bessere Sänger als Sänger Schauspieler.

2. Biografien lese ich eigentlich nur, wenn es fürs Studium nötig ist, das sind dann meistens Biographien historischer Figuren.

3. Was-bisher-geschah-Segmente bei Serienfolgen auf DVD sollte man heutzutage eigentlich nicht mehr sehen müssen, denn im Fernsehen sind sie durchaus nützlich, auf DVD aber ziemlich überflüssig, da man ja das eigene Sichtungstempo reguliert und jederzeit einen Blick in die vorherige Folge werfen kann.

4. Dass Tyler Bates für „Guardians of the Galaxy“ mal ein gut wahrnehmbares Thema, das ins Ohr geht, komponiert hat, war für mich die großartigste Überraschung der jüngeren Vergangenheit, weil er das bisher einfach absolut nicht hinbekommen hat. Seine Guardians-Musik ist zwar weit davon entfernt, ein Meisterwerk zu sein, aber bisher Bates beste Arbeit.

5. An Büchern schreckt mich am ehesten ______ ab, denn ______ .
An Büchern schreckt mich eigentlich gar nichts, ab, es sei denn, der Name „Stephenie Meyer“ steht auf dem Cover.

6. Aus Filmen/Büchern/Serien zu zitieren ist mir eine Freude. Siehe oben.

7. Zuletzt gesehen habe ich „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ und das war ordentlich trashig, weil das bei einem Film mit diesem Titel gar nicht anders sein kann.

Misty Mountains


First Contact
Ich erinnere mich noch gut, wie ich im Dezember des Jahres 2011 gierig sabbernd vor dem PC saß, als der erste Hobbit-Trailer online ging. Besagter erster Einblick in Peter Jacksons zweite Mittelerde-Trilogie ist bis heute einer meiner absoluten Lieblingstrailer, und ich denke, bis heute hatte kein anderer eine derartige Wirkung wie dieser, auch keiner der HdR-Trailer. In der Tat erinnere ich mich nicht wirklich, im Vorfeld der drei HdR-Filme Trailer gesehen zu haben – damals war das Internet (zumindest für mich) noch nicht so omnipräsent, es gab noch kein Youtube etc. Selbst den enorm beliebten Trailer zu „Die zwei Türme“, der mit einer neu orchestrierten Version von Clint Mansells Lux Aeterna aus „Requiem for a Dream“ unterlegt war (weshalb viele Leute dieses Stück fälschlicherweise mit der HdR-Trilogie assozieren und oft sogar der Meinung sind, es käme in den Filmen vor), sah ich erst im Youtube-Zeitalter.
Der Grund, weshalb der erste Hobbit-Trailer einen derartigen Eindruck bei mir hinterließ, lässt sich in zwei Worten zusammenfassen: Misty Mountains.
Schon der Anfang ist ganz nett und bringt einen durch die Klänge des Auenland-Themas sofort nach Mittelerde zurück, doch dann beginnt Thorin Misty Mountains zu singen und die anderen Zwerge stimmen mit ein, und ab diesem Moment gibt es Gänsehaut. Und als ob das nicht schon genug wäre, wird der Rest des Trailers von einer bombastischen Orchestralversion der Misty-Mountains-Melodie untermalt. Schon damals glaubte und hoffte ich, Howard Shore würde aus dem diegetischen Lied ein extradiegetisches Leitmotiv machen, ähnlich wie Hans Zimmer es zum Beispiel mit Hoist the Colours in „Pirates of the Caribbean: At World’s End“ tat. Und ich wurde nicht enttäuscht. Zwar stammt die Melodie selbst nicht von Shore, sondern von David Long und der neuseeländischen Band Plan 9 (bestehend aus David Donaldson, Steve Roche und Janet Roddick), die bereits für die diegetische Musik der HdR-Trilogie verantwortlich war, doch Shore adaptierte die Melodie, machte aus ihr ein wichtiges Leitmotiv und förderte ihr ganzes Potential zutage.
Das Misty-Mountains-Thema ist dabei der geistige Nachfolger des Gefährten-Themas und könnte auch gut als Kompanie-Thema (oder Thorin-und-Kompanie-Thema) bezeichnet werden. Es steht sowohl für die Gemeinschaft an sich als auch ihre Mission bzw. ihre Absicht. Während im Roman die Rückgewinnung des Zwergengoldes im Vordergrund steht, sieht die Motivation von Thorin und Kompanie im Film ein wenig anders aus, die verlorene Heimat scheint hier zunächst die Hauptantriebskraft, und dies drückt das Misty-Mountains-Thema ebenfalls aus – ein wenig ironisch, wenn man bedenkt, dass es im Lied vor allem um das Gold geht.
Das Misty-Mountains-Thema ist noch auf andere Art der geistige Nachfolger des Gefährtenthemas: Es ist das Thema, das dem „normalen“ Filmzuschauer am ehesten im Ohr bleibt. Einige beschwerten sich, in Shores Musik für den ersten Hobbit-Filme gebe es außer dem Misty-Mountains-Thema keine neuen Themen, was schlicht falsch ist, aber so genial die leitmotivischen Verknüpfungen dieser neuen Themen auch sind, sie sind zugegebenermaßen weit weniger einprägsam als die Leitmotive, die Shore in „Die Gefährten“ einführte – aus diesem Grund sticht das Misty-Mountains-Thema besonders heraus. Hinzu kommt noch, dass es vielleicht ein, zwei Mal zu oft verwendet wird. Wie ich bereits mehrfach erwähnte gibt es einen ziemlich großen Unterschied zwischen der Musik im Film und auf den beiden Alben, was wohl auf verspätete Umschnitte zurückzuführen ist. Man bekommt allerdings auch den Eindruck, dass Jacksons Shores ursprüngliche Komposition zu komplex und anspruchsvoll war. Wenn man davon ausgeht, dass die Albenversion der Musik Shores ursprüngliche Intention darstellt und sie mit der Filmversion vergleicht, fällt auf, dass die Musik auf den CDs um einiges subtiler und durchdachter ist als im Film.
Wenn ich in der folgenden Analyse der Themeneinsätze Tracktitel und Zeiten nenne, bezieht sich das auf die Special Edition des Soundtracks von „Eine unerwartete Reise“, außer dort, wo explizit auf die Standard Edition hingewiesen wird.

Das Lied in Film und Roman


Die erste, subtile Andeutung des Misty-Mountains-Themas findet sich in Axe or Sword? bei 1:14, als Bilbo den Erebor, das Ziel der Mission, auf Thorins Karte erblickt. Sein eigentliches Debüt findet sich allerdings, wie könnte es auch anders sein, in Misty Mountains, gesungen von Richard Armitage und den anderen Zwergendarstellern. Das Lied, wie es im Film vorkommt (mit zwei Strophen), ist allerdings sehr viel kürzer als die Buchversion (zehn Strophen), die die Zwerge bei Bilbo singen. Es handelt sich auch nicht um Direktübernahmen, zumindest bei der ersten Filmstrophe. Die zweite Filmstrophe ist mit der siebten Buchstrophe identisch:
The pines were roaring on the hight,
The winds were moaning in the night.
The fire was red, it flaming spread;
The trees like torches blazed with light.

Die erste Filmstrophe ist dagegen mit keiner der Buchstrophen völlig identisch. Die ersten drei Verse tauchen in den Buchstrophen eins, fünf und (leicht abgewandelt) zehn auf, wobei der letzte Vers immer anders ist:
Far over the misty mountains cold
To dungeons deep and caverns old
(in der zehnten Strophe: To dungeons deep and caverns dim)
We must away ere break of day
To seek the pale enchanted gold
(erste Strophe).
To claim our long-forgotten gold (fünfte Strophe).
To win our harps and gold from him (zehnte Strophe).
Im Film dagegen lautet der letzte Vers der ersten Strophe: To find our long-forgotten gold. Ebenfalls erwähnenswert ist, dass im Trailer der dritte und vierte Vers der ersten Strophe fehlt, was sich auf die Instrumentalversionen auswirkt. Wenn man sich die Mühe macht, den Text bei diesen mitzusingen, fehlen ebenfalls die besagten beiden Verse.

Eine unerwartete Reise


Die erste vollständige Instrumentalversion des Misty-Mountains-Thema ist in The World Is Ahead zu hören (ab 1:30). In bester Gefährten-Thema-Manier untermalt es den Aufbruch der Kompanie aus dem Auenland und ist schon kräftig, im Vergleich zu einigen der späteren Variationen allerdings noch verhältnismäßig zurückhaltend. Dennoch: Hier ist die Gemeinschaft zum ersten Mal vollständig, und das Abenteuer beginnt. Auffällig ist, dass diese Variation unvollendet ist und es zwischen Film- und Albenversion einen Unterschied gibt. Im Film wird das Ende des Stückes ausgeblendet, während auf dem Album ein sekundäres Zwergenthema das Misty-Mountains-Thema unterbricht und das Stück abschließt. Besagtes Thema erklingt noch einmal auf dem Album, zu Beginn des Stückes The Edge of the Wild, das allerdings ebenfalls nicht im Film vorkommt.

Der nächste Einsatz des Themas in Roast Mutton ist besonders interessant, da es hier einen signifikanten Unterschied zwischen Standard Edition, Special Edition und Filmversion gibt. Nachdem Bilbo von den drei Trollen in die Mangel genommen wird, eilen die Zwerge zu seiner Rettung, begleitet von den ersten (und auf dem Album einzigen) Action-Variationen des Misty-Mountains-Themas. Auf dem Standard-Album finden sich zwei kräftige, rasante Ausbrüche des Themas (bei 2:21 und 3:03), die erweiterte (bzw. alternative) Version der Special Edition beinhaltet lediglich eine Variation des Themas, die darüber hinaus sehr viel weniger kräftig und energisch ist (2:24). Die Filmversion schließlich ist noch einmal anders, zwar näher am Standard-Album mit zwei kräftigen Einsätzen, aber dennoch nicht identisch. Wahrscheinlich haben wir es hier ein weiteres Mal mit späten Umschnitten zu tun, möglicherweise handelt es sich bei der Version der Special Edition um die ursprüngliche Komposition und Peter Jackson verlangte es nach einer kräftigeren Version des Themas. Während die schwächere Variation der Situation zweifellos eher angemessen ist, ist das Standard-Roast-Mutton definitiv das bessere Stück, durch die Art und Weise, wie die Shore die musikalische Spannungsschraube anzieht, wirkt der energische Ausbruch des Themas weitaus passender.

In Over Hill fungiert das Misty-Mountains-Thema abermals als „Platzhalter“ für das Gefährten-Thema, wie dieses untermalt es hier den Aufbruch der Gemeinschaft aus Bruchtal und die Überquerung des Nebelgebirges. Zu Beginn des Stückes ist eine zaghafte Version zu hören. Nach einem kurzen Zwischenspiel erklingt es ab 2:24 noch einmal kräftiger, um dann zu der bereits im Trailer gehörten epochalen Variation zu werden – erfreulicherweise ist das Thema hier noch ein wenig knackiger orchestriert. Abermals geht das Thema am Endes des Stückes (3:17), wie schon in The World Is Ahead, in ein anderes Motiv über, in diesem Fall Thorins Thema.
Nach der Überquerung des Nebelgebirges, die diese Variation untermalt, folgen im Film noch fünf weitere, die es auf keines der beiden Alben geschafft haben. In der Tat wird das Thema vielleicht ein, zwei Mal zu oft verwendet (und ich denke auch hier, dass man Peter Jackson dafür verantwortlich machen muss), aber wäre es wirklich zu viel verlangt, noch wenigstens eine weitere Action-Version aufs Album zu packen?
Nach der Begegnung mit den Steinriesen finden die Zwerge Unterschlupf in einer Höhle. Bilbo, von Zweifeln geplagt, möchte die Gemeinschaft verlassen und nach Bruchtal zurückkehren, doch Bofur hält ihn auf. Die beiden unterhalten sich über das Thema Heimat und hierbei erklingt eine sehr zurückhaltende Version des Misty-Mountains-Themas, die zum ersten Mal wirklich diesen Aspekt repräsentiert, hier wird nicht eine Aktion der Gemeinschaft (wandern, kämpfen), sondern ihr Ziel hervorgehoben.

Die nächsten beiden Einsätze sind dagegen wieder kriegerischer Natur und ähneln den Roast-Mutton-Statements, es handelt sich dabei allerdings nicht um identische Versionen – Variation ist vorhanden. Die erste erklingt, als Thorin und Kompanie (abzüglich Bilbo, der gerade mit Gollum rätselt) von Gandalf auf den Klauen des Großorks gerettet werden und anschließend selbst zu den Waffen greifen. Dementsprechend ist das Misty-Mountains-Thema auch angemessen martialisch. Dieses Mal mischt sich Thorins Thema direkt am Anfang dazu, sodass es dieses Mal sogar den korrekten Abschluss hat.
Bis zur nächsten Action-Variation dauert es nicht lange, sie beendet die Hetzjagd durch die Orkhöhlen, dieses Mal ohne Thorins Thema. Diese Version des Themas ist noch ein wenig robuster als die bisher gehörten.
Nachdem alle Protagonisten wieder aus der unterirdischen Welt entkommen sind, haben sie eine kurze, ruhige Minute, in der noch einmal die Rückgewinnung der Heimat angesprochen wird. Hier erklingt, wie schon im Bilbo-Bofur-Dialog, eine sanfte Variation des Misty-Mountains-Themas, die mit der vorherigen sogar identisch sein könnte.

Dasselbe trifft auch auf die letzte Action-Version des Themas zu. Nachdem Azog Thorin ausgeknockt und Bilbo diesem das Leben gerettet hat, stürzen sich die Zwerge noch einmal in die Schlacht, begleitet von derselben Variation, die schon in den Orkhöhlen zu hören war (die zweite, ohne Thorins Thema). Dieses Mal wird das Statement allerdings vom Natur-Thema unterbrochen, das die Ankunft der Adler begleitet.
Und dann hätten wir natürlich noch den Abspannsong. Neil Finns Song of the Lonely Mountain basiert ebenfalls auf der Plan-9-Melodie. Ich muss sagen, ursprünglich war ich nicht so begeistert von dieser Interpretation. Grundsätzlich finde ich es gut, dass der Abspannsong auf einer Melodie aus dem Film basiert, allerdings ist Neil Finns Stimme für meinen Geschmack zu „unzwergig“, die Instrumentierung nicht ganz gelungen und die Ayayayas nervig. Im Vergleich zu dem, was „Smaugs Einöde“ in dieser Hinsicht zu bieten hatte, bin ich über Song of the Lonely Mountain inzwischen allerdings gottfroh.

Auch hier gibt es eine Diskrepanz zwischen Film- und Albenversion. Im Film ist eine Einleitung in Form einer elegischen Streicherversion der Misty-Mountains-Melodie vorhanden, die hervorragend vom Score zum Lied überleitet und die man wirklich noch vor Neil Finns Lied auf das Album hätte packen können.
Dafür gibt es auf der Special Edition wenigsten noch eine zusätzliche Version des Themas in dem Stück The Edge of the Wild.

Smaugs Einöde
Obwohl ich die Musik des zweiten Hobbit-Films im Großen und Ganzen extrem gelungen finde, gibt es zwei recht große Enttäuschungen: Der fürchterliche Abspannsong von Ed Sheeran und das völlige Fehlen des Misty-Mountains-Themas. Über die Gründe für dieses Fehlen wurde schon viel spekuliert, denn es sieht Shore gar nicht ähnlich, ein derart prominentes Thema einfach fallen zu lassen, selbst wenn er die Melodie nicht selbst komponiert hat. Zugegebenermaßen, auch das Aníron-Thema, das Enya für „Die Gefährten“ komponierte, verwendete Shore nicht weiter, dieses kam im Film allerdings auch nur einmal vor, während das Misty-Mountains-Thema das dominante Leitmotiv des ersten Hobbit-Films war. Laut Doug Adams wollten Jackson und Shore die Gefährlichkeit der Wilderlande hervorheben. Da es sich um filmisch bisher unerforschten Raum handelt, sollten die neuen Themen dominieren, und ein Stück weit bin ich auch durchaus gewillt, dieses Argument anzuerkennen. Auch das Auenland- bzw. Bilbo-Material wurde für „Smaugs Einöde“ stark reduziert, während das Waldlandreichthema, die Motive des Nekromanten und später Smaugs Thema den Score dominieren. Aber genau hier liegt der Knackpunkt: Besagtes Material wurde zwar reduziert, ist aber immer noch vorhanden. Auch wurde argumentiert, das Thema sei fallengelassen worden, da die Zwerge nun die Nebelberge überquert hätten, aber das finde ich ziemlich unsinnig; das Nebelgebirge wird zwar in der ersten Strophe erwähnt und gibt dem Lied seinen Titel, sein Inhalt erstreckt sich aber weit über sie hinaus.
Zugegebenermaßen gibt es in „Smaugs Einöde“ auch weniger Möglichkeiten, das Misty-Mountains-Thema einzusetzen. Mit einem reduzierten Vorkommen wäre ich vollauf zufrieden gewesen, vielleicht ein Einsatz in The Forest River und einer im Erebor wären völlig ausreichend gewesen. Die Zwerge haben im Film zwar ihnen zugeordnete Themen, sowohl Thorins Thema als auch das Erebor-Thema tauchen wieder auf, und zu ihnen gesellt sich das neue Durins-Haus-Thema, aber als Hauptidentität der Gemeinschaft hinterlässt das Fehlen des Misty-Mountains-Thema doch eine deutliche Lücke.
Trotz aller Begründungen von Doug Adams glaube ich letztendlich, dass es rechtliche Gründe gibt: Plan 9 steuerte für „Smaugs Einöde“ keine Musik bei, und möglicherweise wollte Peter Jackson/New Line/Werauchimmer keine Tantiemen für die Verwendung der Melodie bezahlen.

Die Schlacht der fünf Heere
Diesen Artikel plane ich bereits seit der Sichtung von „Eine unerwartete Reise“, ursprüngliche wollte ich damit aber warten, bis ich den dritten Hobbit-Film (vormals „Hin und wieder zurück“, jetzt „Die Schlacht der fünf Heere) gesehen habe. Da das Misty-Mountains-Thema in „Smaugs Einöde“ nun aber nicht vorkam, habe ich mich umentschieden. Da Fehlen im zweiten Hobbit-Film könnte natürlich bedeuten, dass es auch im dritten nicht vorkommt. Aber was lernen wir aus dem alltäglichen Leben? Wenn wir etwas vorschnell erledigen, müssen wir es meistens doch hinterher ändern, weil es anders kommt, als man denkt. Darum habe ich diesen Artikel vor dem Kinostart von „Die Schlacht der fünf Heere fertiggestellt, in der Hoffnung, in hinterher editieren zu müssen.
Aus narrativer Sicht wäre die Verwendung des Misty-Mountains-Themas in „Die Schlacht der fünf Heere“ jedenfalls sehr angebracht, schon allein, weil man dadurch einen größeren musikalischen Bogen spannen würde. Darüber hinaus ist das Lied im Roman nicht statisch, es kommt ja nicht nur am Anfang vor, sondern wird an zwei Stellen „weitergesungen“. In Beorns Haus stimmen die Zwerge es ein weiteres Mal an (es hätte also durchaus in „Smaugs Einöde“ sogar in Liedform vorkommen können), und ebenso nach dem Tod des Drachen, als der Erebor von den Heeren der Menschen und Elben belagert wird. Jedes Mal spiegelt der Text die bisherigen Ereignisse wieder, deutet auf Kommendes und gibt Einblick in die Gemütshaltung der Zwerge. Ich sehe hier grandioses leitmotivische Potential für einen dunkleren Einsatz des Misty-Mountains-Themas, passend zu Thorins wachsender Verstocktheit und Gewaltbereitschaft. In der Schlacht der fünf Heere könnte es dann anschließend wieder zu alter Glorie zurückkehren. Die Adaption folgender Textstelle (die sicher in einer Form im Film vorkommt) aus dem Höhepunkt der Schlacht der fünf Heere schreit in meinen Augen geradezu nach einem Einsatz des Kompaniethemas:
Suddenly there was a great shout, and form the Gate came a trumpet call. They had forgotten Thorin! Part of the wall, moved by levers, fell outward with a crash into the pool. Out lept the King under the Mountain, and his companions followed him. Hood and cloake were gone; they were in shining armour, and red light lept from their eyes. In the gloom the great dwarf gleamed like gold in a dying fire.

Siehe auch:
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise – Soundtrack
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Soundtrack

Media Monday 164

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Mir fällt gerade kein Zitat ein, Media Monday gibts trotzdem.

1. Wenn ich Danny Elfmans Batmanthema höre, werde ich richtiggehend nostalgisch, weil es eines der ersten Filmmusikstücke ist, das mir aufgefallen ist und weil es während meiner Kindheit, durch B:TAS und die Burton-Filme sehr präsent war.

2. Mit ihrer/seiner Rolle als Seymour Parrish in „One Hour Photo“ ist Robin Williams endlich mal aus seinen Rollenschema ausgebrochen, denn dort hat er bewiesen, dass er auch einen guten Psychopathen spielen kann. Rest in Peace.

3. Coming-of-age-Stories kommen in vielen verschiedenen Gestalten daher.

4. „A Serbian Film“ (in seiner Gesamtheit) war die mitunter brutalste Szene, die mir je in irgend einer Form untergekommen ist und dabei habe ich mir lediglich den Red-Band-Trailer angesehen und die Inhaltsangabe auf Wikipedia durchgelesen. Ich bin ja nun wirklich nicht zart besaitet, aber manche Filme müssen einfach nicht sein.

5. „Two and a Half Men“ hätte man nun wirklich nicht noch einmal aufwärmen müssen, schließlich hat die Serie schon massiv an Charme und Humor verloren, als Charlie Sheen noch mitgespielt hat.

6. Normalerweise kann ich ______ nichts abgewinnen, aber ______ .

Mir fällt gerade kein Beispiel ein.

7. Zuletzt gesehen habe ich „Hellbenders“ gesehen und das war ziemlich mäßig, weil der Film für eine richtige Komödie nicht lustig genug und für einen ordentlichen Horrorfilm nicht schockierend genug war, von diversen anderen Schwächen gar nicht zu sprechen. Clancy Brown braucht dringend bessere Rollenangebote.

Media Monday 163

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It’s a bird… it’s a plane… it’s a Media Monday.

1. Serien oder Filme, die Drogenhandel oder –konsum thematisieren können interessant, faszinierend oder gar verstörend sein – „Requiem for a Dream“ ist ein gutes Beispiel für Letzteres.

2. Michael-Bay-Filme anzusehen empfinde ich als anstrengend, denn ich muss dabei immer das konstante Bedürfnis, meinen Kopf gegen die Wand zu knallen, unterdrücken.

3. Arztserien interessieren mich in den meisten Fällen nicht. Die einzige Ausnahme war „Scrubs“.

4. Ich würde mir ja mal einen Tatort wünschen, der ______ .
„Tatort“ interessiert mich auch nicht, aus diesem Grund habe ich auch keinen Wunsch-Tatort.

5. ______ schreit schon Kunstfilm, erscheint mir aber nur prätentiös, weil ______ .
Fällt mir momentan gerade keiner ein.

6. Eva Green ist nicht nur attraktiv, sondern überzeugt auch in ihren Rollen, speziell als Bond-Girl Vesper Lynd oder als Morgana in „Camelot“. Sie war so ziemlich der einzige positive Aspekt in „300: Rise of an Empire“, und ich bin schon ziemlich gespannt, wie sie sich als Ava Lord in „Sin City: A Dame to Kill For“ machen wird.

7. Zuletzt gesehen habe ich diverse Inkarnationen eines gewissen kannibalischen Psychiaters und das war höchst interessant, weil der Vergleich der diversen Interpretationen einen besonderen Reiz besitzt.

Hannibal Staffel 1

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Und wieder etwas, das schon lange überfällig ist. Warum ich mich der ersten Staffel von „Hannibal“ erst so spät zugewendet habe, ist mir zum Teil selbst ein Rätsel, immerhin bin ich ein Fan des Doktors, die von Anthony Hopkins verkörperte Version hat es immerhin auf Platz 3 meiner Lieblingsschurken geschafft. Da ich sämtliche Thomas-Harris-Romane mit dem kultivierten Kannibalen gelesen und auch sämtliche Filme gesehen habe, lohnt sich natürlich ein ausführlicher und vergleichender Blick darauf, wie die von Bryan Fuller geschaffene Serie sich des Materials annimmt. „Hannibal Rising“ werde ich dabei allerdings großzügig übergehen, ich denke, die Gründe dafür sind eindeutig.

Konzeption und Handlung
Im Grunde erzählt „Hannibal“ erst einmal die Vorgeschichte zu „Roter Drache“: In der ersten Episode wird der Profiler Will Graham (Hugh Dancy) von FBI-Ermittler Jack Crawford (Laurence Fishbourne) in einem Mordfall herangezogen, da Graham über die einzigartige Gabe verfügt, sich in den Kopf von Serienmördern hineinzuversetzen. Da dies Graham allerdings schwer zu schaffen macht, erhält der forensische Psychiater Hannibal Lecter (Mads Mikkelsen) den Auftrag, Will behilflich zu sein und vor allem dessen Geisteszustand zu überwachen. Gemeinsam schnappen sie noch in der ersten Episode ihren ersten Serienkiller, Garrett Jacob Hobbs (Vladimir Jon Cubrt), der auch im Roman „Roter Drache“ am Rande erwähnt wird. Hobbs wird von Graham erschossen und das Ganze könnte der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit zweier außergewöhnlicher Ermittler sein, wäre da nicht die Tatsache, dass Hannibal Lecter ein Kannibale ist, der sein Umfeld mit größter Freude in grausame und potentiell tödliche Psychospiele verwickelt.
In der Tat erinnert „Hannibal“ vor allem zu Beginn stark an die düsterere Version einer Ermittlerserie wie die diversen CSI-Serien, die Folgen scheinen nach Schema F aufgebaut zu sein, pro Folge taucht ein neuer Serienkiller auf, der dingfest gemacht werden muss. Ganz so einfach ist es allerdings nicht, denn schnell wird klar, dass die Aufklärung des aktuellen Falls aboslut nicht im Zentrum steht, manchmal werden die Serienkiller geradezu sekundär. Es geht viel mehr um die Auswirkungen, die die Serienkiller auf Will haben, und natürlich um die komplizierte Beziehung zwischen Hannibal und Will. Trotz seines frühen Ablebens bleibt Garrett Jacob Hobbs etwa die ganze erste Staffel durch ein wichtiger Faktor, nicht zuletzt wegen seiner Tochter Abigail (Kacey Rohl), die von Will vor ihrem Vater gerettet wird. Somit offenbart sich im Verlauf der ersten Staffel, dass es sich bei „Hannibal“ eher um eine Charakterstudie als „nur“ um eine Krimiserie handelt.
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Jack Crawford (Laurence Fishburne)

Laut Bryan Fuller waren ursprünglich sieben Staffeln für die Serie geplant: Die ersten drei sollten die Vorgeschichte erzählen, die vierte sollte „Roter Drache“ adaptieren, die fünfte „Das Schweigen der Lämmer“, die sechste „Hannibal“ und die siebte sollte das Ganze mit neuem Material abschließen. Inzwischen sind jedoch sechs Staffeln anvisiert, die die Romane anders als bisher geplant adaptieren. Gewisse Freiheiten werden sich dabei gar nicht vermeiden lassen, schon allein deshalb, weil die Serie nicht in den 70ern und 80ern, sondern in den 2010ern spielt und die Handlung dementsprechend angepasst wurde. Neue Figuren sind hinzugekommen und andere wurden stark verändert. Aus Dr. Alan Bloom, einem ziemlich unwichtigen Nebencharakter, wurde beispielsweise Dr. Alana Bloom (Caroline Dhavernas), die nun eine wichtige Hauptrolle spielt. Ebenso wurde der Klatschreporter Freddie Lounds einer Geschlechtsumwandlung unterzogen (in der Serie dargestellt von Lara Jean Chorostecki) und mutierte vom Journalisten einer Boulevardzeitung zur Bloggerin, die eine True-Crime-Website betreibt.
Ich bin auf jeden Fall gespannt, in welcher Form der Inhalt der Bücher letztendlich in die Serie einfließt.

Die Umsetzung
Schon die drei Hannibal-Lecter-Filme mit Anthony Hopkins sind stilistisch und atmosphärisch sehr unterschiedlich. Wenn wir „Manhunter“, die erste Verfilmung von „Roter Drache“ aus dem Jahr 1986 noch miteinbeziehen, haben wir eine ziemlich große Bandbreite verschiedener Stile. Michael Manns „Manhunter“ ist sehr eindeutig ein Film der 80er, er wird dominiert von pseudofuturistischer Architektur, kahlen weißen Wänden, ausgedehnten Stränden und einer sehr interessanten Farbgebung.
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Alana Bloom (Caroline Dhavernas)

Jonathan Demmes „Das Schweigen der Lämmer“ dagegen wirkt geerdeter, dreckiger und hat einen eindeutig gotischen Einschlag. Für „Hannibal“ wollte Ridley Scott eine barocke Blutorgie inszenieren, und egal ob man nun der Meinung ist, dass ihm dies gelungen ist, die Bilder des Films, vor allem die Aufnahmen von Florenz, sind zweifelsohne beeindruckend. „Hannibal“ fühlt sich eindeutig größer an als das eher beengte „Schweigen der Lämmer“. Mit „Roter Dracher“ unternahm Brett Ratner schließlich den Versuch, Elemente aller drei Herangehensweisen in seinen Film zu integrieren, was ihm in meinen Augen erstaunlich gut gelungen ist (von der Hannibal-Lecter-Filmen ist „Roter Drache“ ohnehin mein Favorit, was auch daran liegt, dass Francis Dolarhyde von Ralph Fiennes gespielt wird). Der Anfang des Films erinnert ein wenig an „Hannibal“, während Ratner im restlichen Film versucht, die gotisch-dreckige Atmosphäre von „Das Schweigen der Lämmer“ zu rekonstruieren und zu erweitern. Da er allerdings Dante Spinotti, der bereits bei „Manhunter“ als Kameramann fungierte, anheuerte, finden sich einige visuelle Anspielungen an die erste Verfilmung von „Roter Drache“.
Kommen wir nun zur Serie (die im kommenden Absatz gemeint ist, wenn ich „Hannibal“ schreibe): Gewisse Gemeinsamkeiten zu „Das Schweigen der Lämmer“ und „Roter Drache“ lassen sich nicht leugnen, auch „Hannibal“ bemüht sich um eine sehr düstere Atmosphäre mit Gothic-Elementen, geht dabei aber noch sehr viel weiter als die Filme. Laut Fuller war eine der Grundideen der Serie die Frage, was jemand wie David Lynch wohl mit Hannibal Lecter angestellt hätte. Dementsprechend strotz die Serie nur so vor surrealen, alptraumhaften Visionen. Während die Filme die Wahnsinnigen und die Auswirkungen ihres Wahnsinns zeigten, bemüht sich „Hannibal“, den Wahnsinn selbst darzustellen. Wir sehen nicht, was die Serienkiller tun, wir sehen durch ihre Augen, während sie es tun, wir erfahren genau, wie sie die Welt wahrnehmen, was „Hannibal“ sowohl inhaltlich als auch optisch enorm aufwertet und einen großen Teil der Faszination der Serie ausmacht. Obwohl die Morde an sich schon alles andere als harmlos sind, entfaltet sich der volle Schrecken erst durch diese zusätzliche, wohl durchdachte und grandios gestaltete psychologisch-visuelle Ebene.
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Freddie Lounds (Lara Jean Chorostecki)

Der Rest kommt von den meisterhaft gezeichneten Charakteren und den beeindruckenden Darstellern. Den beiden Hauptakteuren der Serie werde ich mich separat widmen, da es über sie viel zu schreiben gibt. Generell macht aber jeder der Schauspieler seine Sache ausgezeichnet. Laurence Fishburns Jack Crawford ist im Grunde die Rolle, die er ständig spielt, aber Fishburn eignet sich einfach wirklich gut für diese Art von Figur. Ebenso weiß Caroline Dhavernas als Alana Bloom zu überzeugen, und auch die Nebenrollen sind durchweg gelungen besetzt. Lediglich die von Lara Jean Chorostecki dargestellte Freddie Lounds bleibt ziemlich blass, wofür die Schauspielerin allerdings nichts kann.
Ebenfalls sehr gelungen sind die zahlreichen Anspielungen an Thomas Harris‘ Romane und die bisherigen Filme in Form von Zitaten, Kameraeinstellungen, neuen Figuren (Stichwort Dr. Abel Gideon; Eddie Izzards Darstellung erinnert stark an Anthony Hopkins‘ Hannibal Lecter; im Grunde ist die Figur eine wandelnde Anspielung) und Sets – hier wird nichts dem Zufall überlassen. „Hannibal“ spielt hier gekonnt mit den Erwartungen des Publikums, das letztendlich weiß, wie das Ganze enden muss – und dreht sie dann im Finale der ersten Staffel gekonnt um.

Will Graham
will graham
Die Serie mag zwar „Hannibal“ heißen, aber der eigentliche positive Protagonist ist Will Graham. Hugh Dancy ist bereits der dritte, der diese Rolle spielt, und auch hier gilt: In „Manhunter“ und „Roter Drache“ war die Figur, trotz gewisser Gemeinsamkeiten, sehr unterschiedlich konzipiert. Das Besondere an Will Graham ist, dass er sich in den Verstand von Serienmördern hineinversetzen kann. Diese Grundprämisse wird von den beiden Filmen und der Serie allerdings sehr unterschiedlich umgesetzt.
„Roter Drache“ ist hier am konservativsten, Edward Nortons Will Graham hat zwar die spezielle Gabe, die die Figur ausmacht und ist durchaus auch traumatisiert, aber davon abgesehen wirkt er wie ein ziemlich ausgeglichener und normaler Genosse. William Petersons Version der Figur scheint da schon weit weniger ausgeglichen, sein Graham leidet stärker unter seiner Gabe und ist dadurch getriebener, man bekommt den Eindruck, dass mit ihm nicht alles in Ordnung ist. Im Vergleich zu Hugh Dancys Darstellung ist allerdings auch Petersons Graham noch recht normal. Serien-Will weist eindeutig autistische Züge auf und hat sichtlich mit seinen Fähigkeiten und seiner ungewöhnlichen Wahrnehmung zu kämpfen. Über den Verlauf der ersten Staffel hat er (auch dank Hannibal Lecters Einmischung) immer mehr Probleme, zwischen Realität und Alptraum zu unterscheiden. Hugh Dancy stellt alle Aspekte seiner Figur hervorragend dar und ist in meinen Augen der beste, weil interessanteste Will Graham.

Hannibal Lecter
hannibal lecter
Hannibal Lecter gehört fraglos zu den ikonischsten Schurken der Filmgeschichte. Auch hier lassen sich drei sehr verschiedene Darstellungen miteinander vergleichen. Brian Cox hatte in „Manhunter“ freilich nicht allzu viel Gelegenheit, seinen Hannibal Lecktor (man achte auf die falsche Schreibweise) zur vollen Entfaltung zu bringen, da er nur drei Szenen hat (es wird nicht einmal erwähnt, dass er Kannibale ist): Das Gespräch mit Will Graham, das anschließende Herausfinden von Grahams Privatadresse und schließlich noch ein kurzes Telefonat mit Graham zum Schluss des Films. Cox‘ Version der Figur ist vor allem eine schnellsprechende Nervensäge, der es trotzdem gelingt, auf diese Weise in den Kopf seines Gegenübers einzudringen.
Anthony Hopkins ist natürlich der Schauspieler, der primär mit Hannibal Lecter in Verbindung gebracht wird, und seine Herangehensweise an die Figur unterscheidet sich stark von Cox‘ Performance. Für diese Version des Charakters ist seine Zelle quasi eine Bühne, er genießt die Konversation mit den ihm geistig unterlegenen in vollen Zügen – und er genießt es, sie wissen zu lassen, dass er mehr auf dem Kasten hat als sie. Hopkins‘ Hannibal Lecter ist äußerst theatralisch und reizt die gegensätzlichen Seiten seiner Figur voll aus, sei es der Kulturmensch oder das gnadenlose Monster. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass Hopkins-Hannibal sich nur selten verstellen muss, vor allem in „Roter Drache“ und „Das Schweigen der Lämmer“ weiß jeder, mit dem er spricht, dass er ein Massenmörder und Kannibale ist; warum als sich verstellen, statt mit den Leuten zu spielen und sie zu irritieren?
Dieser Aspekt spielt auch bei Mads Mikkelsens Darstellung des Doktors eine wichtige Rolle, da Lecter in „Hannibal“ an einem anderen Punkt in seinem Leben steht: Er ist gezwungen, sich zu verstellen und muss den Anschein erwecken, dem FBI und Will Graham zu helfen, während er sie manipuliert und mit ihnen spielt. Mikkelsens Hannibal ist weitaus subtiler und zurückhaltender als Hopkins‘, weniger offen monströs und auch weniger offen überlegen. Mikkelsen wirkt in der Rolle kühler und beherrschter, wobei ich sehr gespannt darauf bin, wie die Figur sich wohl entwickelt, wenn sie sich in einer ähnlichen Situation befindet wie Hopkins-Lecter.
Letztendlich finde ich alle drei Versionen der Figur äußerst gelungen, alle drei Schauspieler liefern tadellose Arbeit ab. Cox schafft es trotz seiner kurzen Auftritte, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, Hopkins hat die Figur unsterblich gemacht und Mikkelsen schafft es vorzüglich, den Zuschauer einzunehmen. Besonders gelungen ist in meinen Augen, dass es ihm gelingt, den Zuschauer mitunter vergessen zu lassen, dass er hier Hannibal Lecter zusieht, sodass sogar des Öfteren Sympathie entsteht – das liest man zumindest ziemlich häufig. Da ich ohnehin fast immer für die Bösen bin, ist das für mich völlig normal.

Die Musik
Wenn ich die größte Schwäche der Serie nennen müsste, wäre das in meinen Augen wohl die Musik, auch wenn das stark mit meinem persönlichen Geschmack zusammenhängt. Komponist der Serie ist Brian Reitzell, der sich für eine sehr minimalistische Herangehensweise entschieden hat – nur leider mag ich minimalistische Ambience-Scores überhaupt nicht. An manchen Stellen erinnert die Musik ein wenig an den Soundtrack von „Verblendung“, auch wenn Reitzell immer noch ein weitaus besseres dramatisches Gespür hat als das Duo Reznor/Ross.
Unterziehen wir noch kurz die anderen Adaptionen der Harris-Romane einer kurzen, musikalischen Betrachtung. Alle vier Filme haben stilistisch sehr unterschiedliche Soundtracks. Die Musik von „Manhunter“, komponiert von Michel Rubini und The Reds, klingt sehr nach den 80ern und wirkt leider hoffnungslos veraltet. Für „Das Schweigen der Lämmer“ komponierte Howard Shore einen sehr zurückhaltenden, aber nichts desto trotz gut funktionierenden Suspense-Score, der als vom Film getrenntes Hörerlebnis allerdings eher dröge ist. Sowohl Hans Zimmers „Hannibal“ als auch Danny Elfmans „Roter Drache“ konkurrieren für mich um den Titel „Bester Hannibal-Lecter-Soundtrack“. Für Ridley Scotts Film komponierte Zimmer etwas, das zur grandios-barocken Atmosphäre des Films passt und sowohl die Düsternis (durch elektronische Manipulation und schrille Töne) als auch Hannibals kulturelle Seite (durch das Einflechten klassischer Stücke und Stilanleihen bei Johann Sebastian Bach) hervorragende repräsentiert. Der musikalische Höhepunkt des Franchise ist in Form der von Patrick Cassidy komponierten Arie Vide Cor Meum ebenfalls in Scotts „Hannibal“ zu finden.
Elfman schließlich komponierte einen klassischen, recht brutalen Horror-Score im Stile Bernhard Herrmans, dessen dominante Motive allerdings in erster Linie Francis Dolarhyde und nicht Hannibal Lecter repräsentieren.
Um nun wieder zu Reitzells Musik zurückzukehren: Im Grunde versucht die Serie, musikalisch eine ähnliche Dualität zu etablieren, wie Hans Zimmer es tut, nur ist der Erfolg in meinen Augen weitaus geringer. Die klassischen Stücke, die etwa eingespielt werden, wenn Hannibal gerade kocht, funktionieren gut, aber, aber zwischen diesen und Reitzells‘ Suspense-Musik gibt es so gut wie keine Verbindung. Mehr noch, besagte Suspense-Musik besteht vor allem aus repetitiven Klangfiguren und viel Sounddesign. Wie gesagt, das hängt vor allem mit meiner persönliche Vorliebe zusammen, aber ich hätte mir eine (orchestrale) Mischung der Herangehensweisen von Hans Zimmer und Danny Elfman gewünscht, vielleicht von einem Komponisten wie Roque Baños. Allerdings finde ich es toll, dass in der ohnehin schon genialen Finalszene der ersten Staffel das Vide Cor Meum erklingt.

Fazit
„Hannibal“ ist nicht nur eine gelungene Neuinterpretation des hochgebildeten Kannibalen und der anderen Charaktere von Thomas Harris, sondern auch eine eindringliche, enorm spannende und rundum gelungene Thriller/Horror-Serie, die ihresgleichen sucht. Vollste Empfehlung für alle Fans von Hannibal Lecter und all jene, die gute Serienkost schätzen und keinen schwachen Magen haben.

Media Monday 162

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Remember, remember the Media Monday.

1. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende: Eine meiner liebsten Serien ist HBOs „Rom“ und die hatte weder das eine noch das andere, sondern lief viel zu kurz.

2. Mit den Filmen der 50er und 60er als Dekade konnte ich bisher wenig anfangen, weil ich mich mit ihnen noch nicht wirklich auseinandergesetzt habe und diese Streifen eindeutig eine ausgiebigere Betrachtung benötigen.

3. Ich fände es ja toll, wenn es zu ______ neue Abenteuer und Geschichten gäbe und sei es als ______ , denn ______ .
Fällt mir gerade nichts ein, die meisten Franchises werden konsequent und in alle Richtungen erweitert.

4. Seit ich von „House of Cards“ so viel Gutes auf diversen Blogs und anderen Seiten habe lesen können, drängt es mich richtiggehend, die erste Staffel mal anzuschauen. Mehr Zeit müsste man haben.

5. Mich stört Shaky Cam um des reinen Effekts willen, denn nur wenige Regisseure wissen, mit diesem Stilmittel gescheit umzugehen (ich glaube, so langsam beschwere ich mich ein wenig zu oft darüber, aber es nervt mich einfach immer wieder.

6. Dieser unsägliche Zwang, englische Filmtitel mit dämlichen deutschen Untertiteln zu versehen, fand bei „Big Hero Six“ seinen Höhepunkt, weil der deutsche Titel „Big Six – Riesiges Robowabohu“ lautet – dagegen sind „Rapunzel – Neu verföhnt“ und „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ noch angenehm.

7. Zuletzt gelesen habe ich „Silver Surfer: Parabel“ und das war interessant, weil mit Stan Lee und Moebius zwei der größten Comicschaffenden ihre Talente vereint haben.