Pauschale Einschränkungen

Ich bin absolut kein Freund von Pauschalisierungen. Natürlich sind sie manchmal nicht zu umgehen, da die Welt einfach viel zu komplex für uns ist, der Mensch kann ohne Pauschalisierungen nicht. Allerdings denke ich, dass es sich viele Menschen in vielen Fällen viel zu einfach machen. Besonders im kreativen Bereich stören mich Pauschalisierungen besonders, speziell wenn sie in Form von Studio- oder Verlagsmandaten kommen und Autoren, Regisseuren und sonstigen Kreativschaffenden bestimmte Dinge verbieten. Natürlich gibt es gewisse Thematiken, wo das durchaus verständlich ist, und die man nicht einfach leichtfertig verwursten sollte. Holocaust, Kindesmissbrauch und ähnliche delikate Elemente sollte man meiner Meinung nach entweder fundiert und durchdacht oder gar nicht behandeln. Aber Derartiges ist in der Tat eher selten betroffen. Meistens handelt es sich um Triviales, das entweder aus Marketinggründen oder übertriebener Political Correctness verboten wurde. Manchmal auch nur aus einer komischen Laune heraus.
Ein relativ absurdes Beispiel ist der bekannte Produzent Jerry Bruckheimer, der in den Soundtracks seiner Filme keine Holzblasinstrumente möchte, weil er diese für Weicheiinstrumente hält. Das bedeutet im Gegenzug natürlich nicht, dass in jedem Soundtrack unbedingt Holzbläser auftauchen müssen, aber wäre es nicht besser, einfach dem Komponisten die Entscheidung zu überlassen, ob und in welchem Ausmaß eine Filmmusik Holzbläser braucht? Ganz nebenbei hat das weitere negativen Auswirkungen, da die meisten Bruckheimer-Filme nun einmal von Hans Zimmer vertont werden. Und da viele Studios wollen, dass ihre Komponisten die erfolgreichen Zimmer-Soundtracks nachahmen, hat das oft auch zur Folge, dass unter den Action-Filmen immer weniger Holzbläser eingesetzt werden, was schade ist, da dem Orchester so eine zusätzliche Nuance verloren geht. Hans Zimmer selbst hat ja in „The Amazing Spider-Man 2“ bewiesen, dass man mit Holzbläsern ziemlich interessante Sachen machen kann. Zugegeben fällt so etwas Nicht-Filmmusikfans eher selten auf, aber ich habe auch noch zwei weitere Beispiele, über die ich mich regelmäßig aufrege und die eventuell auch für nicht-Soundtrack-Fans gut nachvollziehbar sind.
Verheiratete Superhelden sind das erste. Als DC sein Superheldenuniversum (ziemlich schlampig) neu aufgezogen hat, wurden nicht nur fast alle Superheldenehen aufgelöst (ich glaube, Animal Man war die einzige Ausnahme, möglicherweise auch noch Aquaman), Dan DiDio, einer der Chefherausgeber und Hauptverantwortlichen des Verlags, hat angeordnet, dass die Helden des Verlags ledig bleiben müssen. Offenbar ist DiDio der Meinung, verheiratete Superhelden würden Käufer abschrecken. Damit legt er gleichzeitig seinen Autoren kreative Fesseln an. Wenn es sich aus der Entwicklung der Figur ergibt, warum sollte sie dann nicht heiraten? Ich finde es einfach dämlich, so etwas pauschal zu diktieren, so etwas sollte von Figur zu Figur entschieden werden. Ähnliche Tendenzen gibt es auch bei Marvel, obwohl es da meines Wissens keinen Pauschalerlass gab. Stattdessen hat Joe Quesada dafür gesorgt, dass der Dämon Mephisto Spider-Mans Ehe rückwirkend auflöst. Und ja, das klingt so dämlich, wie es ist.
Momentan ist es ebenfalls modern, fiktiven Figuren das Rauchen zu verbieten. Nur damit das deutlich wird: Ich mag Rauchen nicht, ich finde den Geruch von Zigarettenrauch extrem widerlich und kann absolut nicht nachvollziehen, wie man das auch noch freiwillig inhalieren kann. In meiner Kindheit und Teenagerzeit war ich da sogar ziemlich extrem eingestellt, inzwischen habe ich mich gemäßigt, die Abneigung ist aber immer noch da. Und trotz dieser Einstellung finde ich es äußerst bescheuert, wenn fiktiven Charakteren pauschal das Rauchen verboten wird, wie es zum Beispiel Disney oder der Sender NBC tun. Letzterer war im Grunde der Auslöser für diesen Artikel. Auf NBC läuft demnächst eine Serien-Adaption der Hellblazer-Comics, in deren Zentrum der zynische Magier und Dämonenjäger John Constantine steht. Und John Constantine raucht nicht einfach nur, es ist eine geradezu essentielle Eigenschaft seines Charakters. In NBC-Serien darf allerdings nicht geraucht werden, ergo darf auch Constantine in seiner eigenen Serie nicht rauchen – wobei noch nicht ganz eindeutig ist, ob sich das nur auf das On-Screen-Rauchen bezieht oder ob die Figur zum Nichtraucher werden muss. Gewalt, schwarze Magie und Dämonen sind in Ordnung, aber beim Rauchen wird’s kritisch…
Wie auch immer, jedenfalls ist das für mich ein weiterer, völlig unnötiger Eingriff in die Arbeit von Serien- und Filmautoren. So ungern ich den Qualm auch rieche, das Rauchen ist nun einmal Teil der Gesellschaft und in manchen Milieus (und Genres) einfach sehr weit verbreitet. Gerade in Superhelden- anderen fantastischen Geschichten ist es in meinen Augen wichtig, ein gewisses Gegengewicht zu den übernatürlichen und fantastischen Elementen zu haben, eine gewisse Bodenständigkeit bzw. einen gewissen Realismus. Und eine Welt, in der nicht geraucht wird, ist schlicht unrealistisch. Und dann gibt es auch noch Vereine, die gezielt an so etwas herummeckern. So wurde etwa James Camerons „Avatar“ dafür kritisiert, dass Sigourney Weavers Figur Grace im Film raucht. Es gibt wirklich einiges, was man an „Avatar“ aussetzen kann, aber das gehört sicher nicht dazu, im Gegenteil, es hilft, die Figur zu charakterisieren.
In meinen Augen ist das letztendlich eine völlig fehlgeleitete moralische Übertreibung, die eher schadet denn nützt, und das nicht nur aus den oben genannten Gründen. Meistens funktioniert eine realistische Herangehensweise doch besser als einfaches Wegignorieren.
Liebe Studiobosse und Herausgeber, setzt euren kreativen Köpfen doch bitte keine derartigen Pauschalverbote vor die Nase, in den meisten Fällen werden Geschichten ohne diese trivialen und unnötigen Einschränkungen besser, da diese meistens der Logik und der glaubhaften Entwicklung massiv im Weg stehen.