Enthält Spoiler!
Story: Peter Parker alias Spider-Man (Andrew Garfield) hadert mit sich selbst: Einerseits kann er ohne seine Freundin Gwen Stacey (Emma Stone) nicht sein, andererseits hat er aber ihrem Vater vor dessen Tod versprochen, sie aus Gefahr herauszuhalten. Und um alles noch schwieriger zu machen, tritt Peters alter Kindheitsfreund Harry Osborn (Dane DeHaan) auf den Plan, der Spider-Mans Blut braucht, um von einer tödlichen Krankheit, die seinen Vater Norman (Chris Cooper) dahingerafft hat, geheilt zu werden. Währenddessen entsteht eine neue Bedrohung: Durch einen Unfall wird der Oscorp-Mitarbeiter Max Dillon (Jamie Foxx) zum blitzeschleudernden Electro…
Kritik: Obwohl „The Amazing Spider-Man“ keinesfalls frei von Schwächen war, gefiel er mir doch ziemlich gut; der Film war, trotz eines eher schwachen, bzw. nicht gut ausgestalteten Widersachers, ziemlich rund. Insgesamt gefällt mir Marc Webbs Herangehensweise, die Atmosphäre die er kreiert und die Art, wie er den Netzschwinger umsetzt, besser als Sam Raimis Adaption der Figur. „The Amazing Spider-Man 2“ dagegen ist eine höchst eigentümliche Kreatur. Das Sequel geht einerseits zu weit und doch nicht weit genug, es passiert zu viel und gleichzeitig zu wenig.
Ich denke, dies sind die ersten negativen Auswirkungen des Erfolgs von „The Avengers“, und interessanterweise findet man sie nicht im Marvel Cinematic Universe, sondern im „Schwesterfranchise“. Der Erfolg der Marvel-Studios führt nun den anderen Rechteinhabern vor Augen, wie man den Superheldenfilm auf ein neues Level heben und damit noch viel mehr verdienen kann. Grundsätzlich befürworte ich diesen Ansatz sogar, weil Superheldengeschichten nun einmal dafür prädestiniert sind, große, epische Geschichten zu erzählen, die sich in mehreren Episoden erst so richtig entfalten. Der Fehler liegt bei der Herangehensweise: Studios sind ungeduldig. Das Marvel Cinematic Universe entstand in einem Zeitraum von fünf Jahren, bis sich der Megaerfolg einstellte. Die anderen Studios, die mit den ihnen zur Verfügung stehenden Lizenzen ähnliches erreichen könnten – in diesem Fall Sony (Spider-Man), Fox (X-Men und Fantastic Four) und Warner (DC) wollen aber nicht so lange warten und auch nicht so viel Mühe investieren, weshalb sie versuchen, eine Abkürzung zu nehmen. Oder, um es kurz und knapp auszudrücken: Für „The Amazing Spider-Man 2“ wurden die Fehltritte von „Iron Man 2“ und „Spider-Man 3“ auf eindrucksvolle Weise miteinander kombiniert.
Ich kann das natürlich nicht beweisen, aber ich habe so den Verdacht, dass Marc Webb nicht wirklich verantwortlich für viele der Entscheidungen ist, die letztendlich dafür sorgen, dass „The Amazing Spider-Man 2“ so fürchterlich unausgegoren ist – das riecht stark nach Studioeinmischung. Dafür würde auch die Beteiligung von fünf Drehbuchautoren sprechen. Es ist nämlich nicht so, dass die Stärken von Webbs erstem Spider-Man-Film völlig verloren gegangen wären: Die Darsteller sind durch die Bank gut bis sehr gut, und die Action ist zwar nicht spektakulär, aber überzeugend und die Chemie zwischen Andrew Garfield und Emma Stone stimmt nach wie vor, die Beziehung von Peter und Gwen wirkt authentisch – gerade bei der Inszenierung von Beziehungen liegen Webbs Stärken.
Studio und Drehbuch arbeiten allerding auf ein ganz bestimmtes Ziel zu, und diesem Ziel werden die anderen Aspekte des Films geopfert: Sony möchte die Sinister Six, quasi Spider-Mans ganz persönliche Anti-Avengers, versammeln. Drei, Electro, Rhino und der Grüne Kobold, kommen bereits in Person vor, während man gegen Ende des Films die Ausrüstung von zwei weiteren Mitgliedern, Dr. Octopus und des Geiers, kurz sieht. Über die Aufbauarbeit vergisst der Film allerdings, seine Schurken auch interessant zu machen. Abermals: Das liegt nicht an den Schauspielern, sowohl Jamie Foxx als auch Dan DeHaan spielen gut, aber sie können nur mit dem arbeiten, was man ihnen vorsetzt. Die Filmversion von Electro bemüht sich nach Aldrich Killian ein weiteres Mal des Syndrome-Konzepts, dem ich nicht allzu viel abgewinnen kann, und darüber hinaus bleibt die Figur ziemlich blass und klischeehaft. Harry Osborn ist praktisch ein wandelnder Retcon, im Vorfeld des Films entschied man, dass er nötig sein würde, wollte aber eine Beziehung zwischen ihm und Peter nicht neu aufbauen, weshalb er ein alter Freund ist, der nach Abwesenheit zurückkehrt (im ersten Film kam er selbstverständlich nicht vor). Anstatt die Entwicklung des Verhältnisses zwischen Peter und Harry zu zeigen informiert der Film den Zuschauer einfach ziemlich plump.
Was noch erschwerend hinzukommt ist, dass der Plot des Films nicht nur ziemlich zerfasert und unzusammenhängend ist, sondern viel zu stark auf die Raimi-Filme basiert. Schon in „The Amazing Spider-Man“ war es ein Problem, dass der Film zum Großteil bereits Bekanntes einfach neu erzählt hat. Ein Stück weit lässt sich das bei einem Reboot natürlich nicht vermeiden, und darüber hinaus gefällt mir die Webb-Version der Geschichte besser als die Raimi-Version – das ändert aber nichts an der Tatsache, dass beide Versionen zu ähnlich sind. Für „The Amazing Spider-Man 2“ hatte ich die Hoffnung, man würde sich nun weiter von Raimis Spider-Man-Trilogie entfernen, aber die Grundplots der beiden zweiten Teile gleichen sich verblüffend: In beiden wird ein Oscorp-Angestellter durch einen Unfall zum Schurken, und in beiden wird besagter Schurke dann von Harry Osborn angeheuert, da dieser ein Hühnchen mit Spider-Man zu rupfen hat. Am Ende wird Harry dann zum nächsten (im Fall von „The Amazing Spider-Man 2“ zum ersten) Kobold.
Diese Handlung hat in „The Amazing Spider-Man 2“ allerdings nicht genug Substanz, weil man gleichzeitig versucht hat, zu viel in den Film hinein zu quetschen. Das betrifft vor allem Gwen Staceys Tod und das Aufgeben der Spider-Man-Identität (ein weiteres Element, das sich auch in „Spider-Man 2“ fand). Letzteres wird viel zu schnell abgehakt, als dass es irgendeinen Eindruck machen würde, während bei Ersterem die eigentliche Wirkung völlig verfehlt wurde. Mich stört nicht, dass sie stirbt oder dass Harry und nicht Norman dafür verantwortlich ist, mich stört, dass es jetzt schon geschieht. Der Tod von Gwen Stacey ist in den Comics der Höhepunkt der Feindschaft zwischen Spider-Man und dem Grünen Kobold, ähnlich wie es die Verkrüppelung von Barbara Gordon und der Mord an Jason Todd bei Batman und dem Joker ist. Auf diese Art funktioniert dieses einschneidende Erlebnis am besten, während es hier verschenkt wirkt und an „X-Men: First Class“ erinnert, wo man ebenfalls versuchte, noch schnell alles unterzubringen.
Fazit: „The Amazing Spider-Man 2“ konzentriert sich zu sehr darauf, die Sinister Six aufzubauen und zu wenig damit, eine kohärente Geschichte zu erzählen und interessante Schurken einzuführen. Ein weiteres Mal zeigt sich, dass Studioeinwirkungen und zu viele Drehbuchautoren schädlich sind.
Siehe auch:
The Amazing Spider-Man