Die Listen des Loki

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Im Marvel Cinematic Universe entschied man sich für eine eindeutige Interpretation der Asen: Dort sind die nordischen Götter keine Götter im eigentlichen Sinn, sondern langlebige, hochentwickelte und sehr menschenähnliche Aliens, für die Technologie und Magie dasselbe ist. In den Comics ist es dagegen nicht so eindeutig, bzw. die Darstellung von Thor und seinem Umfeld wechselt von Autor zu Autor und von Zeichner zu Zeichner. Gerade in den 90ern, als Dan Jurgens schrieb und John Romita jr. zeichnete, gingen die Thor-Comics eher in die Sci-Fi-Richtung, charakteristisch waren etwa klobige, abstrakte Designs, die mit den nordischen Göttern, wie man sie sich normalerweise vorstellt, eher weniger zu tun hatten. Das Ganze erinnerte eher an die New Gods als an die Asen. Die vierteilige Miniserie „Die Listen des Loki“ (Originaltitel: „The Trials of Loki“), verfasst von Roberto Aguirre-Sacasa und gezeichnet von Sebastián Fiumara, ist vom Thor der 90er Jahre und von der MCU-Interpretation dagegen ziemlich weit entfernt. In der Tat handelt es sich dabei eher um eine Comicadaption klassischer Geschichten der nordischen Mythologie als um eine „echte“ Superheldengeschichte. Hätte das Kreativteam nicht die vertrauten Marvel-Designs der Asen verwendet, das Ganze hätte auch völlig unabhängig erscheinen können. In der Tat gibt es viele inhaltliche Überschneidungen und Parallelen zu „Odin“ von Nicolas Jarry und Erwan Seure-Le Bihan, einer von Marvel unabhängigen Comicadaption der nordischen Mythologie.
„Die Listen des Loki“ erzählt, wie Loki von einem der Asen zu ihrem Feind wurde – oder zumindest eine Version dieser Geschichte. Interessanterweise spielt die Tatsache, dass Loki eigentlich kein Ase, sondern ein Jotune (ein Eisriese) ist, hier keine Rolle. Dennoch gibt es eine große Gemeinsamkeit zu den Thor-Filmen: Der Gott von List und Trug wird auch hier als eher missverstanden denn wirklich böse dargestellt, er ist eine Figur, mit der man als Leser durchaus sympathisieren kann. Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass das Ganze bewusst aus Lokis Sicht geschildert ist. In der Rahmenhandlung ist Loki bereits auf der Flucht und wird schließlich von Thor gefunden, dem er seine Sicht der Ereignisse darlegt. Aguirre-Sacasa spielt dabei auch auf die verschiedenen Versionen und die teils widersprüchlichen Geschichten an; Thor kann sich nicht erinnern, ob Loki die Wahrheit sagt.
In Lokis Erzählung ist Thor in jedem Fall äußerst unsympathisch, während Loki selbst beschämt und übergangen wird. Dagegen wehrt er sich mit immer extremer werdenden Streichen, die schließlich zu ausgewachsenen Bosheiten werden und im Tod von Odins Sohn Balder enden.
Der Comic zeichnet ein äußerst gelungenes, vielschichtiges Bild seines Protagonisten. Sehr schön ist zum Beispiel die Einführung Mjölnirs gelungen. In diesem Hammer mit dem zu kurzen Stil glaubt Loki sein Ebenbild gefunden zu haben und hätte ihn deshalb gerne für sich, doch Odin spricht den Hammer Thor zu.
Ein weiterer großer Pluspunkt sind Sebastián Fiumaras sehr feine und detaillierte Zeichnungen, die vom normalen Superheldenstandard recht weit entfernt sind und eine dichte, mythische Atmosphäre erschaffen. Wie bereits erwähnt orientiert sich Fiumara zwar am Marvel-Design der Figuren (Loki etwa trägt immer noch grüne und goldenen Kleidung und seine Hörner), geht mit ihm aber stärker in die Wikingerrichtung und weg von den Superhelden/Sci-Fi-Elementen. Lediglich seine Interpretation von Asgard gefällt mir nicht wirklich, da es für meinen Geschmack zu sehr nach einer gewöhnlichen Burg des europäischen Mittelalters aussieht. Da es aber lediglich eine Außenansicht gibt, fällt dies kaum ins Gewicht.
Fazit: Einer meiner liebsten Thor-Comics, der gekonnt Lokis Weg vom Gott des Schabernacks zum Feind der Asen erzählt.

Siehe auch:
Thor
Thor: The Dark World

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