Ich hatte mir schon länger vorgenommen, einige Artikel zu verfassen, die stärker von meinem gewöhnlichen Rezensionsschema weggehen und stärker Einzelaspekte von Filmen, Romanen oder Comics analysieren und bewerten aber, nun ja, Zeit müsste man haben…
Hiermit starte ich diese neue „Artikelgenre“ und nehme etwas zwar nicht brandaktuelles, aber doch aus diesem Jahr zum Thema: Die Mandarin-Kontroverse aus „Iron Man 3“. Ich muss wohl nicht zusätzlich erwähnen, dass dieser Artikel Spoiler enthält. Da „Iron Man 3“ inzwischen allerdings auf DVD und BD erhältlich ist und jeder, der ihn sehen will, das bereits problemlos getan haben kann, nehme ich da auch keine Rücksicht mehr. In meiner Filmkritik konnte bzw. wollte ich zu diesem Thema noch nichts Genaues sagen, da diese spoilerfrei war; dort steht lediglich, dass mir der Twist bezüglich des Mandarin nicht gefällt, ich bin aber nicht auf Details eingegangen.
Im Voraus muss ich dazu sagen, dass ich nicht sehr viele Iron-Man-Comics besitze, und in keinem der wenigen, die ich mein Eigen nenne, taucht der Mandarin auf, weshalb ich an die ganze Sache eher unvoreingenommen herangegangen bin. Ich kannte die Prämisse des Schurken (Fu-Man-Chu-ähnlicher Terrorist mit zehn magischen Ringen), das war’s aber auch schon.
Der klassische Comic-Mandarin á la Fu Man Chu
Nach allem, was ich wusste, war relativ klar, dass man den Mandarin für „Iron Man 3“ ein wenig dezenter gestalten würde. Zwar bemühen sich die Filme des MCU nicht so sehr um eine pseudorealistische Atmosphäre wie die Nolan-Batman-Filme und gehen mit der Comicherkunft recht offen um, aber es gibt einfach Dinge, die man in Comics machen kann, in Filmen allerdings nicht. Die klassische Darstellung des Mandarins gehört für mich zu dieser Kategorie. Dennoch hat unter Comic-Fans die Entscheidung, den Mandarin, so wie er im Trailer angekündigt wurde, lediglich als Fassade für den eigentlichen Schurken zu verwenden, für einen regelrechten Aufschrei gesorgt. Und ich kann das schon nachvollziehen: Wenn ein geliebter Schurke so grundlegend anders dargestellt wird, kann das schon die Laune verderben. Um noch einmal zu rekapitulieren: Der Mandarin (Ben Kingsley), der scheinbar die USA in seinen Terrorbotschaften bedroht, ist in Wahrheit ein britischer Schauspieler namens Trevor Slattery, und die ganze Mandarin-Geschichte ist ein Deckmantel, damit der wahre Schurke des Films, Aldrich Killian (Guy Pearce) ungestört seinen Machenschaften nachgehen kann.
Aldrich Killian (Guy Pearce)
Als Reaktion auf die Fan-Aufschreie kamen viele Artikel von Befürwortern und MCU-Fans, die erklärten, dass eben Aldrich Killian der wahre Mandarin sei – was die Figur im Finale von „Iron Man 3“ auch selbst sagt – und weshalb die ganze Konstruktion gerechtfertigt ist. Nebenbei: Killian kommt auch in den Comics vor und spielt eine kleine Rolle zu Beginn der Iron-Man-Geschichte „Extremis“ (geschrieben von Warren Ellis). Wie im Film ist er der Schöpfer besagter Waffe, ansonsten hat die Comicfigur mit dem Film-Pendant allerdings kaum etwas zu tun. Comic-Killian begehrt auf den ersten paar Seiten des Comics Selbstmord und hat mit dem Mandarin nichts zu tun.
Aldrich Killian in „Extremis“, gezeichnet von Adi Granov
Mein Problem mit dieser Wendung liegt auch nicht beim Comic-Mandarin oder der Vorlagentreue – da ich den Comic-Mandarin kaum kenne, wäre das auch merkwürdig. Was mich an der ganzen Sache stört ist eigentlich ziemlich simpel: Ich finde Aldrich Killian als Schurken ziemlich langweilig, was mehrere Gründe hat. Zum einen wäre da die Konzeption der Figur: Killian ist praktisch Syndrome aus Pixars „Die Unglaublichen“. Wie Syndrome wurde auch Killian von seinem großen Idol, der zufällig der Filmprotagonist ist, verschmäht, und suchte dann einen äußerst elaborierten Weg, um sich zu rächen. Zugegebenermaßen hat Tony Stark es wahrscheinlich eher verdient als Mr. Incredible, aber dennoch kommen sowohl Syndrome als auch Killian als ziemlich kleinliche Schurken rüber.
Killian als „wahrer Mandarin“
Außerdem gefällt mir Guy Pearce in der Rolle nicht wirklich. Der Killian-Mandarin hätte vielleicht interessanter werden können, hätte ihn ein anderer Schauspieler verkörpert. Pearce hat in meinen Augen allerdings weder die nötige Fähigkeit, noch das nötige Charisma, um seine Figur ansprechend zu gestalten. Somit haben wir, nach Obadiah Stane und Justin Hammer schon wieder einen korrupten Firmenboss. Manch einer hat argumentiert, dass das thematisch alles sehr gut innerhalb der Iron-Man-Serie passen würde, allerdings hätte ich gerne mehr Variation – oder zumindest interessanter gestaltete und gespielte Schurken (Jeff Bridges war von den dreien mit Abstand am besten und unterhaltsamsten). Der schwache Schurke ist allerdings etwas, das die meisten MCU-Filme plagt – mit Ausnahme von „Thor“ und „The Avengers“.
Maya Hansen (Rebecca Hall)
Vielleicht hätte mir das Ganze besser gefallen, wenn nicht Aldrich Killian, sondern Maya Hansen (Rebecca Hall) der wahre Mandarin gewesen wäre. Das wäre einerseits unerwarteter gewesen (mal ehrlich, der Twist des Films war nicht schwer zu erraten) und hätte andererseits dafür gesorgt, dass es endlich einen anständigen weiblichen Schurken im MCU gegeben hätte, die gibt es in Filmen ohnehin viel zu selten. Vielleicht hat „Guardians of the Galaxy“ ja diesbezüglich etwas anzubieten (da ich die Comicvorlage nicht kenne, habe ich keine Ahnung, was im Sommer nächsten Jahres auf mich zukommt). Man wird sehen. Vielleicht taucht in „Thor 3“ ja die Enchantress auf, oder der Winter Soldier im zweiten Captain-America-Film wird ein interessanter Schurke, das Potential wäre vorhanden…
Siehe auch:
Iron Man
Iron Man 2
Iron Man 3