Tolkien & Shore: Great Minds Think Alike

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Professor Tolkien war ein gnadenloser Perfektionist, was sich im „Herrn der Ringe“ immer und immer wieder zeigt. Oftmals bemerkt man es beim Lesen gar nicht, mit wie viel Detailarbeit Mittelerde konstruiert ist – was auch der Grund ist, weshalb sich Tolkiens Werk in meinen Augen nach wie vor von allem anderen, was es im Genre Fantasy gibt, abhebt. Diese Detailversessenheit zeigt sich nicht nur in den Kunstsprachen, die Tolkien für Mittelerde kreierte, sondern auch in vielen anderen Aspekten. Seine geographischen Angaben sind beispielsweise so genau, dass Karen Wynn Fonstad einen historischen Atlas des fiktiven Kontinents erstellen konnte. Ein weiteres Beispiel findet sich in seinem Einsatz der Figurensprache: Jede Figur spricht, gemäß ihrer Art und ihres Hintergrunds, genau passend. Die anachronistischen Hobbits verwenden eine vergleichsweise moderne Diktion, während Elrond, Galadriel oder Denethor in weitaus altertümlicherem Tonfall reden. Manche Figuren, etwa Aragorn oder Gandalf, wechseln hin und her, je nach dem, von und mit wem sie gerade sprechen. Und dann sind da noch Figuren wie Smaug oder Saruman, die (mit voller Absicht) wie Politiker des 20. Jahrhunderts klingen. Wenn bei Tolkien ein bestimmtes Wort vorkommt, dann kann man sich sicher sein, dass er genau weiß, warum er es an dieser Stelle haben wollte.
Ebenso Beeindruckend ist die genaue Ausarbeitung des Kalenders und der Daten, wie sich an Denethors fortschreitendem Wahnsinn zeigt. Der Truchsess von Gondor konsultiert immer wieder den Palantír und bekommt von Sauron einige präzise ausgewählte Informationen, die ihm vorgaukeln, der Feind hätte den Ringträger in seine Gewalt bekommen. Dies lässt sich mit den Ereignissen im Handlungsstrang von Frodo und Sam perfekt synchronisieren, es ist aufgrund der Struktur der Romane lediglich ein wenig schwierig. Diese und viele weitere Beispiele für Tolkiens Genauigkeit im Detail werden in Tom Shippeys „J. R. R. Tolien: Autor des Jahrhunderts“, einem Standardwerk, das man als Tolkien-Fan gelesen haben sollte, ausführlich erläutert.
In den Verfilmungen geht diese Detailgenauigkeit leider oft verloren. Vieles kann aufgrund des Medienwechsels gar nicht adaptiert werden, weil dem Film schlicht die Mittel fehlen, es darzustellen. Im Film wäre es zum Beispiel kaum möglich, die Handlungsstränge wie in der Vorlage aufzuteilen. Anderes opfert Peter Jackson der Dramaturgie, etwa die geographischen Details: In den Filmen liegen alle Ort sehr viel näher beisammen, als es bei Tolkien der Fall war. Wo im Roman zwischen Barad-dûr und dem Schicksalsberg viele Meilen liegen, scheinen sie in den Filmen direkte Nachbarn zu sein. Auch hat Jackson hin und wieder einen Hang zur Übertreibung. Wo bei Tolkien mitunter zu wenig Sinn fürs Dramatisch ist (man denke nur an die Auslassung der Zerstörung Isengarts) ist bei Jackson oftmals zu viel, wodurch wiederum einiges an Detailreichtum verloren geht – vor allem die Darstellung Denethors ist hier exemplarisch. Ich denke, Jacksons geht es öfter um den Effekt, während Tolkien sehr auf innere Stimmigkeit versessen war.
Es gibt jedoch einen Aspekt der Filme, bei denen sich Tolkiens Detailversessenheit direkt wieder findet, und das ist die Musik. Zugegebenermaßen sind Howard Shores Kompositionen rein musikalisch nicht unbedingt die komplexesten, vor allem, wenn man sich die Begleitung ansieht. Zwar sind sie nicht so simpel und minimalistisch wie das, was man von Hans Zimmer und Co. zu hören bekommt, mit den elaborierten Kompositionen eines John Williams oder Jerry Goldsmith können sie aber nicht mithalten, was allerdings auch gar nicht nötig ist. In gewissem Sinne ähnelt Shores Musik diesbezüglich ein wenig den Figuren im „Herrn der Ringe“, die ebenfalls nicht die komplexesten sind, da Tolkien eine mythische Geschichte erzählen wollte und sich deshalb des einen oder anderen Archetypus bediente.
Stattdessen bringt Shore etwas anderes mit: Einen unvergleichlichen Sinn dafür, wie Tolkiens Geschichte mit Musik zu erzählen ist. Während für die Komposition eines Soundtracks meistens einige wenige Monate oder gar nur Wochen veranschlagt werden, nahm sich Shore für jeden der bisherigen fünf Mittelerde-Scores mindestens ein Jahr und schuf einen leitmotivischen Klangteppich, der es mit Tolkiens Detailarbeit durchaus aufnehmen kann. In der Tat fällt mir kaum ein anderer Filmkomponist ein, der die Leitmotivtechnik derart wirkungsvoll einzusetzen vermag, wie Howard Shore es in seinen Hobbit- und Herr-der-Ringe-Soundtracks tut. Genial ist zum Beispiel der Kniff, bereits frühzeitig Themen anzudeuten, die dann in späteren Filmen ihre volle Blüte entfalten, oder Personen, Orte und Ereignisse mit musikalischen Mitteln – sei es durch Begleitung, durch thematisch Verwandtschaft oder Instrumentierung – miteinander zu verknüpfen. Darüber hinaus findet Shore für jede Figur und jedes Volk genau die richtigen Töne.
Auch hier gilt: Vieles fällt dem „normalen“ Hörer gar nicht auf, und ich würde lügen, würde ich behaupten, dass ich die gesamte Komplexität von Shores Komposition selbst erfasst hätte. Dafür gibt es schließlich Doug Adams‘ „The Music of the Lord of the Rings Films“, dem hoffentlich ein „The Music of the Hobbit Films“ folgt, inklusive einer Rarities-Archive-CD, den unveröffentlichte Aufnahmen gibt es nun wahrlich genug.
Ich habe ja bereits geschrieben, dass ich wahrscheinlich keine Herr-der-Ringe-Soundtrack-Reviews schreiben werde, weil ich über die Musik einfach zu viel weiß und diese Artikel gnadenlos ausufern würden. Ich habe allerdings vor Shores Meisterschaft demnächst am Beispiel der Themen für Gondor näher zu erläutern, die in meinen Augen eines der hervorragendsten Beispiele für seine Art sind, Tolkiens Geschichte mit musikalischen Mitteln zu erzählen.

Siehe auch:
Historischer Atlas von Mittelerde
The Music of the Lord of the Rings Films
Rückforderung der Natur
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise – Soundtrack
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Soundtrack

Batman: Der Joker und Weihnachten


Die meisten Leute würden den Begriff „Weihnachten“ wohl kaum mit „mörderischer, psychopathischer Killerclown“ assoziieren, kundige Batman-Fans dagegen ziemlich sicher. Auf den ersten Blick erscheint es relativ absurd, aber es lässt sich nicht leugnen: Der Joker taucht in verdammt vielen Geschichten auf, die zur Weihnachtszeit spielen, und das nicht nur in den Comics, sondern intermedial. Lediglich in den Kinofilmen gibt es diese Kombination bisher nicht. „Batmans Rückkehr“ spielt zwar zur Weihnachtszeit, als Schurke fungiert hier allerdings der Pinguin. Immerhin könnten allerdings Oswald Cobblepots clownsgesichtige Häscher ebenso gut für den Joker arbeiten.
Die Schöpfer von Batman-Comics, -Spielen und –Zeichentrickserien sind allerdings ganz offenbar der Meinung, dass der Joker und Weihnachten wunderbar zusammenpassen. Jeph Loeb und Tim Sale beispielsweise haben den mörderischen Clown schon zwei Mal mit dem Fest der Liebe in Verbindung gebracht. In ihrer bahnbrechenden, dreizehnteiligen Miniserie „Batman: The Long Halloween“ treibt der Joker an Weihnachten sein Unwesen, stiehlt Geschenke und versucht herauszufinden, ob Harvey Dent der Holiday-Mörder ist, und zwar, indem er Dent und seiner Frau in ihrem Haus auflauert.
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Der Joker stiehlt Weihnachten in „Batman: The Long Halloween“ – Parallelen zum Grinch waren sicher beabsichtigt

Bei „Ghosts“ einem Halloweenspecial vom selben Team, das in dem Sammelband „Haunted Knight“ erhältlich ist, handelt es sich zwar nicht per se um eine Weihnachtsgeschichte, allerdings ist es, trotzt des fehlenden Drumherums, eine Adaption von Dickens‘ „A Christmas Carol“, in welcher der Joker als Geist der gegenwärtigen Weihnacht fungiert. Und apropos Dickens, es gibt noch eine weiteren Comic, der diesen Klassiker adaptiert: „Batman: Noel“, geschrieben und gezeichnet von Lee Bermejo. Diese Geschichte suhlt sich geradezu in pervertierter Weihnachtsstimmung – und macht optisch verdammt viel her.
Die Joker-an-Weihnachten-Thematik findet sich auch in „Batman: The Animated Series“ wieder, und zwar bereits in der zweiten Episode (nach Produktion, nicht Erstausstrahlung), die Mark Hamills Debüt als Joker markiert. „Christmas with the Joker“ gehört zwar eindeutig zu den leichtherzigen, eher „cartoonartigen“ Episoden, gilt aber trotzdem als Klassiker, schon allein wegen der ikonischen Ausbruchsszene zu Beginn (siehe Video). In der späteren Folge „Holiday Knights“ ist der Joker abermals mit von der Partie, kümmert sich dieses Mal allerdings um Silvester. An seiner Statt darf allerdings Harley Quinn (mit tatkräftiger Unterstützung von Poison Ivy) Batman die Vorweihnachtszeit ruinieren. Und schließlich hätten wir da noch „Arkham Origins“, das am Weihnachtsabend spielt und in dem Batman (in dieser Kontinuität) zum ersten Mal auf den Joker trifft.
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Der Joker als Geist der zukünftigen Weihnacht in „Batman: Noel“

Warum, mag man sich fragen, wird der Joker so gerne in Geschichten mit Weihnachtsthematik eingesetzt? Wenn man es genauer betrachtet, ist das Ganze sogar ziemlich logisch. Die Attraktivität des Batman/Joker-Konflikts basiert (zumindest zum Teil) auf der Umkehrung der allgemein üblichen Symbolik. Batman, der Held, nutzt die Mittel des Bösen wie Einschüchterung, und trägt schwarz, während sein Widersacher knallbunt ist und das Lächeln, das Symbol des Positiven, grausam pervertiert. Weihnachten ist ebenfalls ein positives Symbol, selbst wenn man den christlichen Kontext weglässt. Trotz des massiven Zynismus, mit dem Weihnachten gerne mal bedacht wird, gilt es immer noch als das „Fest der Liebe“ oder das „Fest der Familie“. Gemütliche Rituale, familiäres Beisammensein, Kinderfreude – all das sind Elemente, die gemeinhin mit Weihnachten assoziiert werden. Und all das sind Dinge, die der Joker mit Freude pervertiert, es ist quasi eine Weiterentwicklung der oben geschilderten umgekehrten Symbolik.
Durch seine Aktionen nimmt der Joker Weihnachten die Gemütlichkeit und Behaglichkeit und kehrt sie um. Nicht umsonst geht es in „The Long Halloween“ und „Noel“ under anderem darum, dass der Joker in den familiären Raum eindringt und Sicherheit und Idylle gezielt zerstört. In der Loeb/Sale-Geschichte trägt er dazu die typische Weihnachtsmannmütze, während er bei Bermejo von einem Kind zuerst für den Weihnachtsmann gehalten wird.


In „Christmas with the Joker“ und „Arkham Origins“ erfolgt die Perversion sogar noch weitaus deutlicher. Nicht nur macht sich der Joker die Symbole des Weihnachtsfestes zu Eigen, er okkupiert auch die Musik, eines der hervorstechendsten Merkmale. In „Christmas with the Joker“ setzte die Komponistin Shirley Walker gezielt bekannte Weihnachtsmelodien ein, am prägendsten ist jedoch der erste Auftritt des Jokers, der die Episode eröffnet: Dort singt er die Batman-Version von Jingle Bells. In „Arkham Origins“ ist das ganze ein wenig subtiler: Als musikalisches Leitmotiv für den Joker wählte Christopher Drake die Melodie des bekannten ungarischen Weihnachtsliedes Carol of the Bells, allerdings mit veränderter Begleitung, die unter anderem einen langgezogenen Einzelton enthält, der sicher nicht zufällig an Hans Zimmers Joker-Thema erinnert. Die Melodie erhält so ein bösartiges, äußerst ungemütliches und dissonantes Element.
Passen der Joker und Weihnachten zusammen? Letztendlich ist das die falsche Frage. Weihnachten passt in jedem Fall perfekt in das symbolische Beuteschema des Jokers. In diesem Sinne, fröhliche und nicht-pervertierte Weihnachten.

Die Listen des Loki

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Im Marvel Cinematic Universe entschied man sich für eine eindeutige Interpretation der Asen: Dort sind die nordischen Götter keine Götter im eigentlichen Sinn, sondern langlebige, hochentwickelte und sehr menschenähnliche Aliens, für die Technologie und Magie dasselbe ist. In den Comics ist es dagegen nicht so eindeutig, bzw. die Darstellung von Thor und seinem Umfeld wechselt von Autor zu Autor und von Zeichner zu Zeichner. Gerade in den 90ern, als Dan Jurgens schrieb und John Romita jr. zeichnete, gingen die Thor-Comics eher in die Sci-Fi-Richtung, charakteristisch waren etwa klobige, abstrakte Designs, die mit den nordischen Göttern, wie man sie sich normalerweise vorstellt, eher weniger zu tun hatten. Das Ganze erinnerte eher an die New Gods als an die Asen. Die vierteilige Miniserie „Die Listen des Loki“ (Originaltitel: „The Trials of Loki“), verfasst von Roberto Aguirre-Sacasa und gezeichnet von Sebastián Fiumara, ist vom Thor der 90er Jahre und von der MCU-Interpretation dagegen ziemlich weit entfernt. In der Tat handelt es sich dabei eher um eine Comicadaption klassischer Geschichten der nordischen Mythologie als um eine „echte“ Superheldengeschichte. Hätte das Kreativteam nicht die vertrauten Marvel-Designs der Asen verwendet, das Ganze hätte auch völlig unabhängig erscheinen können. In der Tat gibt es viele inhaltliche Überschneidungen und Parallelen zu „Odin“ von Nicolas Jarry und Erwan Seure-Le Bihan, einer von Marvel unabhängigen Comicadaption der nordischen Mythologie.
„Die Listen des Loki“ erzählt, wie Loki von einem der Asen zu ihrem Feind wurde – oder zumindest eine Version dieser Geschichte. Interessanterweise spielt die Tatsache, dass Loki eigentlich kein Ase, sondern ein Jotune (ein Eisriese) ist, hier keine Rolle. Dennoch gibt es eine große Gemeinsamkeit zu den Thor-Filmen: Der Gott von List und Trug wird auch hier als eher missverstanden denn wirklich böse dargestellt, er ist eine Figur, mit der man als Leser durchaus sympathisieren kann. Möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass das Ganze bewusst aus Lokis Sicht geschildert ist. In der Rahmenhandlung ist Loki bereits auf der Flucht und wird schließlich von Thor gefunden, dem er seine Sicht der Ereignisse darlegt. Aguirre-Sacasa spielt dabei auch auf die verschiedenen Versionen und die teils widersprüchlichen Geschichten an; Thor kann sich nicht erinnern, ob Loki die Wahrheit sagt.
In Lokis Erzählung ist Thor in jedem Fall äußerst unsympathisch, während Loki selbst beschämt und übergangen wird. Dagegen wehrt er sich mit immer extremer werdenden Streichen, die schließlich zu ausgewachsenen Bosheiten werden und im Tod von Odins Sohn Balder enden.
Der Comic zeichnet ein äußerst gelungenes, vielschichtiges Bild seines Protagonisten. Sehr schön ist zum Beispiel die Einführung Mjölnirs gelungen. In diesem Hammer mit dem zu kurzen Stil glaubt Loki sein Ebenbild gefunden zu haben und hätte ihn deshalb gerne für sich, doch Odin spricht den Hammer Thor zu.
Ein weiterer großer Pluspunkt sind Sebastián Fiumaras sehr feine und detaillierte Zeichnungen, die vom normalen Superheldenstandard recht weit entfernt sind und eine dichte, mythische Atmosphäre erschaffen. Wie bereits erwähnt orientiert sich Fiumara zwar am Marvel-Design der Figuren (Loki etwa trägt immer noch grüne und goldenen Kleidung und seine Hörner), geht mit ihm aber stärker in die Wikingerrichtung und weg von den Superhelden/Sci-Fi-Elementen. Lediglich seine Interpretation von Asgard gefällt mir nicht wirklich, da es für meinen Geschmack zu sehr nach einer gewöhnlichen Burg des europäischen Mittelalters aussieht. Da es aber lediglich eine Außenansicht gibt, fällt dies kaum ins Gewicht.
Fazit: Einer meiner liebsten Thor-Comics, der gekonnt Lokis Weg vom Gott des Schabernacks zum Feind der Asen erzählt.

Siehe auch:
Thor
Thor: The Dark World

Der Hobbit: Smaugs Einöde – Soundtrack

Enthält Spoiler
smaugost
Tracklisting:

CD 1
01. The Quest for Erebor
02. Wilderland
03. A Necromancer**
04. The House of Beorn*
05. Mirkwood*
06. Flies and Spiders*
07. The Woodland Realm*
08. Feast of Starlight
09. Barrels out of Bond
10. The Forest River*
11. Bard, a Man of Lake-town
12. The High Fells*
13. The Nature of Evil
14. Protector of the Common Folk

CD 2
01. Thrice Welcome
02. Girion, Lord of Dale*
03. Durin’s Folk*
04. In the Shadow of the Mountain
05. A Spell of Concealment*
06. On the Doorstep
07. The Courage of Hobbits
08 Inside Information
09. Kingsfoil
10. A Liar and a Thief
11. The Hunters*
12. Smaug*
13. My Armor is Iron
14. I See Fire
15. Beyond the Forest

*Auf der Deluxe-Edition erweitert
**Bonustrack der Deluxe-Edition

Die musikalische Reise durch Mittelerde geht weiter. Nachdem es beim Soundtrack zu „Eine unerwartete Reise“ einige Unstimmigkeiten gab – nicht zuletzt wegen der markanten Unterschiede zwischen der Musik im Film und der auf dem Album, sowie des merkwürdigen Einsatzes einiger Themen und der relativ offensichtlichen Wiederverwendung von HdR-Material – folgten Konsequenzen, die ihrerseits bei Shore-Fans zu Stirnrunzeln führten. Im Verlauf des Jahres wurde angekündigt, dass Howard Shore dieses Mal weder selbst orchestrieren noch dirigieren würde, was er bei allen bisherigen Mittelerde-Soundtracks getan hatte. Stattdessen wurde Conrad Pope verpflichtet. Pope ist ein Hollywood-Veteran, der diese Aufgabe schon für viele bekannte Filmmusikkomponisten übernommen hat, u.a. John Williams, Alexandre Desplat und Danny Elfman, um nur drei zu nennen.
Darüber hinaus ist „Smaugs Einöde“ die erste Mittelerde-Musik von Shore (die Moria-Sequenz in „Die Gefährten“ einmal außen vorgelassen), die nicht in den Abbey Road Studios aufgenommen und vom London Symphony Orchestra eingespielt wurde. Beide Änderungen wurden wahrscheinlich vor allem aus Zeitgründen vorgenommen, allerdings halten sich die Gerüchte, das Verhältnis zwischen Howard Shore und Peter Jackson sei nicht das Beste. Die Wahrheit wird man allerdings wohl erst erfahren, wenn alle drei Hobbit-Filme erschienen sind – wenn überhaupt. Jedenfalls hat weder die Mitarbeit Conrad Popes noch die Verwendung des New Zealand Symphony Orchestra (die Aufnahme fand in Wellington statt) eine allzu große Auswirkung auf den Klang der Musik – und auch nicht auf ihre Qualität, zumindest, soweit ich das sagen kann. An manchen Stellen, etwa in The Forest River, scheint die Orchestrierung, vielleicht dank Pope, ein wenig elaborierter. Davon unabhängig gibt es trotzdem einige starke tonale Unterschiede zu „Eine unerwartete Reise“ und auch zum Rest der Mittelerde-Musik, die allerdings nicht Pope und dem New Zealand Symphony Orchestra geschuldet sind, sondern dem Film und Shores leicht veränderter Herangehensweise. Die Musik zu „Smaugs Einöde“ ist sehr viel düsterer und weniger leicht zugänglich als der Soundtrack des ersten Hobbit-Films, der viele sehr melodische und angenehme Passagen hatte (zugegebenermaßen stammen viele der Themen ja bereits aus der HdR-Trilogie, aber sei’s drum).
Bereits in „Eine unerwartete Reise“ waren die neuen Themen (mit einer Ausnahme) subtiler, schwerer auszumachen und weniger eindeutig als in der HdR-Trilogie, und diese Tendenz verstärkt sich im zweiten Hobbit-Film. Es sind in der Tat weniger Themen als viel mehr Leitmotive im eigentlichen Sinn des Wortes. Dennoch wäre „Smaugs Einöde“ in der Tat ein wirklich grandioser Soundtrack, wären da nicht zwei kleine Details, die das Gesamtbild zwar nicht ruinieren, aber doch merklich trüben. Über das erste habe ich mich ja bereits geäußert: Der Abspannsong I See Fire stammt dieses Mal von Ed Sheeran, und in meinen Augen passt er absolut gar nicht nach Mittelerde und ist das mit Abstand schlechteste der bisher fünf Lieder. Er ist nicht nur langweilig und unpassend, er reißt mich auch völlig aus der Stimmung, die die restliche Musik erzeugt hat. Nach der Filmsichtung ist es sogar schlimmer als vorher: Da fliegt Smaug dem Cliffhanger entgegen, und dann kommt diese uninspirierte Folk-Pop-Schnulze, die eine völlig konträre Atmosphäre vermittelt.
Interessanterweise ist das allerdings das kleinere Übel. Das größere Übel: Das Misty-Mountains-Thema (bzw. das Kompanie-Thema) kommt nicht vor! Zugegebenermaßen gibt es in „Smaugs Einöde“ auch kaum Gelegenheiten für einen Einsatz. Die Zwerge stürmen nicht in die Schlacht und wandern auch nicht über Bergrücken. Und in den Action-Szenen, in die sie involviert sind, wäre es ebenfalls nicht unbedingt die passendste Wahl gewesen. Dennoch sieht es Shore überhaupt nicht ähnlich, ein im Vorgänger derart prominentes Thema einfach fallen zu lassen, und der Soundtrack-Liebhaber kommt nicht umhin, sich nach den Gründen zu fragen. Immerhin hätte man es auch in einer ruhigeren Variation einbauen können (diese gab es ja in „Eine unerwartete Reise“ ebenfalls, da das Misty-Mountains-Thema auch als Thema für das Sehnen der Zwerge nach ihrer Heimat fungierte). Es gibt nicht einmal eine Andeutung, es sei denn man rechnet Durin’s Folk mit, wo man meinen könnte, dass es bei 1:15 ansetzt, allerdings denke ich, dass es sich dabei um eine Erweiterung von Thorins Thema handelt, das zuvor zu hören ist.
Waren es in der Tat die oben genannten Gründe, die Shore dazu bewogen, das Misty-Mountains-Thema außen vorzulassen? Sah er es nur als spezifisches Thema für den ersten Hobbit-Film, so ähnlich, wie auch das von Enya komponiert Aníron (in der Aragorn/Arwen-Szene in „Die Gefährten“) oder die in Gollum‘s Song zu findende Weiterentwicklung von Gollums Thema in den folgenden Filmen keinen Nachhall hatten? Oder sind die Gründe anderswo zu suchen? Die Melodie wurde ja immerhin nicht von Shore komponiert, sondern von der Band Plan 9. Wollte Shore diese Melodie überhaupt nicht im Soundtrack von „Eine unerwartete Reise“ haben und wurde von Peter Jackson quasi gezwungen? Oder gibt es rechtliche Probleme, immerhin ist Plan 9 an „Smaugs Einöde“ meines Wissens nach nicht beteiligt? Fragen über Fragen, die einer Antwort harren.
Wenden wir uns nun aber dem eigentlichen Soundtrack zu, der unter Filmmusik-Fans viel Anklang gefunden hat, während der Rest nicht allzu begeistert war. Shores Musik zu „Smaugs Einöde“ ist höchst vielschichtig und komplex, allerdings fehlt ein „Crowd Pleaser“. Jeder der bisherigen vier Mittelerde-Filme besaß so etwas wie ein inoffizielles Hauptthema. Gefährten-, Rohan-, Gondor- und Misty Mountains-Thema waren alle sehr eingängig, in den jeweiligen Filmen ziemlich dominant und gut summbar. In „Smaugs Einöde“ gibt es nichts dergleichen. Wenn es hier ein inoffizielles Hauptthema gibt, ist es Smaugs Thema (dieses wird jedenfalls bei der Titeleinblendung gespielt, Wilderland, 1:11), doch es ist sehr viel weniger eingängig als die oben genannten, und schon gar nicht in irgendeiner Form heroisch oder angenehm (wäre auch daneben, immerhin ist es ein Schurkenthema).
Ehrlich gesagt gibt es nicht einmal so viele neue Themen, weil viele der Themen, die dominant sind, bereits in „Eine unerwartete Reise“ ihren Einstand feierten – nur dass man dort zum Teil einfach noch nicht wusste, dass es sich um Themen handelte oder wie sie sich entwickeln würden.
Smaugs Thema etwa kam im ersten Hobbit-Film ein paar Mal vor (zum Beispiel in My Dear Frodo, 4:16-4:34), entwickelt sich in „Smaugs Einöde“ aber in eine neue, unerwartete Richtung. In der ersten Hälfte des Films ist es nur selten zu hören und klingt nach den Einsätzen in „Eine unerwartete Reise“, sobald die zugehörige Figur allerdings auftaucht, bekommt das Thema einen neuen instrumentalen Klang. Bisher hatte es eine eindeutige Verwandtschaft zum Mordor-Material. Diese ist zwar nach wie vor vorhanden, tritt aber in den Hintergrund. Durch chinesische und japanische Holzbläser und Percussions bekommt es eine individuelle kulturelle Färbung, die kein anderes Thema in Mittelerde besitzt. Diese Entwicklung ist wirklich eine grandiose Idee, da sie perfekt zu Smaug passt: Er ist (nach allem, was man weiß) wohl der letzte der Drachen, und somit sollte sein Thema etwas Einzigartiges haben, gleichzeitig aber wurden die Drachen von Morgoth, Saurons vernichtetem Herrn erschaffen, und somit ist auch musikalische Nähe zum Dunklen Herrscher vonnöten. In Inside Information (praktisch von Anfang an) hört man zum ersten Mal eine dieser speziellen Ausprägungen von Smaugs Thema, das von nun an den restlichen Score dominiert. Diese Variation spiegelt die manipulative Seite des Drachen wieder. Von einer anderen Seite zeigt er sich in The Hunters (1:10), Smaug (ab 5:02) und My Armor Is Iron (ab 1:19), dort hört man den Zorn der Bestie.
Ein weiteres Thema, das bereits in „Eine unerwartete Reise“ zu hören war, ist das Waldlandreichthema. Dort untermalte es Thranduils Auftritt im Prolog (My Dear Frodo, 3:23-3:32). Hier wird es nun weiter ausgebaut und dient, wie könnte es anders sein, als Thema für die Waldelben. Am dominantesten ist es selbstverständlich im namensgebenden The Woodland Realm, das ganze Stück besteht praktisch nur aus Variationen. Eine gewisse Verwandtschaft zum Lórien-Thema lässt sich nicht leugnen, aber das Waldlandthema klingt noch eine wenig mystischer und gefährlicher. Von diesem Thema existiert auch eine spezielle Action-Variation für Legolas, die vor allem in The Forest River (zum Beispiel 1:26-1:29 und 3:56-4:16) und The Hunters (zum Beispiel 4:49-4:55 und 8:28-8:38) mehrfach auftauchen.
Viele weitere Themen aus „Eine unerwartete Reise“ und der HdR-Trilogie werden natürlich ebenfalls weiterverwendet. War der erste Hobbit-Film noch stark vom Auenland- und Bilbo-Material geprägt (beides musikalisch eng miteinander verwandt), werden diese Themen in „Smaugs Einöde“ eher spärlich eingesetzt. Das klassische Auenland-Thema ist in The Quest for Erebor (0:49) und The Courage of Hobbits (gleich zu Beginn) zu hören, und Bilbo-Material gibt es in The Quest for Erebor (2:30), Barrels out of Bond (Anfang) und Thrice Welcome (ab 2:43). Man muss allerdings schon sagen, für einen Film, der den Titel „Der Hobbit“ trägt, gibt es schon ziemlich wenig musikalisches Hobbit-Material. Ähnlich ergeht es noch einigen anderen musikalischen Identitäten aus dem ersten Hobbit-Film. Gandalfs Thema etwa taucht nur fragmentarisch in der ersten Hälfte von A Spell of Concealment auf, und Radagasts Thema überhaupt nicht.
Im Gegensatz dazu nimmt die Präsenz des Zwergenmaterials und der Mordor/Sauron-Themen stark zu. Besonders Thorins Thema, in „Eine unerwartete Reise“ noch sehr zurückhaltend verwendet, rückt nun stark in den Mittelpunkt und erhält in The Forest River (ab 3:28) und Durin’s Folk (ab 2:08) eine bisher noch nicht gehörte, heroische Ausprägung. Ähnlich ergeht es dem Erebor-Thema, das zwar nicht so sehr heraussticht, aber doch äußerst präsent ist und oftmals in Begleitung von Thorins Thema auftritt, etwa in On the Doorstep (5:20).
Das thematische Material des Bösen (Smaug hierbei einmal ausgeklammert) ist neben den oben genannten Themen, vielleicht sogar in noch größerem Ausmaß, am dominantesten. Ohne das Geschichte-des-Rings-Thema geht es freilich nicht, auch wenn es verhältnismäßig selten auftaucht. Über den Verlauf von Mirkwood wird es immer wieder angedeutet, bis es in Flies and Spiders ein volles Statement erhält (6:43), als sich Bilbo zum ersten Mal wirklich mit der Suchtwirkung des Ringes auseinandersetzen muss. Ein weiterer Einsatz findet sich in Feast of Starlight (2:29). Und apropos Flies and Spiders: Passenderweise gibt es in diesem Stück auch immer wieder Anspielungen auf das Kankra-Material aus „Die Rückkehr des Königs“.
Das mit dem Geschichte-des-Rings-Thema eng verwandte Leitmotiv des Dunklen Herrschers (beide Themen fangen mit demselben Halbtonschritt an) wurde bereits in „Eine unerwartete Reise“ mehrfach angedeutet und kehrt nun mit aller Macht in A Spell of Concealment (ab 2:24) zurück, in einer Variation, die an Grausamkeit und Dissonanz kaum zu überbieten ist und stark an die Verwendung in „Die Rückkehr des Königs“ (Standard Edition: Minas Morgul, CR: A Coronal of Silver and Gold) erinnert. Auch in A Necormancer ist es zu hören, und in diesem Stück finden sich auch viele der Mordor-Begleitfiguren wieder.
Ebenso kehren Schurkenthemen aus „Eine unerwartete Reise“ zurück, vornehmlich die Themen von Azog und den Wargreitern. Ersteres taucht u.a. am Ende von The Forest River und in A Necromancer auf, Letzteres ist in Wilderland immer wieder zu hören.
Betrachten wir nun noch die Themen, die in „Smaugs Einöde“ zum ersten Mal erklingen. Da hätten wir zuerst Beorns Thema. Da der Pelzwechsler nur am Anfang des Films relativ kurz vorkommt, ist sein Thema, das nicht besonders einprägsam ist, auch nur in Wilderland und The House of Beorn zu hören (in letztgenanntem Track füllt es die gesamte erste Minute). Markanter und wichtiger ist Tauriels Thema, das zum ersten Mal in seiner Action-Version am Ende von Flies and Spiders (7:51) auftaucht. In der ruhigeren Variation (u.a. in The Woodland Realm bei 4:31 und Beyond the Forest bei 2:36) klingt es interessanterweise nach den Main Titles von Shores „Das Schweigen der Lämmer“. Für die Beziehung zwischen Tauriel und Kili gibt es ebenfalls ein eigenes Thema, das in A Feast of Starlight ab 1:26 vollständig erklingt.
Ab der zweiten Hälfte des Filmes kommt noch ein weiteres Zwergenthema hinzu, das laut Doug Adams „Durins Haus“ heißt und für die noble Abstammung der Zwerge steht. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass es sowohl mit Thorins Thema als auch dem Erebor-Thema verwandt ist. Einsätze finden sich unter anderem in Girion, Lord of Dale (ab 3:07) und In the Shadow of the Mountain (gleich zu Anfang). Diese frühen Variationen klingen sehr ehrfürchtig, als die Zwerge dann allerdings gegen Smaug kämpfen, bekommt das Durins-Haus-Thema eine heroische Färbung (My Armor Is Iron, 0:54).
Die Menschen von Esgaroth als neue Bevölkerungsgruppe werden ebenfalls leitmotivisch behandelt. Das Thema für Seestadt erinnert an eine Mischung aus einem barocken Tanz und einem Seemannslied (Protector of the Common Folk 1:50, Thrice Welcome am Anfang). Der Meister von Seestadt und seine rechte Hand Alfrid haben ihre eigene, intrigant klingende Ausprägung dieses Themas, die in Bard, a Man of Lake-town (2:56) zum ersten Mal zu vernehmen ist und in Thrice Welcome (ab 0:28) weiter ausgebaut wird. Das Gegenstück hierzu sind die Themen für Bard und seinen Vorfahren Girion (Ersteres u.a. in Bard, am Man of Lake-town und Protector of the Common People am Anfang und The Hunters bei 1:32, Letzteres in Girion, Lord of Dale am Anfang). Man kann wohl davon ausgehen, dass sich diese beiden Themen im dritten Hobbit Film zu einem heroischen Thema für Bard vereinen werden, wenn er Smaug tötet.
Obwohl die Länge dieses Artikels möglicherweise anderes suggeriert handelt es sich hierbei lediglich um eine oberflächliche Analyse, die thematischen Verknüpfungen und Feinheiten gehen noch weit tiefer, würden allerdings den Rahmen dieses Artikels sprengen. Betrachten wir zum Schluss noch die Albensituation und die Verwendung des Scores im Film. Bei beidem gab es bei „Eine unerwartete Reise“ einige Diskrepanzen. Abermals gibt es eine Standard-Edition und eine Deluxe-Edition. Diese Vermarktungsstrategie ist mir immer noch ein wenig rätselhaft, da wieder beide Versionen zwei CDs haben, die Deluxe-Edition besitzt lediglich ein Bonusstück (A Necormancer) und einige verlängerte Tracks – insgesamt hat sie etwa 13 Minuten an Material, die nicht auf der Standard-Version zu finden sind. Zusätzlich dazu gibt es noch ein Booklet mit einem Begleittext von Doug Adams, in welchem er bedeutende alte und neue Themen bespricht, und eine Noten-Skizze von Howard Shore.
Glücklicherweise finden sich dieses Mal auf der Deluxe-Edition keine unterlegenen Alternativtracks, wie es bei „Eine unerwartete Reise“ der Fall war, weshalb ich dieses Mal problemlos die Deluxe-Edition empfehlen kann. Die zusätzlichen 13 Minuten sind zwar nicht essentiell, runden das Hörerlebnis allerdings ab, da es auf der normalen Version einige störende Schnitte gibt. Der Bonustrack ist vor allem für Fans des Mordor-Materials interessant.
Die Präsentation im Film ist dagegen leider abermals nicht optimal. Dieses Mal gibt es zwar keine merkwürdigen Ersetzungen mit fragwürdigem thematischem Material, es wurde aber viel geschnitten. Gerade für einen Mittelerde-Film gibt es in „Smaugs Einöde“ ungewöhnlich viele Passagen, die vollkommen ohne Musik auskommen. Das geniale Action-Stück The Forest River, nicht nur ein Highlight dieses Scores, sondern der gesamten Mittelerde-Musik, etwa wurde im Film völlig verhackstückt und das grandiose Statement von Thorins Thema fehlt. Ähnlich ergeht es auch mehreren Einsätzen von Smaugs Thema im letzten Drittel des Films. Das hat zur Folge, dass die Musik im Film sehr viel anonymer und unbefriedigender daherkommt, als sie eigentlich ist. Der Vorteil dabei ist, dass es dieses Mal kaum Musik gibt, die im Film, nicht aber auf dem Album zu finden ist. Lediglich ein, zwei weitere Einsätze von Gandalfs Thema sind hier betroffen, ansonsten gibt es auf dem Album mehr Musik als im Film.
Fazit: Grandioser und hochkomplexer Hobbit-Soundtrack, der allerdings unter dem Fehlen alter oder neuer Ohrwurmthemen, einem unpassenden Abspannsong und einer schlechten Präsentation im Film leidet. Dennoch: Der Soundtrack des Jahres.

Siehe auch:
Der Hobbit: Smaugs Einöde
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise – Soundtrack
The Music of the Lord of the Rings Films

Der Hobbit: Smaugs Einöde

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Story: Bilbo (Martin Freeman), Gandalf (Ian McKellen), Thorin (Richard Armitage) und der Rest der Kompanie sind nach wie vor auf dem Weg zum Erebor, und nach wie vor jagt sie der Ork Azog (Manu Bennett). Ihr Weg führt die Kompanie nun, nachdem sie das Nebelgebirge überquert haben, immer weiter nach Osten, wo sie zuerst dem Pelzwechsler Beorn (Mikael Persbrandt) begegnen und sich später mit Riesenspinnen und unfreundlichen Waldelben im Düsterwald herumschlagen müssen. Nach einer eher ungemütlichen Begegnung mit dem Waldelbenkönig Thranduil (Lee Pace), dessen Sohn Legolas (Orlando Bloom) und Tauriel (Evangeline Lilly), der Anführerin von Thranduils Garde, gelangen die Zwerge schließlich nach Esgaroth. Der Erebor ist nun zum Greifen nahe, doch die größte Herausforderung liegt noch vor ihnen, denn in seinem Inneren schlummert der gewaltige Drache Smaug (Benedict Cumberbatch)…

Kritik: Genau wie im letzten Jahre gibt es auch beim zweiten Hobbit-Film wieder eine kürzere, möglichst spoilerfreie Kritik und eine ausführliche, detaillierte Rezension. Im Rahmen dieses Artikels bemühe ich mich, keine Details zu verraten.
Während „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ äußerst gespalten aufgenommen wurde, erhält „Smaugs Einöde“ insgesamt weitaus positivere Kritiken, besonders aus den Reihen der „normalen“ Filmkritiker – Tolkien-Puristen sind freilich wieder ein anderes Völkchen, denn was ich beim ersten Teil geschrieben habe, gilt hier noch stärker: Auch dieser Film ist eindeutig nichts für all diejenigen, die nur das auf der Leinwand sehen wollen, was Professor Tolkien geschrieben hat.
In der Tat wurden einige der Probleme, die den ersten Teil plagten, ausgemerzt – wobei sich nun die Frage stellt, ob die Konzeption der Filme von Anfang an so gedacht war oder ob Peter Jackson auf Kritiken reagiert hat und noch mal ein wenig umgeschnitten und nachgedreht hat. Eines der größten Probleme bei „Eine unerwartete Reise“ waren die atmosphärischen Schwankungen, die Kinderbuchelemente, die direkt neben eher an den „Herrn der Ringe“ angelehnten Teile des Films standen. „Smaugs Einöde“ ist bezüglich des Tonfalls sehr viel konsistenter und geht stärker in Richtung HdR-Trilogie. Ingesamt wird alles düsterer, der Humor wird spärlicher und Gestalten wie die Trolle oder der Große Ork tauchen nicht mehr auf. Die märchenhafteren Elemente werden zurückgefahren, stattdessen gibt es neue, zum Teil recht ambivalente Figuren auf.
Ebenso wird der Nostalgiefaktor verringert; in „Eine unerwartete Reise“ wurden bewusst so viele Parallelen zur HdR-Trilogie gezogen wie möglich, sei es durch den Einsatz der Musik, durch Kameraeinstellungen, Hinzufügungen etc. Nun betreten wir allerdings zusammen mit Bilbo Länder, die bisher noch nicht filmisch umgesetzt wurden. Die neuen Locations – Düsterwald, Thranduils Palast, Egarroth sind allesamt sehr gut gelungen, ebenso wie die neuen Figuren. Besonders gelungen sind der von Luke Evans verkörperte Bard, Lee Pace als Thranduil (endlich einmal ein Elb, der etwas ambivalenter ist als Galadriel oder Elrond) und natürlich Benedict Cumberbatch als Smaug, der mal eben den besten Leinwanddrachen der Filmgeschichte gibt – da können HP 4 und 7.1 leider einpacken. Inzwischen finde ich das Design auch ziemlich gelungen – im ersten Trailer erschien es mir noch recht merkwürdig, aber man gewöhnt sich daran und es passt auch. Wie schon im ersten Hobbit-Film ist auch dieses Mal das Highlight eine Konversation zwischen Martin Freeman und einem Schauspieler, der durch Motion Capture in etwas anderes verwandelt wurde. Was die wiederkehrenden Schauspieler angeht, diese knüpfen ziemlich nahtlos an das Vorherige an. Richard Armtiage, Martin Freeman und Ian McKellen sind nach wie vor grandios, die restlichen Zwerge (mit Ausnahme von Kili) bleiben dagegen recht anonym.
Nach wie vor folgt „Smaugs Einöde“ der Struktur des Romans relativ genau – von Beorn in den Düsterwald, von dort über Thranduils Hallen per Fass nach Esgaroth und von dort wiederum direkt zum Erebor – allerdings wurde einiges stark erweitert, vor allem um Actionszenen. So treiben die Zwerge nicht einfach nur in Fässern versteckt nach Seestadt, sie werden von Elben und Orks dabei noch gejagt, die sich nebenher munter gegenseitig umbringen. Eine ähnliche Erweiterung findet sich im Finale, das sich für meinen Geschmack zu lange hinauszieht. Besagte Action-Szenen sind, wie üblich bei Jackson, relativ übertrieben, aber damit habe ich persönlich weniger Probleme.
Einige alte Probleme hat der Film aber dennoch: Die Handlung kommt nach wie vor äußerst episodisch daher. Regisseur und Drehbuchautoren haben wieder einiges unternommen, um das ganze kohärenter zu gestalten, aber ein weiteres Mal mit gemischten Ergebnissen. Im Roman gibt es ja bekanntermaßen nur einen Handlungsstrang, dies wurde im Film geändert: Gandalf geht allein auf Wanderschaft, Legolas und Tauriel folgen den Zwergen nach Esgaroth, und später gehen nur einige Zwerge zum Erebor, während ein Teil von ihnen in Esgaroth zurückbleibt. Um das Ganze einheitlicher wirken zu lassen, gibt es im letzten Drittel viele schnelle Szenenwechsel, die aber wiederum dafür sorgen, dass sich die einzelnen Szenen nicht wirklich gut entfalten können. Und die episodenhaftigkeit der Handlung bleibt trotzdem offensichtlich. Dennoch funktioniert die Aufspaltung erstaunlich gut, vor allem im Hinblick auf das, was noch im dritten Film folgen wird.
Fazit: Insgesamt ist „Smaugs Einöde“ konsistenter und besser durchdacht als „Eine unerwartete Reise“ und hat mir eigentlich sehr gut gefallen. Was allerdings ausgeblieben ist, ist dieselbe Begeisterung, die ich nach dem Ansehen des ersten Hobbit-Films verspürt habe. Ein endgültiges Urteil folgt nach der Zweitsichtung im O-Ton.

Trailer

Siehe auch:
Der Hobbit: Smaugs Einöde – Soundtrack

Iron Man 3: Die Mandarin-Kontroverse

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Ich hatte mir schon länger vorgenommen, einige Artikel zu verfassen, die stärker von meinem gewöhnlichen Rezensionsschema weggehen und stärker Einzelaspekte von Filmen, Romanen oder Comics analysieren und bewerten aber, nun ja, Zeit müsste man haben…
Hiermit starte ich diese neue „Artikelgenre“ und nehme etwas zwar nicht brandaktuelles, aber doch aus diesem Jahr zum Thema: Die Mandarin-Kontroverse aus „Iron Man 3“. Ich muss wohl nicht zusätzlich erwähnen, dass dieser Artikel Spoiler enthält. Da „Iron Man 3“ inzwischen allerdings auf DVD und BD erhältlich ist und jeder, der ihn sehen will, das bereits problemlos getan haben kann, nehme ich da auch keine Rücksicht mehr. In meiner Filmkritik konnte bzw. wollte ich zu diesem Thema noch nichts Genaues sagen, da diese spoilerfrei war; dort steht lediglich, dass mir der Twist bezüglich des Mandarin nicht gefällt, ich bin aber nicht auf Details eingegangen.
Im Voraus muss ich dazu sagen, dass ich nicht sehr viele Iron-Man-Comics besitze, und in keinem der wenigen, die ich mein Eigen nenne, taucht der Mandarin auf, weshalb ich an die ganze Sache eher unvoreingenommen herangegangen bin. Ich kannte die Prämisse des Schurken (Fu-Man-Chu-ähnlicher Terrorist mit zehn magischen Ringen), das war’s aber auch schon.
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Der klassische Comic-Mandarin á la Fu Man Chu

Nach allem, was ich wusste, war relativ klar, dass man den Mandarin für „Iron Man 3“ ein wenig dezenter gestalten würde. Zwar bemühen sich die Filme des MCU nicht so sehr um eine pseudorealistische Atmosphäre wie die Nolan-Batman-Filme und gehen mit der Comicherkunft recht offen um, aber es gibt einfach Dinge, die man in Comics machen kann, in Filmen allerdings nicht. Die klassische Darstellung des Mandarins gehört für mich zu dieser Kategorie. Dennoch hat unter Comic-Fans die Entscheidung, den Mandarin, so wie er im Trailer angekündigt wurde, lediglich als Fassade für den eigentlichen Schurken zu verwenden, für einen regelrechten Aufschrei gesorgt. Und ich kann das schon nachvollziehen: Wenn ein geliebter Schurke so grundlegend anders dargestellt wird, kann das schon die Laune verderben. Um noch einmal zu rekapitulieren: Der Mandarin (Ben Kingsley), der scheinbar die USA in seinen Terrorbotschaften bedroht, ist in Wahrheit ein britischer Schauspieler namens Trevor Slattery, und die ganze Mandarin-Geschichte ist ein Deckmantel, damit der wahre Schurke des Films, Aldrich Killian (Guy Pearce) ungestört seinen Machenschaften nachgehen kann.
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Aldrich Killian (Guy Pearce)

Als Reaktion auf die Fan-Aufschreie kamen viele Artikel von Befürwortern und MCU-Fans, die erklärten, dass eben Aldrich Killian der wahre Mandarin sei – was die Figur im Finale von „Iron Man 3“ auch selbst sagt – und weshalb die ganze Konstruktion gerechtfertigt ist. Nebenbei: Killian kommt auch in den Comics vor und spielt eine kleine Rolle zu Beginn der Iron-Man-Geschichte „Extremis“ (geschrieben von Warren Ellis). Wie im Film ist er der Schöpfer besagter Waffe, ansonsten hat die Comicfigur mit dem Film-Pendant allerdings kaum etwas zu tun. Comic-Killian begehrt auf den ersten paar Seiten des Comics Selbstmord und hat mit dem Mandarin nichts zu tun.
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Aldrich Killian in „Extremis“, gezeichnet von Adi Granov

Mein Problem mit dieser Wendung liegt auch nicht beim Comic-Mandarin oder der Vorlagentreue – da ich den Comic-Mandarin kaum kenne, wäre das auch merkwürdig. Was mich an der ganzen Sache stört ist eigentlich ziemlich simpel: Ich finde Aldrich Killian als Schurken ziemlich langweilig, was mehrere Gründe hat. Zum einen wäre da die Konzeption der Figur: Killian ist praktisch Syndrome aus Pixars „Die Unglaublichen“. Wie Syndrome wurde auch Killian von seinem großen Idol, der zufällig der Filmprotagonist ist, verschmäht, und suchte dann einen äußerst elaborierten Weg, um sich zu rächen. Zugegebenermaßen hat Tony Stark es wahrscheinlich eher verdient als Mr. Incredible, aber dennoch kommen sowohl Syndrome als auch Killian als ziemlich kleinliche Schurken rüber.
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Killian als „wahrer Mandarin“

Außerdem gefällt mir Guy Pearce in der Rolle nicht wirklich. Der Killian-Mandarin hätte vielleicht interessanter werden können, hätte ihn ein anderer Schauspieler verkörpert. Pearce hat in meinen Augen allerdings weder die nötige Fähigkeit, noch das nötige Charisma, um seine Figur ansprechend zu gestalten. Somit haben wir, nach Obadiah Stane und Justin Hammer schon wieder einen korrupten Firmenboss. Manch einer hat argumentiert, dass das thematisch alles sehr gut innerhalb der Iron-Man-Serie passen würde, allerdings hätte ich gerne mehr Variation – oder zumindest interessanter gestaltete und gespielte Schurken (Jeff Bridges war von den dreien mit Abstand am besten und unterhaltsamsten). Der schwache Schurke ist allerdings etwas, das die meisten MCU-Filme plagt – mit Ausnahme von „Thor“ und „The Avengers“.
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Maya Hansen (Rebecca Hall)

Vielleicht hätte mir das Ganze besser gefallen, wenn nicht Aldrich Killian, sondern Maya Hansen (Rebecca Hall) der wahre Mandarin gewesen wäre. Das wäre einerseits unerwarteter gewesen (mal ehrlich, der Twist des Films war nicht schwer zu erraten) und hätte andererseits dafür gesorgt, dass es endlich einen anständigen weiblichen Schurken im MCU gegeben hätte, die gibt es in Filmen ohnehin viel zu selten. Vielleicht hat „Guardians of the Galaxy“ ja diesbezüglich etwas anzubieten (da ich die Comicvorlage nicht kenne, habe ich keine Ahnung, was im Sommer nächsten Jahres auf mich zukommt). Man wird sehen. Vielleicht taucht in „Thor 3“ ja die Enchantress auf, oder der Winter Soldier im zweiten Captain-America-Film wird ein interessanter Schurke, das Potential wäre vorhanden…

Siehe auch:
Iron Man
Iron Man 2
Iron Man 3

Der Prinz von Ägypten

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Story: Als der ägyptische Pharao Sethos I. (Patrick Stewart) anordnet, alle neugeborenen israelitischen Kinder zu töten, legt eine verzweifelte Mutter (Ofra Haza) ihren Sohn in ein Körbchen und schickt ihn den Fluss hinab. Das Baby wird von der Gattin Sethos‘ (Helen Mirren) gefunden und als Findelkind aufgezogen. Unter dem Namen Moses (Val Kilmer) wächst besagtes Baby, in Unkenntnis seiner wahren Herkunft, zu einem jungen Mann heran, der zusammen mit seinem älteren Bruder Ramses (Ralph Fiennes) auch gerne Unheil stiftet. Doch schließlich kommt die Wahrheit ans Licht: Moses erfährt, dass er in Wahrheit ein Hebräer ist und tötet im Zorn einen ägyptischen Aufseher, der einen israelitischen Sklaven schindet. Bestürzt über seine eigene Tat flieht Moses nach Midian, wo er eine Frau (Michelle Pfeiffer) und eine neue Familie findet. Allerdings erteilt der Gott der Hebräer (Val Kilmer) Moses schon bald einen Auftrag: Er soll die versklavten Israeliten befreien. Als Moses nach Ägypten zurückkehrt, ist Ramses inzwischen Pharao, und er weigert sich partout, Moses‘ Volk ziehen zu lassen, sodass sich die beiden Brüder nun auf unterschiedlichen Seiten eines Konflikts befinden…

Kritik: „Der Prinz von Ägypten“ gehört für mich zu einer sehr merkwürdigen Kategorie: Filme, die mit jedem Ansehen besser werden. Als ich ihn zum ersten Mal sah, dachte ich: „Ganz in Ordnung.“ Als ich ihn zum zweiten Mal sah, dachte ich: „Eigentlich ziemlich gut.“ Inzwischen hat er sich fast schon auf die Liste meiner Lieblingszeichentrickfilme vorgearbeitet.
Dieser Streifen aus dem Hause Dreamworks gehört zu den ersten Produktionen besagten Studios. Nachdem Jeffrey Katzenberg, der als Vorstandsvorsitzender von Disney für die Disney-Renaissance mitverantwortlich war und den Maus-Konzern eher unfreiwillig verließ, wollte er mit dem neuen Studio, das er mitbegründet hatte, zeigen, dass er sehr wohl in der Lage war, an seine größten Erfolge als Produzent, zu denen u.a. „Die Schöne und das Biest“ und „Der König der Löwen“ gehören, anzuknüpfen. Während das qualitativ in meinen Augen durchaus gelungen ist, hatte „Der Prinz von Ägypten“ beim Mainstream-Publikum leider keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Beim Erscheinen war er zwar durchaus erfolgreich, im Gegensatz zu den beiden oben genannten Disney-Filmen verschwand er allerdings nach einiger Zeit in der Versenkung, sodass sich heute nur noch wenige an ihn erinnern, was eigentlich ziemlich schade ist.
Widmen wir uns nun allerdings dem Film selbst: Wenn man an eine Umsetzung der Moses-Geschichte denkt, kommt man wahrscheinlich eher selten auf den Gedanken „Zeichentrickmusical á la Disney“ – nicht zuletzt wegen solch pikanter Zutaten wie dem Tod der Erstgeborenen. Dennoch funktioniert das Ganze erstaunlich gut, denn „Der Prinz von Ägypten“ ist ein schönes Beispiel für einen Film, in dem alle Elemente wunderbar funktionieren und perfekt ineinander greifen. Natürlich wurde der Film gegenüber der Bibel-Vorlage ein wenig entschärft – er endet zum Beispiel damit, dass Moses mit den Zehn Geboten im Gepäck vom Sinai herabsteigt, das Goldene Kalb und alles, was danach kommt, wird nicht mehr gezeigt – bleibt dem Quellenmaterial ansonsten aber erstaunlich treu. Die Regisseure (Simon Wells, Brenda Chapman und Steve Hickner) und Drehbuchautoren (Philip LaZebnik und Nicholas Meyer) änderten vor allem Details, um die Geschichte ansprechender und emotionaler zu gestalten. In der Bibel scheint Moses beispielsweise zu wissen, dass er adoptiert ist, während dies im Film nicht der Fall ist. Die wichtigste Änderung ist jedoch die Beziehung zwischen Moses und dem Pharao (hier Ramses II., dies ist allerdings keinesfalls unumstritten). Beide sind Brüder und werden auch als solche dargestellt. Zu Beginn des Films sind sie unzertrennlich und auch später bedauern sie es zutiefst, dass sie auf unterschiedlichen Seiten stehen. Diese Beziehung ist der emotionale Kern des Films und funktioniert blendend, nicht zuletzt wegen der grandiosen Sprecher. Gerade in diesem Bereich weiß „Der Prinz von Ägypten“ vollständig zu überzeugen, selbst die kleinsten Nebenrollen sind prominent besetzt. Neben den in der Inhaltsangabe erwähnten sind unter anderem auch Sandra Bullock als Moses‘ Schwester Miriam, Jeff Goldblum als Moses‘ Bruder Aaron, Danny Glover als Zipporas Vater Jethro und Steve Martin und Martin Short als die ägyptischen Priester Hotep und Huy zu hören.
Auch sonst weiß so ziemlich jeder Aspekt der Produktion zu überzeugen. Die Optik, speziell die Gesichter, ist zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, dafür allerdings wunderbar episch und visuell beeindruckend, egal, ob Ägypten in Szene gesetzt oder das Rote Meer geteilt wird. Genauso stimmig sind Lieder und Score von Stephen Schwartz und Hans Zimmer. Gerade der Musical-Aspekt des Films hätte leicht schiefgehen können, dem ist allerdings nicht der Fall. In der Tat gibt es in meinen Augen unter den Liedern keinen „Stinker“ – etwas, das ich selbst über meinen liebsten Disney-Film nicht sagen kann. Jeder der sechs Songs passt wie die Faust aufs Auge. Deliver Us ist eine gänsehauterzeugende Eröffnungsnummer, All I Ever Wanted drückt schön Moses‘ Zweifel aus, Through Heaven’s Eyes ist das angenehmste und schmissigste Lied Films, ohne fehl am Platz zu wirken, Playing with the Big Boys geht am ehesten in Richtung Comdey-Song, passt aber wunderbar zur Szene, in der Gottes Macht den ägyptischen Zauberkünstlern gegenübergestellt wird, The Plagues (mein persönlicher Favorit, schon allein, weil Ralph Fiennes mitsingt) setzt die ägyptische Plagen wortgewaltig in eine musikalische Montage um und When You Believe sorgt für einen gelungenen Abschluss.
Fazit: Grandiose Dreamworks-Umsetzung der Moses-Geschichte. Dank toller Musik, Sprecher, der Schauwerte und des emotionalen Kerns sowohl für Gläubige als auch Atheisten und alles dazwischen geeignet.

Trailer