Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 3

THE HOBBIT: AN UNEXPECTED JOURNEY
Der dritte Teil meiner ausführlichen Hobbit-Rezension kommt nun doch um einiges später als ursprünglich geplant; aus vielen Gründen (vor allem GoT-bezogen) bin ich einfach nicht dazugekommen. Dafür kann ich nun allerdings die Bewertung der Blu-Ray (normal, nicht 3D) miteinbeziehen: Bild- und Tonqualität der Heimkinoversion von „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ sind herausragend, man sieht wirklich selten eine BD mit einem derartig gestochen scharfen Bild. Auch die Tonspur sorgt für den nötigen Bombast. Das Bonusmaterial lässt dagegen leider eher zu wünschen übrig. Es gibt zwar eine Bonusdisc, diese beinhaltet aber lediglich die zehn Produktionstagebücher in Videoform, die bereits im Internet zu sehen waren, und noch einige Trailer. Das wirklich üppige Bonusmaterial (ich erwarte ausführliche Dokumentationen zu allen Aspekten der Produktion) kommt wohl erst mit der Special Extende Edition, die diesbezüglich hoffentlich mit den HdR-SEEs gleichzieht. Und nun wieder zum eigentlichen Film.

„Take up arms! Fight! Fight!“ – Nebelgebirge und Orkstadt
Nach den Nebelgebirgspanoramas á la „Die Gefährten” folgt die Begegnung mit den Steinriesen, die im Roman allerdings nicht wirklich definiert wurden und auch später nicht mehr vorkamen. Peter Jackson nahm den Begriff jedenfalls wörtlich, die Riesen sind gigantische Steinwesen, praktisch wandelnde Berge. Und hier muss ich leider vielen Kritikern zustimmen: Optisch ist die Szene ohne Frage beeindruckend, allerdings auch überdramatisiert und unpassend; die gewählte Interpretation ist die wohl denkbar schlechteste. In „Schlacht um Mittelerde 2“ sind die Steinriesen beispielsweise größere Verwandte der Trolle, was in meinen Augen weitaus passender gewesen wäre. Aus dramaturgischer Sicht wäre es vielleicht sogar besser gewesen, die Szene vollständig zu streichen.
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Ein Steinriese im Nebelgebirge

Danach folgt eine kurze Verschnaufpause, die im Roman allerdings nicht auftaucht: Während der Sache mit den Steinriesen hat Thorin noch einmal betont, wie nutzlos er Bilbo doch findet, was sich dieser ziemlich zu Herzen nimmt und, während die Gemeinschaft in einer Höhle übernachtet, beschließt, lieber nach Bruchtal zurückzukehren. Bofur hat allerdings gerade die erste Wache inne, bemerkt was Bilbo vorhat und versucht, ihn aufzuhalten. Dieser kurze Dialog dürfte einer der Gründe sein, weshalb Bofur und sein Schauspieler James Nesbitt inzwischen zu Fanlieblingen geworden sind. Der schnauzbärtige Zwerg erweist sich als überaus sympathischer Zeitgenosse, der Bilbo aufrichtig gern zu haben scheint und ihm, nachdem Bilbo trotz guten Zuredens beschlossen hat, umzukehren, alles Gute wünscht. Aus dem Vorhaben wird allerdings nichts, da Stichs Klinge just in diesem Moment blau zu leuchten beginnt und sich der Boden auftut; so gelangen die Zwerge nach Orkstadt.
Obwohl eigentlich alle Elemente des Romans auf die eine oder andere Weise vorhanden sind, wurde hier doch kräftig umstrukturiert. Bei Tolkien werden Zwerge und Hobbit vor den Großen Ork gebracht, entkommen Dank Gandalfs Hilfe (der es zuvor geschafft hat, den Orks zu entgehen, nachdem er einige von ihnen in der Höhle gegrillt hat) und während der Flucht kommt Bilbo abhanden und landet in Gollums Höhle. Im Film dagegen ist Gandalf vorerst überhaupt nicht zugegen, stattdessen schafft Bilbo es, den Orks zu entgehen, nur um von einem einzelnen angegriffen zu werden und zusammen mit ihm abzustürzen.
So treten Thorin und Kompanie dem Großen Ork allein gegenüber. Wie auch die Trolle ist er eher ein typischer Kinderbuchschurke, der recht wenig mit den grimmigen Orks des „Herrn der Ringe“ zu tun hat. Der von Barry Humphries dargestellt, übermäßig aufgequollene Anführer der Orks des Nebelgebirges ist zu gesprächig und zu wenig barbarisch, eher komisch denn furchterregend. Allerdings muss ich sagen: Ich mag ihn irgendwie. Der Dialog stammt zum Großteil direkt aus dem Roman, abzüglich der an Thorin gerichteten Information, dass Azog der Schänder noch lebt.
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Der Große Ork (Barry Humphries)

Die folgende Flucht wurde natürlich ein wenig epischer und actionreiche umgesetzt, als Tolkien es schildert, und viele störten sich an der Jagd durch die Orkhöhlen. Diesem Urteil kann ich mich allerdings nicht anschließen, vor allem in 3D war diese Szene außerordentlich überzeugend. Auch das Design von Orkstadt – es erinnert ein wenig an die Kavernen von Isengart, nur in größerem Maßstab – fand ich gelungen. Die Bewohner, mit denen Thorin und Kompanie sich messen müssen, sind noch kleiner als ihre Verwandten aus den Minen von Moria und weisen sehr viele, äußerst unansehnliche Hautkrankheiten auf.
Unbedingt erwähnt werden sollte im Zusammenhang mit dieser Szene noch einmal Howard Shores Musik, der die Moria-Chöre noch einmal toppt und die Blechbläser höchst interessante Dinge anstellen lässt.

„What has it got in its nasty little pocketses?” – Rätsel in der Finsternis
Das Rätselspiel in Gollums Höhle ist nicht nur das Herzstück von „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise”, sondern auch die erste Szene die gedreht wurde; und bis auf ein, zwei kleine Schönheitsfehler ist sie perfekt gelungen. Peter Jackson setzt genau den richtigen Rahmen, in dem er die Szene am Stück zeigt, ohne Unterbrechung, wodurch sie als intensives Kammerspiel funktioniert, das vor allem von der Kunst zweier hervorragender Darsteller lebt.
Anders als im Roman sieht sowohl der Zuschauer als auch Bilbo im Film, wie Gollum den Ring verliert, als er den Ork, der zusammen mit Bilbo abgestürzt ist. Gerade hier wäre noch mehr Nähe zum Buch wünschenswert gewesen, da Bilbo im Film nun weiß, was ihn erwartet. Und er weiß auch, woher der Ring stammt, den er da an sich nimmt.
Äußerst beeindruckend ist, wie real Gollum inzwischen aussieht. Er war bereits in der HdR-Trilogie der beste Effekt, und die Künstler von Weta haben sich noch einmal selbst übertroffen. Andy Serkis tut es ihnen gleich und geht ein weiteres Mal völlig in der Rolle auf. Obwohl die Szene insgesamt sehr Vorlagengetreu ist, baut Jackson weiter auf der Interpretation der Figur aus „Die zwei Türme“ und „Die Rückkehr des Königs“ auf; die Persönlichkeitsspaltung wird hervorgehoben und zum wichtigen Bestandteil der Szene gemacht. Gollum würde Bilbo lieber sofort töten, während Sméagol dem Rästelspiel absolut nicht abgeneigt ist, weil es ihn an sein früheres Leben erinnert.
Nicht alle Rätsel haben es in den Film geschafft, aber die wenigen, die fehlen, tauchen möglicherweise in der Special Extended Edition auf.
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Gollum (Andy Serkis)

Der einzige andere Kritikpunkt an dieser Szene ist die Musik: Auf dem Soundtrackalbum variiert Howard Shore hier geschickt die Themen für Gollum, Sméagol und die Geschichte des Ringes; vor allem Letzteres erfährt einen besonders gelungenen Einsatz, bei dem man direkt heraushören kann, dass der Ring lange geschlafen hat und nun „erwacht“. Leider hat es keine dieser Variationen in den Film geschafft, stattdessen sind Neuaufnahmen von bereits aus der Trilogie bekannten Variationen zu hören. Der Filmmusikfreund fragt sich natürlich, weshalb dies so ist: Waren Peter Jackson die neuen Variationen zu subtil?
Über die erzwungene Parallele beim Aufsetzen des Rings (Bilbo fällt und der Ring gleitet auf seinen Finger, genauso wie bei Frodo in Bree) kann man hinwegsehen, vor allem da der Augenblick, in dem Bilbo die Möglichkeit hat, Gollum zu töten, ebenfalls exzellent umgesetzt wurde. Was Martin Freeman und Andy Serkis hier allein mit ihrer Mimik ausdrücken, ist unglaublich.

„Out of the frying-pan.“ – „And into the fire.” Das Finale
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Thorin (Richard Armitage) geht zum Angriff über

Nachdem Bilbo, Gandalf und die Zwerge wieder beieinander sind, folgt das actionreiche Finale des Films. Abermals ist die Szene im Buch weit weniger aufwendig, emotional aufgeladen und ernst als im Film. Nach der Flucht aus Orkstadt stoßen Zwerge, Hobbit und Zauberer eher zufällig auf ein Rudel Warge, das mit den Orks gemeinsame Sache macht. Die Gemeinschaft flieht in die Bäume und wird schließlich von den Adlern gerettet. Die Szene ist mit ihren singenden Orks bei Tolkien relativ humorvoll. Ganz anders im Film: Da dies als emotionaler Höhepunkt fungieren muss, wurde das Ganze aufgewertet. Die einzelnen Bestandteile sind nach wie vor vorhanden: Warge, Orks, Zwerge auf Bäumen und Rettung durch die Adler, aber der Rahmen wurde geändert. Im Film holen Azog und seine Wargreiter, alarmiert durch den Boten des Großen Ork, Thorin und Kompanie ein. Thorin, getrieben von Rache, will es mit Azog allein aufnehmen und wird schließlich von Bilbo gerettet, kurz bevor die Adler auftauchen. Somit bekommt diese Szene weitaus mehr Bedeutung, vor allem, was die Beziehung der Figuren angeht. Der Durst nach Rache am Mörder seines Vaters kommt für Thorin nun als bedeutende Motivation hinzu, die sich im Buch nicht findet, in den kommenden Filmen aber wohl noch eine wichtige Rolle spielen wird. Ebenso wird die Beziehung Thorin-Bilbo geändert: Im Roman ist der Hobbit dem Zwergenkönig im Exil relativ egal, während im Film die Abneigung, die dieser gegen Bilbo hegt, sehr deutlich hervorgearbeitet wird. Durch Bilbos Einsatz erkennt Thorin am Ende des Films Bilbo als nützlichen Teil der Gemeinschaft an.
Ansonsten wird dem Endkampf oft vorgeworfen, überdramatisiert zu sein, und dieser Vorwurf lässt sich nicht wirklich von der Hand weisen. Die Klippe, die umstürzenden Bäume, die Adlerrettung in allerletzter Sekunde und natürlich Thorins Angriff blähen die Szene geradezu auf. Allerdings, um es mit einer netten englischen Phrase auszudrücken: Hell, I don’t care. Peter Jackson ist für seine extrem dramatischen, am Kitsch kratzenden Szenen bekannt. Dennoch funktionieren sie für mich, was meistens an Howard Shores Musik liegt, die mir interessanterweise so ziemlich alles schmackhaft macht.
Am Ende des Films, nachdem Thorin Bilbo umarmt hat und die Gemeinschaft positiv in die Zukunft blickt, wird den Zuschauern schließlich ein erster Blick auf Smaugs Auge gewährt.
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Das Auge des Drachen

Fazit: Wenn ich mich um eine halbwegs objektive Sichtweise bemühe, lässt sich nicht von der Hand weisen, dass „Der Hobbit: Eine unerwartete Reise“ Probleme hat. Dazu gehören, unter anderem, das Ungleichgewicht zwischen den ursprünglichen, direkt aus der Vorlage übernommenen (oder neu hinzugefügten) Kinderbuchelementen und den eher düsteren, auf die HdR-Trilogie hindeutenden Aspekte. Ebenso gibt es zu viele Rückgriffe auf die ursprüngliche Trilogie, die der Hobbit-Verfilmung ein Stück weit ihre Eigenständigkeit rauben – weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen, vielleicht hätte sich die ursprünglich geplante zweiteilige Verfilmung als die bessere Alternative erwiesen.
Was diesen Film allerdings so interessant macht, ist, dass mich diese negativen Aspekte kaum stören. Ich erkenne sie, aber sie nerven mich nicht, wie es bei anderen Filmen der Fall wäre. Die subjektive Seite verlangt nach mehr Mittelerde und ist froh, dass drei und nicht zwei Filme gibt. Ich erwarte „Der Hobbit: Smaugs Einöde“ bereits sehensuchtsvoll.

Siehe auch:
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 1
Der Hobbit: Eine erwartete Rezension – Teil 2
Der Hobbit: Eine unerwartete Reise – Soundtrack