Batman – Vampire

Dieser Artikel ist Teil des TDKR-Countdowns

Es gibt Zeichner, an denen scheiden sich einfach die Geister. Kelley Jones ist fraglos einer davon. Jones, bekannt geworden durch seine Arbeiten an Neil Gaimans „Sandman“, pflegt einen äußerst abstrakten, wenn nicht gar surrealen Zeichenstil. Den meisten dürfte er wohl für seine Interpretation von Batman (oft in Zusammenarbeit mit Autor Doug Moench) in Erinnerung geblieben sein. Jones‘ Batman (und teilweise auch seine Charaktere im Allgemeinen) zeichnet sich vor allem durch unrealistische, sich verändernde Proportionen und starke Übertreibung aus. Batmans Ohren und Cape sind bei Jones abnormal lang und vor allem der Umhang scheint ein Eigenleben zu führen. Auch die anderen Figuren sehen mitunter recht bizarr und manchmal schon fast übertrieben cartoonartig aus. Darüber hinaus erscheinen seine Gesichter oft recht „beliebig“, sofern es keine eindeutigen Merkmale gibt fällt das Wiedererkennen oft recht schwer und das Antlitz einer Figur kann sich zwischen zwei Szenen stark verändern.
Oft hört man, Jones sei ein Zeichner, den man entweder liebt oder hasst, ich bin allerdings der Meinung, dass man das Ganze ein wenig differenzierter betrachten muss. In der gewöhnlichen Batman-Monatsserie, für die Jones in den 90ern einige Zeit lang die Zeichnungen beisteuerte, wirkt sein Stil zum Teil Fehl Platz, insbesondere, wenn die erweiterte Bat-Familie (Robin, Nightwing, Huntress etc.) involviert ist. Für diese „normalen“ Abenteuer eignet sich jemand wie Graham Nolan, der zeitgleich an der Batman-Serie „Detective Comics“ arbeitete, um einiges besser. Bei Elseworld-Geschichten (d.h. Was-wäre-wenn-Geschichten, in denen die DC-Helden in andere Settings verfrachtet oder anderweitig verändert werden), wie zum Beispiel „Batman: Haunted Gotham“ oder natürlich dem Sujet dieses Artikels (beides verfasst von Doug Moench) sieht es allerdings wieder anders aus.
Bei „Batman – Vampire“ handelt es sich eigentlich um eine Trilogie bestehend aus „Batman & Dracula: Red Rain“, „Batman: Bloodstorm“ und „Batman: Crimson Mist“, in der der Dunkle Ritter nicht nur mit dem König der Vampire konfrontiert wird, sondern in deren Verlauf er sogar selbst zum Blutsauger wird. Mein Review basiert auf dem US-Paperback, das alle drei Teile beinhaltet. Zwar hat Panini die Trilogie vor einigen Jahren als Einzelausgaben auch auf Deutsch gebracht, an diese kommt man allerdings wohl nicht mehr sehr gut heran.
Die Prämisse des ersten Teils ist sehr einfach: Dracula hat Gotham City als neues Jagdgebiet auserkoren und lässt sich in der Stadt nieder, um die Legion seiner blutsaugenden Anhänger zu vergrößern. Dies bleibt jedoch nicht unbemerkt: Leichen mit zerfetzten Kehlen werden gefunden, die nach einiger Zeit verschwinden. Sowohl die Polizei als auch Batman stehen vor einem Rätsel. Dazu kommt noch, dass der Dunkle Ritter von merkwürdigen erotischen Träumen geplagt wird und eine Veränderung an seinem Körper feststellt. Schon bald stößt Batman auf Dracula und dessen abtrünniges Kind Tanya, welches sich als Ursache für die Träume herausstellt. Letztere hofft, Batman im Kampf gegen den Fürsten der Vampire einsetzen zu können und gibt ihm deshalb von ihrem Blut, sodass sich seine Kräfte erhöhen.
Gerade bei diesem ersten Teil der Trilogie fällt auf, dass Kelley Jones‘ Zeichnungen noch relativ „zahm“ sind, der Grad an Abstraktion und Surrealismus hält sich noch in Grenzen. Zwar macht Batmans Umhang schon, was er will und auch die Ohren sind mitunter sehr lang, allerdings sind die Proportionen bei weitem noch nicht so übertrieben und bizarr wie in späteren Werken wie seinen Beiträgen zur monatlichen Batman-Serie oder den anderen beiden Teilen der Trilogie – „Red Rain“ gehört zu Jones‘ frühesten Arbeiten. Dennoch, gerade zu dieser Thematik passt der abstrakte Zeichenstil wie die Faust aufs Auge. Die Geschichte ist unheimlich atmosphärisch und sehr gotisch, nicht zuletzt dank des namensgebenden roten Regens (erzeugt durch Chemikalien und Umweltverschmutzung, quasi ein besonders bösartiger saurer Regen). Auch Doug Moench, ein altgedienter Batman-Autor und Erfinder des Schurken Black Mask, beweist, wie gut er mit dem Dunklen Ritter und der Thematik umgehen kann. Die Handlung ist stringent und spannend, die Zweifel und die Veränderungen, die Batman durchmacht stets greifbar. Die einzige Schwachstelle – sowohl erzählerisch als auch zeichnerisch – ist der Schurke. Dracula sieht leider völlig austauschbar aus, wenn er nicht gerade als riesiges Fledermausungetüm Gotham unsicher macht und außer dem Namen gibt es auch weder Verbindungen zu Stokers Roman noch zu Vlad dem Pfähler. Dracula funktioniert zwar als Antriebsmotor der Geschichte, ist darüber hinaus allerdings ein ziemlich uninteressanter Widersacher. Man merkt, dass der Fokus eindeutig auf Batman und Tanya liegt. Um den König der Vampire endgültig zu besiegen, müssen beide letztendlich große Opfer bringen: Erstere verliert ihr Leben (bzw. ihre Existenz), während Letzterer seine Menschlichkeit einbüßt und selbst zum Vampir wird.
„Bloodstorm“ schließt direkt daran an und erzählt, wie Batman versucht, trotz seiner untoten Existenz weiter seinen Standards gerecht zu werden und das Verbrechen wie bisher zu bekämpfen. Das wäre allerdings wohl etwas einfacher, wenn nicht der Joker damit beginnen würde, sich einzumischen. Der stets grinsende Irrsinnige hat mitbekommen, dass einige von Draculas Kindern überlebt haben und schafft es durch seine Überredungskunst (zugegeben, die Vampire sind nicht allzu hell), diese für sich einzuspannen, um Spaß zu haben und Gotham City in einer roten Flut zu ertränken.
Mit „Bloodstorm“ greifen Monch und Jones stärker in die Horror, bzw. Splatterschublade. Die Zeichnungen werden abstrakter und expliziter (es werden schon mal Herzen aus dem Leib gerissen und Gesichter vom Schädel abgezogen) und alles in allem wird’s etwas abstruser, spätestens ab dem Zeitpunkt, ab dem Catwoman mitmischt, und zwar als „Werkatze“. Der Grund für ihre allnächtlichen Verwandlungen ist dabei ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Allgemein ist die Geschichte weniger gut durchdacht als „Red Rain“, der Plot ist weniger stringent und weist hin und wieder Logiklöcher und Absurditäten auf, die nicht hätten sein müssen. Dafür gibt es dieses Mal einen weitaus stärkeren Antagonisten. Zwar fehlt es dem Joker ebenfalls etwas an Motivation, allerdings gehört genau diese scheinbare Beliebigkeit zu den stets vorhandenen Charakterzügen des Jokers (hervorragend erklärt in Grant Morrisons „Arkham Asylum“). Auch Batmans Charakterisierung wird glaubhaft fortgeführt, der Kampf des Dunklen Ritters gegen den eigenen Blutdurst gehört zu den großen Stärken des zweiten Teils. Das Ende ist konsequent: Nachdem Batman in einem einzigen schwachen Moment nachgegeben hat und das Blut des Jokers trinkt, wird er (auf eigenen Wunsch) von Alfred und Gordon gepfählt. Und das hätte das Ende sein können, gäbe es nicht noch einen dritten Teil. Im Gegensatz zu „Bloodstorm“ („Red Rain“ endete ja praktisch mit einem Cliffhanger) wirkt das Finale der Trilogie, „Crimson Mist“, ein wenig angeklebt und erzwungen.
Nach Batmans scheinbar endgültigem Verschwinden wird alles nur noch schlimmer, denn nach und nach tauchen sämtliche Mitglieder von Batmans Schurkengallerie (wieder) auf, um Gotham zu terrorisieren. Um dem wachsenden Unheil einhaltgebieten zu können entfernt Alfred den Pflock aus Batmans Herz, doch das Blut des Jokers hat den Dunklen Ritter endgültig verdorben: Batman ist zu einem verwitterten, von Blutlust getriebenem Monster geworden, dass sich nur noch mühsam zügeln kann und seinen gewaltigen Durst auf die Feinde Gothams konzentriert – jedenfalls vorerst. Doch bald wird Gordon und Alfred klar, dass Batman schon bald Unschuldige angreifen wird, weshalb sie sich gezwungen sehen, einen Pakt mit dem Teufel (sprich: Two-Face und Killer Croc) zu schließen, um ihren ehemaligen Freund und Verbündeten aufhalten zu können.
Auffällig ist hier vor allem, dass Batmans Feinde hier weitaus düsterer und brutaler interpretiert werden als in den normalen Comics und alle eher in Richtung Serienkiller gehen. Poison Ivy scheint nur noch sadistischen Gefallen daran gefunden zu haben, Männer zu Tode zu küssen, Croc zerfleischt Prostiuiert, Scarecrow jagt nicht nur Angst ein, sondern köpft seine Opfer hinterher, der Riddler versteckt Drogen in Leichen und selbst der Pinguin macht sich selbst die Hände schmutzig. Lediglich Two-Face und Black Mask entsprechen ungefähr ihren Gegenstücken innerhalb der Kontinuität. Moench und Jones nutzen gnadenlos die Möglichkeiten der Elseworlds und nehmen genüsslich alles auseinander, ein Schurke nach dem anderen wird vom monströsen Vampir-Batman ausgesaugt. Das hat natürlich auch zur Folge, dass der Titelheld einiges an Tiefe verliert. Zwar gibt es ein, zwei Szenen, in denen er reflektiert, aber dennoch besteht „Crimson Mist“ größtenteils aus Szenen, in denen Batman seine diversen Widersacher auf äußerst blutige Art und Weise meuchelt. Sofern man für recht düstere Horror- und Splattereinlagen etwas übrig hat, ist das durchaus spaßig, allerdings ist das ganze doch recht episodenhaft, erst gegen Ende nimmt die Handlung wieder Fahrt auf und führt zu einem Showdown á la „Hamlet“.
Es sei hier noch erwähnt, dass „Batman – Vampire“ wegen der doch ziemlich expliziten und Horror- und Splatterelemente absolut nichts für jüngere Leser ist und zu den Batman-Geschichten gehört, die auch beim Vertigo-Label ziemlich gut aufgehoben wären.
Fazit: „Batman – Vampire“ ist eine äußerst gelungene und extrem atmosphärische Elseworld-Geschichte, die aus ihrer Prämisse so gut wie alles herausholt, was möglich ist und zu der Kelley Jones‘ abstrakte und düstere Zeichnungen wunderbar passen. Vor allem „Red Rain“ gehört mitunter zu den besten Batman-Geschichten, „Bloodstorm“ und „Crimson Mist“ sind durchaus würdige Fortsetzungen, auch wenn Autor und Zeichner bei diesen beiden Teilen der Trilogie etwas zur Übertreibung neigen.


Kelley Jones‘ Arbeit in „Red Rain“


Kelley Jones‘ Arbeit in „Bloodstorm“


Kelley Jones‘ Arbeit in „Crimson Mist“

Der TDKR-Countdown:
Prämisse
Batman Begins – Soundtrack
BB: Meltdown
New 52: Batman 1
Bane
The Dark Knight – Soundtrack
The Dark Knight Rises

Siehe außerdem:
Der Joker
Batman: Year One
Batman: The Long Halloween
Batman – Joker: Des Teufels Advokat
Batman: Schatten über Gotham

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