The Music of The Lord of the Rings Films


Schon als ich 2001 in „Die Gefährten“ im Kino saß, war ich von Howard Shores bombastischer Musik mächtig beeindruckt, auch wenn ich damals noch nicht wusste, wer sie komponiert hatte. Es sollte allerdings ein Jahr dauern, bis ich mit der Musik zu „Die Zwei Türme“ meine erste Howard Shore CD, und damit auch meinen ersten Soundtrack überhaupt, besaß. Aber schon damals, oder spätestens beim Score zu „Die Rückkehr des Königs“, stellte ich fest, dass die handelsüblichen Aufnahmen der Filmmusik zu Peter Jacksons Trilogie unvollständig waren. Über die Jahre wuchs meine Liebe zu Shores musikalischer Interpretation von Tolkiens Werken, und damit wuchs auch mein Verlangen, einerseits mehr Informationen über die Scores zu haben und andererseits endlich die komplette Musik zu besitzen, da viele der besten Stellen, wie etwa der Einsatz des Reich Gondors Themas in Elronds Rat oder die Für Frodo-Variation des Gefährten Themas fehlten. Mit den Complete Recordings, den downloadbaren Annotated Scores und schließlich dem Sujet dieses Artikels, dem ersten Sachbuch zu Howard Shores Meisterwerk, sind diese Wünsche nun endlich erfüllt. Doug Adams, ein Filmmusikjournalist, der von Howard Shore persönlich ausgewählt wurde, den Entstehungsprozess der Scores zu dokumentieren, zeichnet sich sowohl für die Annotated Scores als auch für „The Music of The Lord of the Rings Films“ verantwortlich und hat bei beiden wirklich ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Das Buch beginnt mit einem Vorwort von Shore und einer Einführung von Fran Walsh, Peter Jacksons Ehefrau und Co-Autorin des Filmdrehbuchs. Im Folgenden geht Adams zuerst auf den Kompositionsprozess ein, um dann anschließend erst einmal alle Themen, Leit- und Untermotive ausführlich zu erläutern. Der nächste Teil erläutert genau auf die Struktur der Musik im Film und verwendet dabei die Unterteilung er Complete Recordings. Im letzten Teil schließlich wird der Aufnahmeprozess dokumentiert, gefolgt von den Anhängen über spezielle Instrumente, Solokünstler und den Inhalt der Bonus-CD (zu dieser später mehr).
Zugegeben, der Teil, der sich mit der genauen Entschlüsselung der Musik beschäftigt, ist den Annotated Scores sehr ähnlich, allerdings wurde das Material durchaus erweitert. Neben allen Chortexten in Englisch und der „Originalsprache“ (Sindarin, Quenya, Andunäisch etc.) gibt es noch mehr Informationen und auch Notenbeispiele. Noch interessanter ist natürlich die genaue Beschreibung der Themen, die ich in den Annotated Scores schon vermisst hatte und die nun endlich geliefert wird. Auch hier gibt es zu jedem Thema Notenbeispiele. Darüber hinaus erzählt Adams genau, wofür dieses und jenes Thema steht, was charakteristisch an ihm ist, wie es sich entwickelt und auf welche Weise es mit anderen Themen verflochten ist. Auch die Teile über Entstehungs- und Aufnahmeprozess sind hochinteressant. Doug Adams Texte sind dabei gut lesbar und auch für einen musikalischen Laien wie mich sehr gut verständlich. Die Lektüre dieses Buches hilft wirklich ungemein, die wahre Genialität von Howard Shores leitmotivischer Struktur zu erkennen.
Und noch ein paar Worte zur Gestaltung: Das Buch selbst ist wirklich wunderschön; schweres Hardcover mit Umschlag, wodurch ein ziemlich edler Eindruck entsteht. Innen gibt es viele gelungene Bilder, sowohl Filmaufnahmen als auch filigrane Zeichnungen von John Howard und Alan Lee.
Ein weiterer Höhepunkt ist die beigelegte Bonus-CD „The Rarieties Archives“, welche alternative Kompositionen und Mock-ups (Synthesizer-Probeaufnahmen der Themen) enthält.
Da diese CD wirklich gelungen ist, werde ich im Folgenden näher auf die einzelnen Stücke eingehen.

01 Prologue: One Ring to Rule Them All (Alternate)
Schon dieses erste Stück erweist sich als Juwel. Es enthält, wie der Titel bereits andeutet, eine alternative Version des Prologs, die ähnlich beginnt wie The Prophecy (das Prolog-Stück des normalen Soundtracks zu „Die Gefährten“, das Material enthält, welches im Film gar nicht auftaucht). Das wirklich tolle an dieser Version des Prologs ist die Verwendung des Reich Gondors Themas, das hier in einer prächtigen Variation auftaucht, die die Niedergang Gondors und die Aufstieg Gondors Varianten vereint und ein junges und starkes Menschenreich symbolisiert. Ich habe mich wirklich in diese Variation verliebt und finde es verdammt schade, dass sie letztendlich nicht im Film gelandet ist, da Shore den Zuschauer nicht mit Themen überladen wollte.

02 The Shire/The Hobbits (Mock-up)
Hierbei handelt es sich um eine frühe Syntheziser-Version des Hobbit/Auenland Themas; nicht wirklich spektakulär, aber durchaus interessant.

03 Out Form Bree (Theatrical Version & Alternate)
Diese Stück lässt sich in zwei Teile unterteilen: Der erste beinhaltet die Kinoversion des Auszugs aus Bree, die sich von der der Extenden Editions unterscheidet, die wiederum über die Complete Recordings abgedeckt ist. Der zweite Teil enthält einen alternativen Soundtrack zu der Szene, in der die Zerstörung Isengarts beginnt. Ursprünglich sollte das Isengart Thema bereits hier erklingen, was es hier, zusammen mit dem ebenfalls nicht verwendeten Chorsatz „Eat All the World“ in Schwarzer Sprache, auch tut – im fertigen Film dagegen ist die Szene größtenteils ohne Musik, da man sich entschloss, das Isengart Thema erst einzusetzen, wenn das Zauberertal fertig industrialisiert ist. Dieses Konzept ist durchaus nachvollziehbar, aber da ich das Isengart Thema sehr schätze, gefällt mir auch dieses Stück sehr gut.

04 Fligth to the Ford
Diese Version von Arwens und Frodos Flucht zur Furt enthält neben dem Thema der Ringgeister noch das Chorstück „Flood at the Ford of Bruinen“, das ich, gelinde gesagt, nicht besonders gelungen finde. Das Stück ist interessant, aber anders als bei der nicht verwendeten Gondor-Variation bin ich ganz froh darüber, dass es letztendlich verworfen wurde.

05 Moria (Mock-up)
Hierbei handelt es sich um eine sehr frühe Synthesizer-Version des Moria Themas, die kaum etwas mit dem späteren Leitmotiv zu tun hat. Auch hier: Ganz interessant, aber nicht wirklich überwältigend.

06 The Fighting Uruk-hai (Alternate)
Der zweite nicht verwendete Einsatz von “Eat All the World”, gefolgt vom Isengart Thema. Eigentlich ist dieses Stück fast schon überflüssig, aber ich finde das Isengart Thema einfach toll.

07 The Argonath
Und gleich nochmal Isengart, dieses Mal aber in wirklich sinnvollem Rahmen, denn dem Isengart Thema folgt hier eine Alternative Version der Argonath-Szene. Statt des Geschichte des Ring Themas, das hier eigentlich erklingt, wollte Shore ursprünglich eine Variation vom Niedergang Gondors verwenden, die auf die einstmalige Größe des Reiches deutet. Eine wirklich schöne Alternative, auch wenn die Filmversion letztendlich die bessere Wahl war, um das Vorankommen des Rings zu untermalen.

08/09 Gwenwin in în (Arwen’s Song Mock-up und Complete)
Diese zwei Tracks fasse ich in einem zusammen; es handelt sich hierbei um die Roh- bzw. Komplettfassung von Arwen’s Song, der ursprünglich für die Vision von ihrem Sohn Eldarion geschrieben wurde, welche widerrum ursprünglich in „Die Zwei Türme“ vorkommen sollte. Aber schließlich wurde die Vision in den nächsten Film verschoben und das Lied zu der Szene, in der Éowyn in den Häusern der Heilung behandelt wird. Das ändert aber letztendlich leider nichts daran, dass dieses Lied zu den wenigen Stücken des Soundtracks gehört, die mich relativ kalt gelassen haben. Es passt ganz gut zur Szene, aber ansonsten hat es nicht viel zu bieten, ich hätte keine weiteren Versionen davon gebraucht.

10 Emyn Muil (Alternate)
Dieses Stück ist eine Alternativversion von Lost in Emyn Muil. Während in der Version, die letztendlich im Film gelandet ist, eher die Gefühle der Protagonisten beschrieben werden, wird in der ersten Version durch die Verwendung des Chorstücks „The Road to Mordor“ eher die Landschaft beschrieben. Beide Versionen haben einen gewissen Charme, aber die Gewählte ist letztendlich auch die bessere.

11 The Rohan Fanfare (Mock-up)
Synthesizer-Probe des Rohan Themas in seiner elegischen Variation. Nicht besonders überraschend.

12 The Eaves of Fangorn
Dieses Stück ist wirklich interessant, da es von einer früheren Schnittversion von „Die Zwei Türme“ stammt. Es reicht von der Szene, in der Aragorn, Gimli und Legolas über die Hochebene von Rohan rennen bis zur Tötung der Uruk-hai durch die Reiter von Rohan. Dabei wird klar, dass dieser Teil des Films ursprünglich um einiges kürzer war; das Gefährten Thema geht direkt in das Isengart Thema über, ohne dass das Motiv von Sauron dazwischengeschoben wird, die Verbannung Éomers fehlt ebenfalls und statt dem Rückforderung der Natur Thema, das in der finalen Version gespielt wird, als Merry Pippin vom Alten Wald erzählt, erklingt hier das Thema der Ents.

13 The Ent Theme (Mock-up)
Eine weitere Probeversion, dieses Mal vom oben erwähnten Thema der Baumhirten.

14 The Return of the King Trailer
Die Musik zum Trailer des dritten Films, soweit sie von Shore geschrieben wurde. Ein weiteres Mal ist eine neue Variation des Reich Gondors Themas in seiner Aufstiegs-Variante zu hören. Und das es sich mit diesem Thema verhält wie mit Isengart (ich liebe es) ist auch dieser Track ein Volltreffer.

15 The Gondor Theme (Mock-up)
Das mit Abstand interessanteste Mock-up der CD. Die Version von Reich Gondors (Aufstieg) ist, im Gegensatz zur Filmversion, in Dur und klingt alles in allem freundlicher und hat einen leichten mittelalterlich-hoheitlichen Touch. Zu gerne hätte ich diese Variation orchestriert gehört.

16 The Muster of Rohan (Alternate)
Eine andere Version des Stückes Andúril – Flame of the West der Complete Recordings, komponiert für eine unterschiedliche Schnittfassung. Besonders das Bruchtal Thema wird deutlicher herausgearbeitet.

17 The Siege of Gondor (Alternate)
Dieses Stück ist eine stark abgespeckte Version des gleichnamigen Stücks der Complete Recordings (bzw. umgekehrt; die Musik, die im Film vorkommt, ist letztendlich eine stark erweiterte Version dieses Stückes). Dabei fehlen vor allem die leitmotivischen Einspielungen dieser Szene, u.a. das Auftauchen von Reich Gondors, der Gefährten und einiger weiterer. Die fertige Version ist da um einiges üppiger und interessanter.

18 Shieldmaiden of Rohan (Alternate)

Dieses Stück taucht in den Complete Recordings bzw. der Extended Edition in einer längeren Fassung auf, wodurch allerdings das Reich Gondors im Aufstieg durchbrochen wird, mit dem Aragorn auf dem Schlachtfeld unterlegt wird; hier ist es am Stück enthalten. Was soll ich sagen – Gondor kommt vor und ich bin hin und weg.

19 Sammath Naur (Alternate)
Eine interessante und längere musikalische Untermalung der Zerstörung des Rings, in der die Themen Geschichte des Rings und Gefährten quasi miteinander ringen, wobei die Gefährten natürlich als Sieger hervorgehen.

20 Frodo’s Song (Into the West Alternate /Mock-up)
Hierbei handelt es sich um eine Alternative zu Into the West, dem Abspannsong von “Die Rückkehr des Königs”, der statt dem Thema der Grauen Anfurten das Auenland Thema als Grundlage hat. Leider nicht wirklich überzeugend.

21 Elanor (Alternate)

Ursprünglich hätte in diesem Stück, das Sams Rückkehr von den Grauen Anfurten untermalt, noch eine letzte Variation des Gefährten Themas enthalten sollen. Und in der Tat wirkt die heroische Fanfare am Schluss ein wenig fehl am Platz – nichts desto trotz freue ich mich über eine weitere Version meines Lieblingsthemas.

22/23 In Conversation
Eine interessante Unterhaltung zwischen Doug Adams und Howard Shore über den Score.

Fazit: „The Music of The Lord of the Rings Films“ ist das Buch, auf das ich seit Jahren gewartet habe, und das Warten hat sich wirklich gelohnt. Erst durch Doug Adams ausführliche Erläuterungen wird einem klar, wie vielschichtig und genial Howard Shores Score wirklich ist. Auch die Bonus-CD ist vollkommen gelungen und enthält tolle neue Variationen meiner Lieblingsmotive, insbesondere des Reich Gondors Themas.
Jetzt muss ich das Buch nur noch vollends auswendig lernen, dann bin ich bereit für den Soundtrack zur Verfilmung von „Der Hobbit“.

Siehe auch:
Stück der Woche: For Frodo
Rückforderung der Natur

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