Die Saat


Der Großteil der aktuellen Vampirneuerscheinungen ist meistens romantischer und/oder erotischer Natur. Guillermo del Toros und Chuck Hogans „Die Saat“ (welches ich in Hörbuchform, von David Nathan gelesen, konsumiert habe) hebt sich von der grauen Masse durch in der heutigen Zeit fast schon innovativen Traditionalismus ab. Das Autorenduo erfindet dabei ganz sicher das Rad nicht neu, „Die Saat“ bewegt sich ganz eindeutig auf klassischen Spuren und leugnet das auch nicht, aber es ist schön, wenn die Vampire einfach mal wieder nur böse sind.
Der Plot erinnert im Groben ein wenig an „Dracula“, ist allerdings keine Eins-zu-Eins Übertragung in die Moderne wie John Marks‘ „Der Vampir“. Die Handlung beginnt mit der Landung einer Boeing 777 am JFK-Airport in New York. Schnell wird klar, dass einiges hier nicht mit rechten Dingen zugeht, denn alle Menschen an Bord bis auf vier sind tot. Dieser Umstand ruft Doktor Ephraim Goodweather von der Seuchenschutzbehörde auf den Plan, doch weder er, noch seine Kollegen sind auf das vorbereitet, was an Bord des Flugzeuges nach Amerika gekommen ist, nämlich die schlimmste vorstellbare Seuche überhaupt: Der Vampirismus, in Gestalt des Ältesten Jusef Sardu.
Der einzige, der Goodweather helfen kann, ist Professor Abraham Sektrakian, ein Überlebender des Holocaust, der bereits zuvor mit Sardu zu tun hatte. Zusammen mit einigen Helfern müssen die beiden nun versuchen, das „Virus“ aufzuhalten, bevor es sich unaufhaltsam ausbreitet.
Spontan würde ich annehmen, dass es zwei Haupteinflussquellen für „Die Saat“ gibt. Die eine ist natürlich Dracula, was sich schon an den vielen mehr oder weniger versteckten Anspielungen zeigt. Die Boeing 777 erinnert stark an die in Whitby einlaufende Demeter, Jusef Sardu weist eindeutig den einen oder anderen „draculösen“ Zug auf, inklusive osteuropäischer Herkunft und Setrakian trägt den Vornamen Abraham wohl auch nicht zufällig.
Die zweite Einflussquelle ist einer von del Toros Filmen, nämlich (leider?) der offensichtlichste: „Blade 2“. In gewisser Weise ist das durchaus schade; die philosophische Ebene, die zum Beispiel „Pans Labyrinth“ oder „Hellboy 2“ auszeichnete, fehlt in „Die Saat“. Stattdessen gibt es reichliche und ziemlich deftig-blutige Horroraction und, wie auch schon in „Blade 2“, eine eher wissenschaftliche Herangehensweise an die Vampire. Zudem erinnern sie sogar ein wenig an die Reaper aus oben erwähntem Film. Darüber hinaus zeichnet sich der Roman vor allem durch einen gut und atmosphärisch aufgebauten Anfang aus. Besonders die langsame Wandlung der vier Überlebenden des Fluges halte ich für enorm gelungen und interessant. Der Schlussteil dagegen wirkt ein wenig überhastet; am Ende geht alles sehr schnell und fast ein wenig zu unspektakulär.
Der eigentliche Protagonist, Ephraim Goodweather, erfüllt seinen Zweck ganz gut, auch wenn der geschiedene, seinen Sohn liebende Vater relativ klischeehaft und in letzter Zeit etwas überstrapaziert ist („Krieg der Welten, „2012“ etc.) Auch Abraham Setrakian ist nicht wirklich innovativ und erinnert stark an eine Kombination aus seinem Namenspatron aus „Dracula“ und Whistler aus der „Blade“-Reihe, der zu allem Überfluss ebenfalls denselben Vornamen trägt.
Einerseits hätte man durchaus mehr erwarten können, aber andererseits ist es auch schön, sich einen kurzweiligen Vampirthriller zu Gemüte zu führen, der sich der Flut der Twilight-Trittbrettfahrer entgegenstellt.
Die actionreiche, sehr filmische Handlung gibt darüber hinaus auch David Nathan (u.a. deutsche Synchronstimmte von Christian Bale und Johnny Depp) die Gelegenheit, ein weiteres Mal zu beweisen, dass er ein erstklassiger Sprecher ist und sich gerade für Spannungsliteratur wunderbar eignet.
Fazit: Kurzweilig, actionreich, blutig und absolut nicht romantisch, alles von David Nathan hervorragend interpretiert. Monströse Vampire waren einfach mal wieder nötig.