Mein Verhältnis zum amerikanischen Horror-Autor Howard Phillips Lovecraft ist durchaus als zwiespältig zu bezeichnen. Einerseits ist sein Stil unglaublich sperrig und verstaubt, und zwar sehr präzise, dabei aber auch oftmals extrem ermüdend. Und, seien wir ehrlich, ein Meister der atemlosen Spannung ist er auch nicht gerade, dazu sind seine Ausführungen viel zu weitschweifig und er selbst wirkt zu distanziert.
Bei vielen anderen Autoren wären dies bereits Tatsachen genug, sie links liegen zu lassen. ABER Lovecrafts Werke besitzen ein ganz besonderes Etwas. Nicht ihr Stil ist es, was sie zu etwas besonderem macht, auch nicht die eigentliche Handlung (die meistens recht ähnlich angelegt ist und für gewöhnlich zum Großteil aus Nachforschungen des/der Protagonisten besteht), sondern die Ideen und die Atmosphäre. Das Grauen, das in Lovecrafts Horrorgeschichten zu finden ist, ist kein „alltägliches“. Lovecraft braucht keine alten Friedhöfe und Spukschlösser, keine Splattereffekte, Vampire, Geister oder Folterexzesse, damit einem die Gänsehaut den Rücken hinunterläuft. Was seine Storys unheimlich macht, ist der bloße Gedanke an die unheimliche Macht uralter Wesen, die dabei nicht einmal selbst in Erscheinung treten. Die bloße Vorstellung, dass uralter, gottgleiche Wesen existieren, gegen die man als Mensch nicht kämpfen, ja, die man nicht einmal verstehen kann, schafft es, eine ganz besondere Art des Horrors zu erschaffen. Unterstützend wirkt auch die Tatsache, dass Tod und Wahnsinn die einzigen Möglichkeiten sind, dem zu entkommen, wenn man das entsprechende Wissen erst einmal erlangt hat.
Die perfekte Möglichkeit, sich Lovecraft zu Gemüte zu führen, besteht in den Hörspielen von Titania Medien (hierzu folgt bald Weiteres) und den Hörbüchern von LPL-Records.
LPL-Records ist ein Label des Hörbuch-Giganten Lübbe Audio, das nach dem Leiter (Lars Peter Lueg) benannt ist und sich auf Grusel- und Horrorliteratur spezialisiert hat („Gänsehaut für die Ohren“). Auf das Konto von LPL geht unter anderem die großartige Vertonung von Brian Lumleys Vampirsaga „Necroscope“. Im Jahr 2002 begann das Label damit, die Geschichten Lovecrafts von den besten deutschen Sprechern zu vertonen lassen. Das erste Produkt der Hörbuchreihe „H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens“ ist die Kurzgeschichtensammlung „Der Cthulhu Mythos“, die auch einige Geschichten von anderen Autoren enthält, allerdings sind diese von Lovecraft und dem Mythos der „Großen Alten“ inspiriert.
Enthalten sind:
– „Der Ruf des Cthulhu“ von H. P. Lovecraft
– „Der Schwarze Stein“ von Robert E. Howard
– „Die Glocke im Turm“ von H. P. Lovecraft und Lin Carter
– „Warum Abdul Al Hazred dem Wahnsinn verfiel“ von D. R. Smith
– „Dagon“ von H. P. Lovecraft
– „Ein Porträt Torquemadas“ von Christian von Aster
Diese Geschichten bieten einen schönen Querschnitt aus 74 Jahren Mythos-Geschichten. „Der Ruf des Cthulhu“ von 1928 ist natürlich unverzichtbar, da mit dieser Geschichte eigentlich alles begann; hier verwendete Lovecraft zum ersten Mal die Großen Alten, allen voran natürlich Cthulhu. Obwohl Lovecraft selbst diese Geschichte in späteren Jahren nicht mehr sonderlich schätzte und in der Tat später noch bessere Geschichten verfasst hat, enthält sie doch eine ordentliche Portion des oben beschriebenen Schreckens.
„Der Schwarze Stein“ von Robert E. Howard (u.a. bekannt für „Conan, der Barbar“) hat, wenn überhaupt nur bedingt etwas mit dem Cthulhu-Mythos zu tun. Die Grundstimmung ist der in Lovecraft zu findenden allerdings sehr ähnlich, weshalb die Geschichte durchaus dazu passt.
Bei die „Die Glocke im Turm“ handelt es sich um eine Geschichte, die von Lovecraft begonnen und von Lin Carter viele Jahre nach Lovecrafts Tod vollendet wurde. Ich persönlich finde sie sogar ein wenig spannender als „Der Ruf des Cthulhu“, wenn auch nicht ganz so informativ.
„Warum Abdul Al Hazred dem Wahnsinn verfiel“ fällt in meinen Augen ein wenig aus dem Rahmen. Zwar beschäftigt sich diese Story von D. R. Smith direkt mit den Großen Alten, passt aber so gar nicht zu Lovecrafts Art, da die alten Götter hier gewissermaßen direkt auftauchen und auch noch besiegt werden.
„Dagon“ könnte man gewissermaßen als Fingerübung verstehen, diese Geschichte wirkt ein wenig wie die Rohfassung von „Der Ruf des Cthulhu“ und ist in meinen Augen die schwächste des Hörbuchs.
„Ein Porträt Torquemadas“ schließlich, veröffentlicht im Jahr 2002, ist die neueste und in meinen Augen auch beste Geschichte der Sammlung. Christian von Aster hält sich strukturell sehr nahe an Lovecraft, allerdings ist seine Sprache weitaus angenehmer. Gekonnt schafft er es, den typischen, subtilen Grusel einer Mythos-Geschichte zu erschaffen und nebenbei auch noch die katholische Kirche intelligent zu kritisieren.
Was dieses Hörbuch allerdings so exzellent macht sind nicht nur die Geschichten, sondern auch die Sprecher. Joachim Kerzel, bekannt als deutsche Stimme von Jack Nicholson, Dustin Hoffman und Anthony Hopkins, macht seine Sache, wie bei jedem Hörbuch, das er interpretiert, ausgezeichnet. In der Tat ist Kerzel mein absoluter Lieblingssprecher, da er es mit seiner mächtigen Stimme schafft, dass alles, was er liest, atemlos spannend wird. Ich bin überzeugt, dass Kerzel auch eine Steuererklärung vorlesen könnte und man würde mitfiebern.
Ein weiterer Bonus ist das „Zusatzmaterial“ in Form eines kurzen Lebenslaufes von Lovecraft sowie eines Kommentars zu jeder der Geschichten, die vom Autor „selbst“ vorgetragen werden. Lovecraft wird dabei von David Nathan (Stimme von Johnny Depp) gesprochen, der ebenfalls sehr gute Arbeit leistet. Zwar kann er nicht ganz mit Kerzel mithalten, aber welcher Sprecher kann das schon?
Fazit: Ein wunderbares Hörbuch, perfekt vorgetragen von Kerzel und Nathan und wunderbar geeignet, um H. P. Lovecraft und seine Welt kennen zu lernen.
Siehe auch:
Berge des Wahnsinn
Prometheus – Dunkle Zeichen
Hellboy
Batman: Schatten über Gotham
LPL Homepage mit Hörproben