In Frank Millers „Batman: Year One“ erleben wir ein Gotham City, das von korrupten Politikern, Gangstern und Mafiabossen regiert wird. In den meisten späteren Batmancomics sind die Gegner des Dunklen Ritters zumeist Freaks, Irre und kostümierte Wahnsinnige. Was ist mit Gotham City wohl passiert? Wie wurde aus einer kaputten, aber noch „normalen“ Stadt eine Metropole der Geisteskranken? Dieser Frage nehmen sich Autor Jeph Loeb und Zeichner Tim Sale mit ihrer Miniserie „The Long Halloween“ an.
„The Long Halloween“ spielt in Batmans erstem Jahr, etwa sechs Monate nach den Ereignissen von „Batman: Year One“ und schließt sich diesem Meilenstein auch thematisch an. In besagter Graphic Novel ist nämlich ein Herr namens Carmine Falcone, genannt „Der Römer“, der mächtigste Gangsterboss der Stadt, und in „The Long Halloween“ wird er zu einer der Hauptfiguren. Ausgangssituation ist folgende: Falcone scheint machen zu können, was er will und somit über dem Gesetz zu stehen; er herrscht wie die antiken römischen Kaiser über Gotham als sein Imperium (daher auch der Spitzname).
Da liegt es natürlich nahe dass Batman, der die Ausrottung des organisierten Verbrechens anstrebt, in Falcone seinen Hauptfeind sieht. Bei seinem Krieg gegen den Römer hat der Dunkle Ritter zwei wichtige Verbündete: Harvey Dent, den Bezirksstaatsanwalt von Gotham City und James Gordon, einen Captain des „Gotham City Police Departements“ (kurz GCPD).
Doch natürlich wird die ganze Angelegenheit für das Dreierteam noch um einiges komplizierter, denn ein neuer Serienkiller geht in Gotham um: „Holiday“ tötet immer an Feiertagen, benutzt dabei immer dieselbe Waffe (eine Kaliber 22. mit einem Saugnapf als Schalldämpfer) und sucht sich seine Opfer aus demselben Umfeld: Mitglieder der Falcone-Familie.
Nun gilt es für Batman, Dent und Gordon einerseits, Falcone das Handwerk zu legen und andererseits „Holiday“ zu schnappen, doch beides erweist sich als äußerst schwierig, insbesondere, da die Liste der Verdächtigen sehr lang ist. Ist vielleicht Salvatore Maroni der Mörder, Falcones härtester Rivale um die „Herrschaft“ über Gotham City? Oder ist es die Diebin Catwoman, die ein eigenartiges Interesse am Römer zu haben scheint? Ist es Carla Viti, Falcones Schwester, die möglicherweise einen Groll gegen ihren Bruder hegt? Oder ist es vielleicht sogar Harvey Dent selbst, dem der legale Weg zu lange dauert und der Falcone auf illegalem Weg schwächen will? Das Rätsel um die Identität „Holidays“ wird immer verzwickter…
Jeph Loeb wird oftmals vorgeworfen, in seinen Geschichten möglichst vielen Figuren einen Auftritt zu ermöglichen. In der Tat haben auch in „The Long Halloween“ sehr viele klassische Schurken einen Gastauftritt; vom Joker über den Riddler bis zu Poison Ivy und dem Mad Hatter. Im Vergleich zu seinen späteren Werken wie „Batman: Hush“ oder „Superman/Batman: Public Enemies“ hält sich dieser Umstand bei „The Long Halloween“ allerdings noch in Grenzen, die Gastauftritte der Schurken sind sinnvoll und durchdacht, passen in die Handlung und sind, unter Betrachtung des Schlusses, beinahe unausweichlich, während sie bei den anderen Werken oftmals erzwungen wirken.
Der Hauptfokus der Geschichte liegt allerdings nicht auf Batmans Schurkengallerie, sondern auf der zu Anfang angesprochenen Frage. Eine weitere Intention der Macher war es, die tragische Geschichte Harvey Dents und seinen Werdegang zum Schurken Two-Face neu zu erzählen.
Reden wir nicht lange drum herum: Jegliche Ambition des Kreativteams geht vollkommen auf; Loeb und Sale präsentieren den Lesern mit „The Long Halloween“ nicht nur ihr persönliches Meisterwerk, sondern auch eine der besten Batmangeschichten überhaupt.
Anstatt einer gewöhnlichen Superhelden/Superschurken Geschichte, wie es sie auch bei Batman viel zu oft gibt, legen Loeb und Sale einen düsteren Noir-Thriller vor, der sich Zeit nimmt, eine gute und spannende Geschichte zu entwickeln, ohne dabei jemals langweilig zu werden. Die Figuren sind dabei sehr dreidimensional und glaubhaft, besonders Harvey Dent und Batman betreffend. Die Wandlung Dents ist nachvollziehbar und die ganze Tragik des Charakters wird beim Lesen deutlich.
Ebenso treffend ist die Charakterisierung Batmans, der hier jedem seiner Aspekte gerecht wird: Er prügelt sich mit Schurken und Gangstern, er löst als Detektiv kriminalistische Rätsel und fungiert als dunkles Symbol der Furcht. Selbst Bruce Wayne wird nicht vernachlässigt.
Aber nicht nur Inhalt, auch Form stimmt bei „The Long Halloween“. Atmosphärisch lässt sich die Geschichte wohl mit folgendem Satz am besten beschreiben: „Was, wenn Tim Burton bei ‚Der Pate’ Regie geführt hätte?“
Dies kommt vor allem daher, dass Batman neben seinen Schurken vor allem gegen die traditionelle Mafia kämpft, die sonst eher selten vorkommt. Diesen Umstand haben Loeb und Sale genutzt, um eine ganze Menge an Hommagen an Francis Ford Coppolas „Der Pate“ Trilogie einzubauen. Allein schon die Anfangsszene, in der Falcones Neffe Johnny Viti Hochzeit feiert, versetzt den Leser in die richtige Stimmung. Darüber hinaus hat Falcone selbst eine gewisse Ähnlichkeit zu Al Pacino und die Art, wie er an seiner Knopflochblume schnuppert, sollte jedem Filmfan bekannt vorkommen.
Tim Sales Zeichenstil, der sich vom „typisch amerikanischen Superheldenstil“ durchaus unterscheidet und ein wenig europäisch anmutet, passt dazu perfekt und hilft, die Atmosphäre zu erschaffen. Die Mischung aus Gothic-Ambiente á la Burton und der toll eingefangenen Mafiathematik ist wunderschön anzusehen.
Ebenfalls erwähnt werden sollte die herrliche düstere Kolorierung, die die Atmosphäre wirkungsvoll unterstreicht.
Das einzige Manko von „The Long Halloween“ ist, dass der Schluss irgendwie unbefriedigend wirkt, da das Rätsel nicht wirklich oder zumindest nicht vollständig gelöst ist. Das ist aber insofern nicht wirklich tragisch, da Loeb und Sale mit „Batman: Dark Victory“ eine mehr als überzeugende Fortsetzung nachgereicht haben.
Fazit: „The Long Halloween“ überzeugt dank toller Story, interessanter, glaubhafter Charaktere und toller Zeichnungen in fast jeder Hinsicht, sowohl als Krimi, als auch als Batmangeschichte. Nicht umsonst war dieser Comic eine der Hauptinspirationsquellen für „Batman Begins“ und „The Dark Knight“. „The Long Halloween“ zeigt, was man aus Batman alles machen kann.
Dent, Gordon und Batman schließen ein Bündnis
Tim Sales Interpreatation von Harvey Dent/Two Face
Carmine Falcone in bekannter Pose
Weitere Rezensionen von Batman-Comics:
Batman: Year One
Batman – Joker: Des Teufels Advokat
Batman: Schatten über Gotham
Batman – Vampire