Story: Wir schreiben das 15. Jahrhundert: Nach seinem Sieg über die Türken kehrt der Voivode Vlad Dracula (Gary Oldman) nach Hause zurück, nur um feststellen zu müssen, dass seine Frau (Winona Ryder) wegen einer falschen Nachricht seinen Tod betreffend Selbstmord begangen hat. Daraufhin schwört Dracula dem Glauben ab und wendet sich den Mächten der Finsternis zu – er wird zum Vampir.
400 Jahre später reist der junge Anwalt Jonathan Harker (Keanu Reaves) nach Transsylvanien, um dem mysteriösen Grafen Dracula mehrere Anwesen in London zu verkaufen. Schnell muss er allerdings feststellen, dass auf dem düsteren Schloss Draculas merkwürdige Dinge vorgehen. Spätestens nachdem Harker von drei verführerischen und unheimlichen Frauen „angegriffen“ wurde, wird ihm klar, dass Dracula kein Mensch, sondern eine Bestie ist.
Auch Harkers Verlobte Mina Murray (Winona Ryder) und deren Freundin Lucy Westenra (Sadie Frost) geraten bald mit dem nach England gereisten Grafen aneinander, da Dracula in Mina seine lange verstorbene Ehefrau zu erkennen glaubt. Kann der Vampir mit Hilfe des holländischen Wissenschaftlers Abraham van Helsing (Anthony Hopkins) noch aufgehalten werden?
Kritik: Die Zahl der Dracula-Verfilmungen geht in die Hunderte. Stokers Graf ist zusammen mit Sherlock Holmes die am öftesten verfilmte Romanfigur. Aber interessanterweise hält sich kaum eine dieser Leinwandadaptionen sehr nah an die Vorlage. In der Tat ist „Bram Stoker’s Dracula“, Francis Ford Coppolas Versuch, dem König der Vampire gerecht zu werden, der Film, der dem Roman noch am nächsten ist, und das trotz einiger massiver Änderungen. So stellen Coppola und sein Drehbuchautor James V. Hart eine direkte Verbindung zum historischen Vlad Tepes her und konstruieren zwischen Dracula und Mina eine richtige Liebesgeschichte, die weit über alle Andeutungen des Romans hinausgeht. Im Zuge dieser Liebesgeschichte wird auch das Ende geändert, in dem Mina den Grafen erlösen darf. Aber trotz all dieser Änderungen ist „Bram Stoker’s Dracula“ der einzige Film, der den Stationen des Romans, natürlich mit einigen Kürzungen, relativ genau folgt. Und er ist auch der einzige Film, in dem die Hauptfiguren nicht durcheinander gewürfelt werden. Was hatten wir da nicht schon alles: Lucy als Jonathan Harkers Verlobte, Doktor Seward als Lucys Vater, Mina als Arthur Holmwoods Frau; die Liste ließe sich noch sehr lange fortsetzen.
So weit so gut, aber relative Werktreue macht noch keinen guten Film. Ist „Bram Stoker’s Dracula“ gelungen? In meinen Augen voll und ganz. Ich gehe sogar noch weiter: „Bram Stoker’s Dracula“ ist mein Lieblingsfilm von Francis Ford Coppola. Ich gebe dabei durchaus zu, dass „Der Pate“ und „Apocalypse Now“ objektiv betrachtet (so weit das überhaupt möglich ist) die besseren Filme sind. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich „Dracula“ lieber mag.
Das fängt schon bei der Atmosphäre an, die wirklich unheimlich dicht ist. Ich liebe viktorianisches Setting und Gothic Horror, und Coppola schafft es perfekt, diese Stimmung(en) zu inszenieren. Ausstattung, Kulissen und vor allem Kostüme schaffen düstere, üppige und manchmal fast surreal anmutende Bilder.
Einen großen Anteil an der atmosphärischen Dichte hat natürlich auch die Musik des polnischen Komponisten Wojciech Kilar. Diese besteht eigentlich nur aus etwa vier verschiedenen Themen, die allerdings so geschickt variiert werden und die Stimmung des Films so gut treffen, dass dieser Umstand schlicht nicht auffällt.
Beeindruckend ist auch die Schauspielerleistung der beiden „großen Gegenspieler“ Dracula und Van Helsing. Die Leinwandpräsenz von Anthony Hopkins und Gary Oldman ist derart mächtig, dass fast alle anderen dagegen blass wirken. Hopkins spielt „seinen“ Van Helsing weit ab von der stoischen und kalten Ruhe eines Peter Cushing; dieser Vampirjäger ist ein Exzentriker, ein Verrückter, ein Getriebener. Übertroffen wird er dabei nur von Gary Oldman, der einen Vampir spielt, wie man ihn sich besser nicht wünschen könnte. Oldman ist ein extrem vielschichtiger Schauspieler, der in den verschiedensten Rollen voll überzeugen kann, und sein Dracula ist fast ebenso vielschichtig: Egal ob nach Liebe hungernder Verdammter, tückischer Planer oder bestialischer Jäger, Oldman stellt alles glaubhaft dar, im Gegensatz zu Robert Pattinson, der, trotz aller Glitzereffekte, einfach nicht wie ein Raubtier wirkt.
Eine besondere Erwähnung verdienen noch die Verweise auf Murnaus „Nosferatu: Eine Symphonie des Grauens“ die immer wieder gemacht werden (zum Beispiel in der Szene, in der sich Dracula senkrecht im Sarg aufrichtet), sowie die allgemeine Anspielung auf das Kino und seine Geschichte.
Fazit: „Bram Stoker’s Dracula“ ist trotz vieler Änderungen der vorlagengetreuste Dracula-Film und dazu auch noch einer der besten Vampirfilme. Eine perfekte Atmosphäre, interessante Figuren und ein glaubhafter Vampir, was will man mehr?
Siehe auch:
Dracula aus anderer Perspektive Teil 1: „Anno Dracula“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 2: „Der Vampir“ und „Vlad“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 3: „Auf Draculas Spuren“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 5: „Der Rote Baron“
Dracula aus anderer Perspektive Teil 6: „Dracula Cha-Cha-Cha“