Kann man aus Donald bzw. Dagobert Duck Comics eine Wissenschaft machen? Aber natürlich kann man.
Nehmen wir zum Beispiel den amerikanischen Comickünstler Keno Don Hugo Rosa. Der am 29. Juni 1951 in Louiseville, Kentucky geborene Don Rosa war bereits sehr früh ein Liebhaber der Duck-Comics; oder besser gesagt der Duck-Comics von Carl Barks. Für alle, denen der Name Carl Barks nichts sagt: Nicht nur hat Carl Barks Donalds Comicpersönlichkeit praktisch erfunden (der wütende Enterich war zuvor hauptsächlich in kurzen Zeitungsstrips oder Trickfilmen unterwegs), er hat auch Entenhausen, so wie wir es heute kennen, praktisch im Alleingang kreiert. Figuren wie Daniel Düsentrieb, die Panzerknacker, Gundel Gaukeley und natürlich Dagobert Duck gehen alle auf sein Konto. In den Jahren seines Wirkens (1940er bis 1960er) hat Barks einen unglaublich großen Schatz an Geschichten über Jedermanns Lieblingsenten geschrieben und gezeichnet.
Don Rosa war während seiner Kindheit praktisch ständig von Barks-Comics umgeben, und diese hatten einen enormen Einfluss auf ihn.
So ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Don Rosa in den späten 80ern begann, Duck-Comics zu zeichnen und später sogar dem Familienunternehmen den Rücken zukehrte.
In den 20 Jahren zwischen 1986 und 2006 verfasste und zeichnete Don Rosa etwas weniger als 90 Entenhausencomics (Einseiter und lediglich von ihm gezeichnete Geschichten miteingerechnet).
Das hört sich zwar nach einer ganzen Menge an, ist aber im Vergleich zu anderen Duck-Künstlern sehr wenig. Dennoch ist Don Rosa einer der beliebtesten, wenn nicht gar DER beliebteste Zeichner und Autor von Entencomics.
Kommen wir nun zur Wissenschaft zurück: In Don Rosas Geschichten rund um die reichste Ente der Welt und ihre Neffen finden sich Haufenweise so genannte „Barksfakten“: Hinweise und Anspielungen auf die Werke des Duck-Man; ja mehr noch – Carl Barks Comics werden als „historische Grundlage“ begriffen. Manche dieser Barksfakten sind sehr subtil; eine Randfigur taucht wieder auf, es gibt einen kleine Anspielung etc.; oft geht Don Rosa aber sogar so weit, dass er Fortsetzungen zu bekannten Geschichten schreibt.
Schon das allein ist, unter Anbetracht der Größe von Barks’ Werk, ein enormer Rechercheaufwand. Don Rosa verkompliziert die ganze Sache für sich selbst aber noch durch den Anspruch, dass alle historischen Fakten, die in seinen Geschichten auftauchen (was bei Schatzsuchgeschichten, die sich zum Beispiel um den Schatz der Templer oder die „Mine des Holländers“ drehen, sehr viele sind), akkurat sind, was die Recherchearbeit für eine solche Geschichte noch mal erhöht. Und da behaupte noch mal einer, Comics seien anspruchslos.
Seit einiger Zeit legt der Egmont/Ehapa-Verlag alle Comics von Don Rosa (mit Ausnahme seines Opus Magnum „Onkel Dagobert: Sein Leben seine Milliarden“, das gesondert erschienen ist) im Rahmen der „Disneys Hall of Fame“ Reihe neu auf.
Diese Reihe hat zum Ziel, alle Disney-Zeichner und Autoren, die nicht Carl Barks sind, einmal ins Rampenlicht zu stellen. Neben Don Rosa sind in dieser Reihe unter anderem auch William van Horn, Daniel Branca, Paul Murry, Vicar und noch viele weitere vertreten.
Allerdings muss ich sagen, dass Don Rosa mich für alle Duck-Autoren außer ihm selbst und Carl Barks verdorben hat. Im Vergleich mit den Geschichten dieser beider Künstler sind alle anderen bestenfalls mäßig, und bei ihnen vermisse ich die Pseudokontinuität, die Don Rosa ins Entenuniversum eingeführt hat. Ich gehe sogar noch weiter und wage zu behaupten, dass selbst die schlechteste Don Rosa Geschichte immer noch besser ist als alles, was man im „Lustigen Taschenbuch“ findet.
Kommen wir nun zum eigentlichen Thema diese Artikels, nämlich dem ersten Don-Rosa-Band der „Hall of Fame“.
Für alle, die Don Rosa kennen lernen wollen, ist dieser Band, der seine ersten dreizehn Geschichten beinhaltet, die perfekte Einstiegsdroge. Neben den neu kolorierten Nachdrucken der Storys enthält dieser Band auch einen ausführlichen Kommentar des Autors zu jeder Geschichte, der den Hintergrund beleuchtet oder dem Leser lustige Details eröffnet.
Die in diesem Band enthaltenen Geschichten sind Folgende:
Das Gold der Inkas
Don Rosas Erstling, in dem er die Ducks auf die Suche nach dem Gold von Manco Capac, dem Sohn der Sonne schickt. „Das Gold der Inkas“ ist eine Abenteuergeschichte nach bewährtem Strickmuster, der Gegner in dieser Geschichte ist Mac Moneysac, der zweitreichste Mann der Welt und Dagoberts „böser Zwilling“.
Bereits die erste Seite strotzt nur so vor Barks-Zitaten, und diese Anspielungen ziehen sich durch die ganze Geschichte.
Don Rosas frühe Zeichnungen sind noch sehr ungeschliffen, der Detailreichtum späterer Geschichten fehlt noch.
Dennoch ist „Das Gold der Inkas“ alles in allem eine sehr gelungen Premiere.
Die Prüfung
Don Rosas erster Zehnseiter (von denen Carl Barks Dutzende, wenn nicht gar Hunderte produziert hat) ist eine recht durchschnittliche Donald vs. Gustav Gans Geschichte. Dagobert versucht, seinen beiden Neffen die Freuden harter Arbeit nahe zu bringen (der eine hat sie wegen seines notorischen Glücks nicht nötig, der andere ist zu faul). Natürlich scheitern sämtliche Bemühungen auf ganzer Linie.
Nichts wirklich Außergewöhnliches, aber durchaus unterhaltsam und lustig. Don Rosa hat in späteren Zeiten allerdings bewiesen, dass er sich noch enorm steigern kann, auch bei den Zehnseitern.
Tiere aus aller Welt
Dieser zweite Zehnseiter ist zum Beispiel schon eine deutliche Steigerung gegenüber „Die Prüfung“. Dieses Mal will Donald seine drei (alt)klugen Neffen mal so richtig verarschen. Diese müssen für ihre Pfadfinderprüfung Tiere beobachten – und Donald serviert ihnen einige recht außergewöhnliche Exemplare.
Don Rosa präsentiert hier äußerst lustigen, historisch bzw. mythisch angehauchten Unsinn, der bestens unterhält.
Selbst ist der Mann
Diese Geschichte dreht sich ausschließlich um Donalds Auto, den berühmten roten 313er, und ist vor allem für Liebhaber von Oldtimern lohnend. Es ist wirklich interessant, zu was man Autobauteile verwenden kann.
Eine schlüpfrige Angelegenheit
Der erste Auftritt der Panzerknacker bei Don Rosa. Diese stehlen in „Eine schlüpfrige Angelegenheit“ zwei Strahlenpistolen. Die eine hebt Reibungskräfte auf, die andere neutralisiert das Trägheitsmoment. Don Rosa spielt in dieser Geschichte mit physikalischen Gesetzen und überschwemmt letztendlich Entenhausen mit Geld – wortwörtlich.
Das ist durchaus lustig, aber wirkt doch etwas zu weit hergeholt.
Der Kürbiskampf
Das einzige Mal, dass Don Rosa Donalds Nachbarn Zorngiebel vorkommen lässt. „Der Kürbiskampf“ ist ganz nach dem Muster der Nachbarkämpfe gestrickt, die Donald bei Barks immer und immer wieder ausfechten muss. Natürlich bekämpfen sich Donald und Zorngiebel bis aufs Blut, während sich die drei Neffen um Schadensbegrenzung bemühen. Die Schlusspointe dieser Geschichte ist wirklich gelungen.
Öliges Glück
Eine weitere Donald vs. Gustav Geschichte, die sogar noch weniger unterhaltsam ist als „Die Prüfung“. Zu viele Ölfischli.
Der letzte Schlitten nach Dawson
Dieser Geschichte merkt man wirklich an, dass sie Don Rosa am Herzen lag. Es handelt sich dabei um eine indirekte Fortsetzung zu „Widersehen mit Klondike“ von Barks und ist ein thematischer Vorgriff auf „Sein Leben, seine Milliarden“. Don Rosa hat schon des Öfteren gesagt, dass Dagoberts Goldgräberzeit am Yukon zu seinen Lieblingsepochen im Leben der reichsten Ente der Welt gehört. Folglich gibt er sich für Geschichten mit diesem Sujet auch besonders Mühe; „Der letzte Schlitten nach Dawson“ ist ein turbulentes Abenteuer voller Humor, dessen Ende zeigt, dass Geld eben doch nicht alles ist, auch für einen Dagobert Duck.
Schwänzen will gelernt sein
Eine ganz amüsante Gagstory aus der „wilden Zeit“ der drei Neffen, bevor sie zum Fähnlein Fieselschweif kommen. Ihre Schulschwänzversuche sind dabei ganz Murphy’s Law unterworfen: Alles was schief gehen kann, geht auch schief.
Neben diesen größeren Geschichten sind auch noch vier Ein- bzw. Zweiseiter enthalten, für die Don Rosa aber nur die Zeichenarbeit erledigt hat.
Fazit dieses Bandes: Dieser erste Band enthält noch nicht die allerbesten Don-Rosa-Geschichten, aber immerhin einige seiner frühen Perlen, zusammen mit Geschichten, die zwar im Vergleich zu späteren Rosa-Werken verblassen, aber immer noch weit besser sind als die massenproduzierten Duck-Comics aus Italien.
Siehe auch:
Onkel Dagobert: Sein Leben, seine Milliarden
Don Rosa Fanseite