Tanz der Vampire


Zwar würde ich mich nicht unbedingt als Musical-Fan bezeichnen, aber durchaus als Jim Steinman und „Tanz der Vampire“-Fan. Zum ersten Mal habe ich dieses, mein Lieblingsmusical, vor sieben Jahren in Stuttgart gesehen, und als es nun dieses Jahr nach Stuttgart zurückkehrte, habe ich die Gelegenheit natürlich genutzt, um es mir ein zweites Mal anzusehen.
Die Handlung des Kooperationsprojekts von Jim Steinman (Musik), Michael Kunze (Text und Buch) und Roman Polanski (Regie) ist ja gemeinhin bekannt: Professor Abronsius, seines Zeichens Fledermaus- und Vampirforscher, reist mit seinem Gehilfen Alfred nach Transsylvanien, um die Existenz von Vampiren zu beweisen und nach Möglichkeit auch gegen sie vorzugehen. In dem Wirtshaus, in dem die beiden unterkommen, begegnen ihnen einige Merkwürdigkeiten, wie etwa die exzessive Knoblauchliebe und das merkwürdige Verhalten der Dorfbewohner im Allgemeinen und des Wirts Chagal im Besonderen.
Während der Professor nach weiteren Anhaltspunkten sucht, verliebt sich Alfred in Sarah, die Wirtstochter. Diese erhält jedoch schon bald Besuch von Graf von Krolock, der Sarah zu einem Vampirball einlädt und dadurch nebenbei auch den nötigen Beweis liefert, dass Vampire existieren. Sarah kommt der Einladung nach, was ihren Vater zu einer Verzweiflungstat treibt, durch die er zum Vampir wird.
Unter Zwang führt der untote Wirt Alfred und den Professor zu Graf von Krolocks Schloss, wo die beiden entgegen ihrer Erwartung freundlich empfangen werden. Dennoch ist der Aufenthalt dort nicht wirklich angenehm für die beiden Vampirjäger; sie müssen sich mit Albträumen, dem schwulen Sohn des Grafen und ihrer eigenen Unzulänglichkeit herumschlagen. Und schließlich kommt es beim Ball zum großen Finale… 

Optisch wie musikalisch ist „Tanz der Vampire“ schlicht eine Wucht. Zwar sind die Songs von Jim Steinman nicht wirklich innovativ, da die meisten in irgendeiner Art und Weise vorher schon existierten, entweder als Popsongs von Bonnie Tyler, Meat Loaf und David Bowie oder in anderen Steinman-Musicals. Das ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass sie perfekt zu Atmosphäre, Stimmung und Sujet des Musicals passen; ohne Steinmans Bombastrock kann man sich den „Tanz der Vampire“ als Musical gar nicht mehr vorstellen.
Um ehrlich zu sein: Wenn ich mir das Original, den Film von und mit Roman Polanski, anschaue, vermisse ich Steinmans Musik ziemlich.
Ein weiterer Pluspunkt bei der Musicalfassung ist in meinen Augen der Rückgang des parodistischen Elements. Der Film „Tanz der Vampire“ ist eigentlich eine reine Parodie, während sich im Musical einige etwas ernstere Töne einmischen. Natürlich sind viele der Gags erhalten geblieben, bzw. wurden adaptiert und es sind auch neue hinzugekommen. Sarahs Badezwang, Alfreds Schwammfixierung, Herberts Nachstellungen und die Trotteligkeit des Professors (im Musical durch Songs wie „Wahrheit“ und „Bücher“ sogar noch besser herausgearbeitet) sind immer noch zum Brüllen. Aber gerade die Figur des Grafen von Krolock hat viel hinzugewonnen, da sie sich vom Original durchaus unterscheidet. War der von Krolock aus dem Film von Aussehen und Gebaren her vor allem eine Parodie des von Christopher Lee dargestellten Dracula, zeigen sich im Musical-Graf einige der Einflüsse neuerer Vampirliteratur. Durch den Song „Unstillbare Gier“ gewinnt von Krolock eine tragische Facette hinzu, die es dem Zuschauer ermöglicht, ihn ernster zu nehmen und mit ihm zu fühlen. Nebenbei gefällt mir auch sein Aussehen im Musical besser als im Film, aber das ist natürlich Geschmackssache.
Was bei „Tanz der Vampire“ ebenfalls immer wieder interessant ist, ist die äußerst nihilistische Botschaft, die man heraushören kann (aber nicht muss) und die vor allem in den Liedern „Gott ist tot“, „Unstillbare Gier“ und „Tanz der Vampire“ auftaucht. Zwar würde ich dieser Botschaft weder per se zustimmen, noch sie von mir wegstoßen, aber es ist dennoch erfrischend zu sehen, dass sie der von „Twilight“ (ja, ganz recht, kein Vampir-Artikel auf diesem Blog ohne eine „Twilight“-Anspielung) vermittelten genau widerspricht. Während Stephenie Meyers Vampire ihre Gefühle und Gelüste vollkommen überwinden, siegen in „Tanz der Vampire“ eben jene Gelüste. Graf von Krolock drückt es in „Unstillbare Gier“ am treffendsten aus:

„Euch Sterblichen von Morgen
Prophezei’ ich heut und hier
Bevor noch das nächste Jahrtausend beginnt
Ist der einzige Gott, dem jeder dient
Die unstillbare Gier.“

Kommen wir aber nun zu der spezifischen Stuttgarter Vorstellung, die ich am ersten April besucht habe. Bühne, Bühnenbild und Atmosphäre waren natürlich nicht zu übertreffen. Egal ob Wirtshaus oder Schloss, die Sets sind extrem gut ausgearbeitet und sehr beeindruckend. Aber das ist eigentlich bei jeder Vorstellung der Fall. Ob eine spezifische Aufführung ge- oder misslingt, hängt natürlich vor allem von Orchester und Darstellern ab. Ersteres musste am Anfang wohl noch ein wenig warm werden, was zur Folge hatte, dass die fabelhafte Ouvertüre ein wenig blechern klang. Zum Glück haben sich die Musikanten nach und nach gefangen, allerdings ist es mir leider äußerst selten gelungen, die Streicher herauszuhören.
Die verschiedenen Darsteller haben ebenfalls durchaus gute Arbeit abgeliefert. Sarah und Alfred waren zwar etwas blass, aber das hängt vermutlich eher mit den Rollen zusammen. Herbert, Alfred und Chagal wurden gelungen dargestellt und konnten überzeugen.
Und auch die Leistung der Backgroundsänger und Tänzer war sehr ansehnlich.
Die wichtigste und auch schwerste Rolle des Musicals ist natürlich Graf von Krolock, bei besagter Vorstellung von Jan Ammann gespielt. Und zum Glück hat dieser als Graf vollkommen überzeugt und sich die Stellung als mein zweitliebster von Krolock ersungen und erspielt. Stimmlich am besten ist immer noch der unübertroffene und leider verstorbene Steve Barton aus der Wiener Uraufführung, den ich leider nie auf der Bühne sehen durfte. Barton lässt die Figur unglaublich edel und aristokratisch klingen und hat darüber hinaus auch noch eine der tollsten Gesangsstimmen. Jan Ammanns Graf ist im Vergleich weniger edel, dafür aber ein wenig wilder, bestienhafter, was ebenfalls ein überaus gelungener Ansatz ist. Das einzige, was mich bei Ammanns Darstellung gestört hat, war das immer wieder eingestreute Gelächter bei „Tanzsaal“.
Kurz und Knapp: Es war ein wunderbarer Abend und ich habe das Musical zum zweiten Mal in vollen Zügen genossen. Mit Sicherheit wird es auch noch ein drittes Mal geben, auch wenn es wieder sieben Jahre dauern sollte.

Siehe auch:
Stück der Woche: Original Sin