Die Comicserie „Star Wars Legacy“ stellt (mit Ausnahme der Geschichte „Storyteller“ aus der „Star Wars Tales“ Reihe, deren kanonische Gültigkeit allerdings bezweifelt werden darf), den bis dato weitesten Ausflug in die Zukunft der weit, weit entfernten Galaxis dar.
Doch wer bei erscheinen des ersten Bandes (ich orientiere mich hierbei an den deutschen Veröffentlichungen im Rahmen der „Star Wars“ Sonderbände von Panini) etwas völlig neues und innovatives erwartet hat, war vermutlich zuerst enttäuscht.
In der Tat kommt einem der aktuelle Status Quo, der zu Beginn der Serie geschildert wird, sehr bekannt vor. Die Sith beherrschen wieder das Imperium bzw. die Galaxis, die Jedi sind ausgelöscht und es gibt nur noch einen kleinen Haufen Widerstandskämpfer. Das hatten wir doch alles schon einmal irgendwo.
Und auch die Handlung dieses ersten Bandes kommt einem merkwürdig bekannt vor. Wir haben einen Skywalker, der unfreiwillig in die Ereignisse hineingezogen wird, eine Prinzessin, die gerettet werden muss, einige schurkische Persönlichkeiten und dunkle Häscher auf ihren Fersen.
Auf den ersten Blick erscheint das in der Tat wie ein Neuaufguss von „Eine Neue Hoffnung“, vielleicht mit ein wenig mehr Sith und einigen EU-Einflüssen. Und bei einem x-beliebigen Autor wäre bei dieser Serie wahrscheinlich auch nicht sehr viel herausgekommen.
ABER wir haben es hier nicht mit einem x-beliebigen Autor zu tun. Schreiberling der Serie ist nämlich John Ostrander, einer der begabtesten und beliebtesten Comicautoren des Star Wars Universums, der uns bereits gelungene Figuren wie Quinlan Vos und Aayla Secura beschert und aus dem sonstigen, bereits vorhandenen Personal alles herausgeholt hat, was nur möglich war (A’Sharad Hett, Sora Bulq, Count Dooku etc.).
Mit „Star Wars Legacy“ hat Ostrander schließlich die Chance bekommen, etwas weniger mit Einschränkung versehenes zu schaffen, und er hat nicht enttäuscht. Denn was auf den ersten Blick wie eine plumpe Kopie von Episode 4 anmutet, ist, vor allem in den weiterführenden Bänden, in der Tat etwas Großartiges. „Star Wars Legacy“ verbeugt sich einerseits ehrerbietig vor dem Original, führt aber gleichzeitig die Entwicklung fort, die sich bereits in den von Ostrander geschriebenen Ausgaben der Comicreihe „Republic“ abzeichnete: Hier haben wir es mit einem weitaus düstereren Star Wars zu tun, und das liegt nicht nur an der Vielzahl der Sith, die hier auftauchen.
Denn in kaum einem anderen Teil der Historie des Star Wars Universums trifft man auf so viele Grautöne wie hier. Das beginnt bereits beim Protagonisten. Cade mag der Nachfahre von Luke und Anakin Skywalker sein, aber er ist glücklicherweise nicht einfach ein bloßer Aufguss von einem der beiden. Im Gegensatz zu den beiden anderen will Cade eigentlich nur ein ruhiges Leben und möglichst in Ruhe gelassen werden. Er ist kein Idealist und hat keinerlei Bestrebungen, ein Held zu sein. Dies ist der Punkt der ihn, trotz aller Parallelen zu Anakin, von diesem maßgebliche unterscheidet.
Und auch sonst ist das Star Wars Universum 137 Jahre nach der Schlacht um Yavin sehr viel komplexer geworden. Strahlende Helden gibt es praktisch gar nicht mehr und die politische Lage ist um einiges komplizierter geworden. Denn es gibt nicht mehr nur zwei große Lager, sondern drei. Zum ersten hätten wir da die Galaktische Allianz, hervorgegangen aus der Neuen Republik, der widerrum die Rebellenallianz zugrunde liegt. Das sind gewissermaßen die Guten, auch wenn diese bei weitem nicht mehr so „sauber“ sind, wie man das aus der klassischen Trilogie kennt.
Natürlich gibt es immer noch ein Imperium, doch das ist dieses Mal zweigeteilt. Der größere Teil wird von Darth Krayt regiert, dem Dunklen Lord der Sith. Zwar sind er und seine Sith ohne Zweifel die Schurken, allerdings ist Krayt ein ähnlich vielschichtiger und ambivalenter Charakter, wie es seinerzeit Darth Vader war.
Wirklich interessant ist jedoch das „zweite Imperium“. Bei diesem handelt es sich um eine Splittergruppe. Ursprünglich wurde das gesamte Imperium von Roan Fel, dem dritten Imperator der Fel-Dynastie regiert, doch Darth Krayt gelang es, die Macht an sich zu reißen. Fel musste fliehen und hat nur einen kleinen Anteil an Getreuen hinter sich.
Roan Fel ist ein äußerst interessanter Charakter, der zu Beginn ein wenig an Bismarck erinnert, zumindest wird er von Krayt so beschrieben; als ein Mann, der die Einheit in der Galaxis als politische Notwendigkeit ansieht und keine Vision hat. Doch im Verlauf der Serie offenbart sich, dass Fel durchaus auch machtgierig ist, was zu Zweifeln unter seinen Gefolgsleuten führt.
Die oben genannten Charaktere und politischen Konstellationen sorgen für wirklich spannende, innovative und komplexe Geschichten, die das Potential, das in „Star Wars“ steckt, voll ausschöpfen.
Ein weiterer, wirklich großer Pluspunkt von „Legacy“ ist die graphische Umsetzung. Neben einigen Gastzeichnern wie Omar Francia liegt diese vor allem in den Händen von Jan Duursema. Duursema hat bereits in der Republic-Serie mit John Ostrander zusammengearbeitet, die beiden sind sozusagen ein eingespieltes Team, und darüber hinaus ist sie auch Koautorin. Und ich könnte mir, ehrlich gesagt, niemanden vorstellen, der besser für eine Comicserie wie diese geeignet wäre. Duursema zeichnet sehr realistisch, sehr detailliert und sehr düster, ihre Zeichnungen sind durchweg wunderbar anzusehen und passen zur Atmosphäre und den zerrissenen Charakteren.
Fazit: „Star Wars Legacy“ ist allen zu empfehlen, die gerne ein düsteres und erwachsenes Star Wars möchten, die graue Charaktere zu schätzen wissen und denen Ostranders Geschichten in der Republic-Serie gefallen haben.
Hier noch ein paar Beispiele von Jan Duursemas Zeichenkünsten:
Cade Skywalker
Darth Krayt
Roan Fel
Und natürlich Darth Talon, das Eye-Candy der Serie